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Interview-Archiv

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KIERAN GOSS
 
Der Songdoktor
Kieran Goss
Der irische Songwriter Kieran Goss ist ein Mann, der sich ständig Gedanken um die Prozesse des Songwritings, seine Fähigkeiten als Komponist, die Umstände seiner Arbeit und die Beziehungen zwischen sich, seinem Werk und seinem Publikum macht. Das sind Dinge, die man seiner vergleichsweise unbeschwerten Musik nicht unbedingt direkt anhört, aber auch Dinge, die ihn als Künstler ständig nach neuen Wegen suchen lassen, sich auszudrücken und seine Fähigkeiten auszubauen. Dies eingedenk sei die Frage erlaubt, warum es nach seiner letzten CD "Red Letter Day" eine vergleichsweise lange Pause gab, bis nun, mit "Blue Sky Sunrise" sein neues Werk vorliegt, das er erstmals in seiner zweiten Heimat Nashville einspielte.
"Es ist so, dass die Sache mit einem neuen Album jeweils die ist, dass es nun mal so lange braucht, wie es nötig ist", erklärt Kieran, "das hört sich banal an, ist aber so. Es war dieses Mal insofern ein langer Prozess, als dass ich mich Anfang 2003 entschloss, eine Auszeit zu nehmen. Es war so, dass ich in einem Jahr ca. 250 Shows in sechs Ländern gespielt hatte. Es wäre einfach gewesen, einfach im üblichen Rhythmus 'Songwriting, CD, Promotion, Tour' weiterzumachen. Aber man muss hier vorsichtig sein, dass das nicht zu einem automatischen Routine-Prozess wird. Ich brauchte also ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken, welche Art von Songs und Album ich machen wollte. Ich habe mich dann an die Westküste von Irland zurückgezogen, lange Spaziergänge gemacht, über Themen nachgedacht und mich inspirieren zu lassen. Ich habe dann 18 Monate damit verbracht, diese Einflüsse in Songs umzusetzen und habe jeden Tag drei bis vier Stunden neue Stücke geschrieben - insgesamt 60 bis 70 Stück. Dann bestand die Herausforderung darin, aus diesem Material ein Album mit einer Einheit zu machen. Denn ich mag keine Alben, die einfach aus Stücken - zum Beispiel Singles - bestehen. Ich mag Alben mit einer Geschichte und einem durchgehenden Thema. Also reduzierte ich die Auswahl auf zehn Songs." Und daraus entstand dann das Thema des Albums? "Genau. Für mich ist das der Ergebnis meiner Arbeit für zwei Jahre", bestätigt Kieran, "ich bin mir dabei gar nicht so sicher, wie man das Thema eigentlich findet und ob man es finden kann. Es ist ein Prozess und für mich ging es darum, Klarheit zu finden. Nimm den Song 'Clear Day' - der ist das beste Beispiel. Songs funktionieren auf zwei Ebenen. 'Clear Day' ist zunächst mal ein fröhlicher Song. Ein Song über einen guten, schönen Tag. Auf einer anderen Ebene ist ein klarer Tag aber auch ein Tag, an dem alles stimmt, alles an seinem Platz ist. Weißt du, manchmal bist du in deinem Leben ja so eingebunden, dass du vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr siehst. Die Details verhindern, dass du das Gesamtbild wahrnimmst. Du brauchst dann Abstand, um diesen Überblick wieder zu erhalten. Mir ging es 2003 also darum, dieses Gesamtbild wiederzufinden, meinen Platz im Leben wieder neu zu definieren, mich zu Konzentrieren, mir Klarheit zu verschaffen. Ich meine: Es ist ja immer alles da, man muss es nur bewusst wahrnehmen. Darum geht es in den neuen Songs." Das ist also auch als Ratschlag für den Zuhörer zu sehen? "Lass' mich also mal so sagen", weicht Kieran aus, "ich habe herausgefunden, dass diese Betrachtungsweise das Leben einfacher macht. Anstatt sich z.B. darüber aufzuregen, dass man den Rasen mähen muss, kann man dies ja auch als Teil des Lebens akzeptieren und versuchen, die guten Seiten daran zu sehen - z.B. dass es entspannend sein kann - auch wenn man es nicht jeden Tag machen möchte. Ich denke, es ist mir gelungen, diese Art von Balance wiederzufinden. Es kam hinzu, dass in dieser Phase meine Schwiegermutter gestorben war - was dazu führte, dass ich die Dinge wieder ein wenig anders betrachtete und die Gelegenheit nutzte, einen Neustart durchzuführen - weißt du, wie ein Reset beim Computer. Bei einem Todesfalle stellt man ja automatisch Dinge in Frage, die man bislang einfach als gegeben hinnahm. Der Song 'Nothing's Changed Again' handelt z.B. davon. Die wichtigen Dinge ändern sich allerdings nicht - und das ist die Erkenntnis, die ich daraus gewann."
Wie kommt es eigentlich, dass Kierans Alben angesichts dieser Gedankenprozesse nicht schwermütig oder depressiv geraten? Schreibt er vielleicht absichtlich angenehme, leicht zugängliche Musik, um einen Kontrast zu den zuweilen doch ernsten Themen seiner Songs zu bilden? "Genau, darum geht es mir", stimmt Kieran zu, "wenn du ernste Themen mit schwermütiger Musik kombiniertest: Wer möchte sich denn so was anhören? Offensichtliche Gegensätze ziehen sich an. Offensichtliche Gegensätze sind solche, die gar keine sind, von denen du aber glaubst, dass sie es wären. Diese Gegenüberstellung ist es, die Dinge interessant macht und das ist genau das, was ich tue, wenn ich schreibe. Wie erreicht man schließlich die Leute? Das ist wie Medizin, die du mit einem Zuckerwürfel einnimmst, um den bitteren Geschmack zu übertünchen. Ich bin in diesem Sinne also tatsächlich ein Arzt - Doktor Goss." Das wird aber doch nicht von allen wahrgenommen, oder? "Die Gefahr liegt natürlich darin, dass man diese Songs als Mainstream oder zu oberflächlich ablehnen kann", führt Kieran aus, "natürlich kann man das so sehen und ich habe kein Problem damit. Die Wahrheit ist aber, dass Leute, die so urteilen, nicht richtig zuhören. Ich jedenfalls mag Alben, die Komplex sind und Songs, die auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Wenn du also diese Mehrdeutigkeit erkennst, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Ich mag Pop-Musik, aber ich hasse Pop-Musik, die nichts aussagt. Die Beatles haben großartige Pop-Songs geschrieben. Es geht also. Ich nenne das Erwachsenen-Pop. Ich bin ein 43 Jahre alter Mann und für mich macht es keinen Sinn, standardisierte Love-Songs zu schreiben. Ich denke, dass ich mehr zu sagen habe." Was bedeutet denn der Titel des Albums? Wenn man sich das Cover anschaut, auf dem Kieran mit einer Leiter in einem Feld steht und zum Himmel aufschaut, fällt zunächst ja mal auf, dass gar kein Sonnenaufgang zu sehen ist. "Das stimmt wohl", lacht Kieran, "das ist schon wieder ein Widerspruch. Was das Cover darstellt ist Folgendes: Wenn man Songs schreibt, öffnet man sich in vielerlei Hinsicht für die Welt. Man schaut in den Himmel und sucht nach Texten, Melodien und Inspirationen. Wenn man Songs schreibt, ist das nicht, wie z.B. für eine Prüfung zu lernen, sondern als versuche man aufzugreifen, was sowieso da ist. Für mich ist das ein großer Teil des Prozesses, und der beinhaltet tatsächlich, einfach spazieren zu gehen und die Natur zu beobachten. Tatsächlich sind die neuen Songs entstanden, indem ich früh morgens spazieren ging und auf den Sonnenaufgang wartete. Und was die Leiter betrifft: Natürlich möchte so hoch wie möglich hinaus. Am liebsten möchte man in den Himmel klettern." Das bestätigt, was uns zwei Kollegen Kierans einmal erzählten: Joey Burns von Calexico beschrieb den Prozess des Songwritings so, dass es darum ginge, bestehende Songs aus der Luft zu fischen und Chuck Prophet nennt seine Art, Songs zu schreiben sogar 'Skywriting'. "Tut er das?", fragt Kieran, "das ist ja interessant. Und es ist sehr wahr. Es ist nicht so, wie sich die Leute das vorstellen. Kennst du meinen Song 'Words Across The Sky' von meinem Album 'New Day'? Dort beschrieb ich das ja erstmals. Ein irischer Poet hat das einmal 'Door Into The Darkness' genannt. Wenn du diese Tür einmal geöffnet hast - und das ist meine Erfahrung beim Song-Schreiben -, dann funktioniert es plötzlich alles und du kannst auf einmal zehn Songs schreiben, auch wenn du vorher gar keine Inspiration hast."

Kommen wir nun mal zur Musik. Diese ist - für Kierans Verhältnisse - diesmal vergleichsweise rockig geworden und auf dem schon erwähnten "Clear Day" experimentiert er ein wenig mit Jazz-Einflüssen. Aber ein Nashville-Sound - gleich welcher Art - ist das eigentlich nicht. Warum also hat Kieran die Scheibe überhaupt in Nashville eingespielt? "Nun, wir haben ein Haus in Nashville", verrät er, "es ist ein angenehmer Ort, um dort die Winter zu verbringen. Die Westküste Irlands ist im Sommer wunderschön, aber die Winter sind sehr hart dort. Was den Sound der Scheibe betrifft, wollte ich aber einen Country-Sound ganz bewusst vermeiden. Der Grund, warum ich in Nashville aufgenommen habe - abgesehen davon, dass ich dort viele gute Musiker kenne - ist der, dass ich meine Songs erstmalig live aufnehmen wollte; bislang habe ich ja immer mit Overdubs gearbeitet. Und da musste ich mit Leuten arbeiten, die so etwas gewohnt sind. Die gibt es gerade in Nashville. Dort gibt es auch tolle Studios für solche Zwecke. Nun wollte ich aber keinen kommerziellen Country Sound. Und dann ist es so, dass ich des weiteren irgendwo zwischen den Stühlen sitze, was die anderen Nashville Optionen betrifft. Ich bin zum Beispiel nicht so links von der Mitte wie Lambchop. Und ich bin nicht so altmodisch wie Spooner Oldham und Dan Penn. Mir ging es nur darum, die Atmosphäre des Live-Spielens einzufangen. Es ist für mich eine neue Art zu arbeiten und ein Experiment. Dabei half, dass ich die richtigen Leute zur richtigen Zeit trifft. Wie z.B. Rodney Crowell, der Produzent, der ein Spezialist im Live-Aufnehmen ist. Er wusste auch, wie man den Country-Sound vermeidet." Die Songs hat Kieran aber dann doch nicht ganz alleine geschrieben, oder? "Nein, ich bin mittlerweile ich einer Phase angelangt, in der ich Freude daran habe, mit anderen Songwritern zusammen zu arbeiten - wozu man allerdings erst mal seine eigene Stimme gefunden haben muss. Vor zwanzig Jahren hätte ich mir so etwas auch nicht vorstellen können. Da ist zum Beispiel mit Brendan Murphy von The 4 Of Us oder Sharon Vaughn, eine irische Songwriterin, die aber in Nashville lebt - was zu sehr schönen textlichen Momenten geführt hat, da sie den amerikanischen Sprachgebrauch verinnerlicht hat."

Kieran Goss
Ist "Blue Sky Sunrise" denn jetzt nun das definitive Kieran-Goss Album geworden? "Nun, ich weiß nicht, wie du es empfindest, aber für mich ist es die Repräsentation von jemandem, der Risiken einzugehen bereit ist. Kein Album ist aber das definitive Kieran Goss-Album. Alles was es darstellt, ist ein bestimmter Moment in der Zeit. Es sind Songs, die ich über zwei Jahre geschrieben habe und die ich live in Nashville eingespielt habe. Ich weiß nicht, wie das nächste Album klingen wird, aber ich würde mir gerne vorstellen, dass ich wieder bereit sein werde, Risiken einzugehen und auch Fehler zu machen. Es gibt sicher Leute, die das neue Album nicht mögen werden, weil sie ein weiteres 'Red Letter Day' erwarten. Aber so denke ich nicht. Mir ist es dann lieber, dass ich Fans verliere, dafür aber andere neu hinzugewinne. Leider ist es ja eine Versuchung, das, was du kannst, immer wieder zu machen. Aber die wahre Kreativität entsteht durch Risiken und Gefahr. Bei diesem Album war ich z.B. ein wenig aggressiver was die Produktion betrifft, denn meine eigene Kritik an meinen letzten Alben wäre die, dass diese ein wenig zu sanft waren. Also wollte ich die Ecken und Kanten, die sich in meinen Inhalten finden, auch ein wenig in der Musik zum Ausdruck bringen. In diesem Sinne bin ich dann doch näher an Lambchop als - sagen wir mal - Chris De Burgh. Das muss man die Leute aber auch spüren lassen." Kieran Goss ist also ein Songwriter, der es versteht, seine Inhalte und seine Philosophie in angenehme, leicht zugängliche Songs zu packen, die aber trotz ihres unscheinbaren Formats auf mehreren Ebenen funktionieren. Hier passt das Bild aus dem anglophilen Sprachgebrauch: "There's more to the picture than meets the eye" (das der Kenner dann nach Belieben mit "Rock'n'Roll will never die" ergänzen darf).
Weitere Infos:
www.kierangoss.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Kieran Goss
Aktueller Tonträger:
Blue Sky Sunrise
(Cog Communications/Alive)
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