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THE WHITE BIRCH
 
Die Suche nach der Wärme
The White Birch
Ein Projekt wie The White Birch ist nur in Norwegen vorstellbar. Dem wird sicherlich jeder zustimmen, der die neue Scheibe, "Come Up For Air" anhört. Da gibt es z.B. durfarbene Soundlandschaften, die aber zugleich auch mollig erscheinen. Ebenso finden sich prinzipiell düstere Songs, die andererseits Optimismus ausstrahlen. Kühle Eleganz paart sich mit organischen Zutaten und fließende Wellenbewegungen scheinen still im Raume zu verharren. Dazu singt White Birch-Mastermind Ola Fløttum mit flüsternder Stimme von rätselhaften Bildern, die zwar aus seinem Kopf stammen mögen, aber mühelos in den des Zuhörers finden. So etwas kann man sich wohl nur ausdenken, wenn man fröstelnd im Dunkeln sitzt, keinen Gitarrenrock zum Aufwärmen zur Hand hat und an den Frühling denkt, oder?
"Nun ja, ich denke auch, dass das Album zwar melancholisch aber nicht depressiv ist", überlegt Ola, "es war uns jedenfalls wichtig, nicht in einer depressiven Landschaft zu versinken." Und wie macht man so etwas, wenn man sich einmal entschlossen hat, stille, ruhige Musik zu kreieren? "Ich glaube, es ist gar nicht so einfach, seine persönliche Handschrift zu hinterlassen ohne allzu intim zu werden", erklärt Ola, "was ich sagen will, ist, dass melancholische Musik sich auf jeden Fall bemühen sollte, kommunikativ zu sein. Darum geht es mir: Einen ehrlichen Eindruck zu vermitteln und dem Zuhörer eine Chance zu geben, an unserer kleinen Welt teilzuhaben, indem wir ihm etwas geben, was er wiedererkennen kann. Ich bin sogar der Meinung, dass es generell eine starke Fähigkeit der Kunst ist, dadurch ein Gefühl des Trostes zu vermitteln, dass man kleine Teile seiner selbst darin wiederfindet. Und vielleicht ist es das, was es dem Zuhörer ermöglicht, sich gut zu fühlen, wenn er mit traurigen Stimmungen konfrontiert wird. Das ist jedenfalls öfter bei mir selbst der Fall. Ich hoffe, das klappt auch bei anderen." Zwischenzeitlich schrieb Ola ja auch noch Musik für ein norwegisches Kinder-Theater-Stück. "Ja, ich bin damit auch getourt", meint Ola, "was auch dazu geführt hat, dass es mit der neuen Scheibe länger gedauert hat. Es geht in dem Theaterstück darum, dass zwei Kinder keine Zuneigung von ihren Eltern bekommen und wie sie durch eine Freundschaft zueinanderfinden. Es war schon erstaunlich, wie sehr sich die Kinder auf dieses ernste Thema konzentrieren und diesem folgen konnten. Die Lehrer äußerten oft Bedenken, weil ihnen das Thema zu erwachsen erschien, aber die Kinder erstaunten mich durch ihre Beobachtungs- und Auffassungsgabe, manche waren erst sieben Jahre alt. Wir sollten Kinder nicht unterschätzen. Jedenfalls gibts viel Freude beim Kindertheater."
Aber zurück zur Erwachsenen-Musik: Wie ließ sich denn die Arbeit für das neue Album an? "Nun, wie die meisten Bands wollten wir etwas anderes machen. Zunächst mal haben wir uns mehr Zeit gelassen und auch mehr Zeit mit unserem Produzenten Helge Sten in einem professionellen Studio verbracht. Es ging darum, jeweils den richtigen Weg und die richten Lösungen für musikalische Probleme zu finden. Zusammen arbeiteten wir als kleines Team, um uns gegenseitig zu inspirieren und zu bestmöglichen Ergebnissen anzuspornen. Jeder in der Band hat einen großen Einfluss - auch wenn ich die meisten Instrumente spielte. Durch einen Prozess wie diesen entsteht eine kleine, intime Welt in der es darum geht, die Ruhe zu bewahren, zuzuhören und es zu wagen, auszuprobieren, was die anderen vorschlagen. Unser Haupt-Ziel war, dieses Mal zu versuchen, etwas unbeschwerter zu werden, ohne die Intensität eines hoffentlich aufrechten und unmittelbaren Eindrucks einzubüßen. Es gibt oft auch die Ambition, ein abwechslungsreiches Album zu machen, das dann doch wieder einheitlich klingt. Die Möglichkeit ist aber sehr groß, dass dir als Musiker die Stücke wesentlich abwechslungsreicher vorkommen als dem Hörer, weil du dich ja ständig mit deinen Limitationen herumschlagen musst und Songs schreibst, die auf deinen speziellen Fähigkeiten und Eigenarten beruhen. Außerdem ist es so, dass nicht immer das herauskommt, was du dir vorher so vorgestellt hast. Das macht es aber auch spannend und faszinierend. Manchmal kann man fast voraussehen, was passiert - bis es sich dann im letzten Moment doch wieder verändert." Dazu gehört ja auch, dass man die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten variiert - wie z.B. mit der Hinzunahme einer zweiten Stimme. "Nun ja, wenn man eine zweite Stimme verwendet, dann muss es zu den Texten passen", schränkt Ola ein, "für Live Auftritte haben wir ja unsere Sängerin Linda. Die Sängerin auf der neuen Scheibe ist Susanna Wallumrød. Sie ist eine tolle norwegische Sängerin, die selber auch Alben veröffentlicht. Eber ehrlich gesagt: Auf der neuen Scheibe gab es keinen Song, bei dem sich eine zweite Stimme aufdrängte. So was erzwingt man besser auch nicht" Worüber schreiben Ola und Ulf denn auf dem neuen Album? Selbsterklärend sind die Texte ja nicht gerade. "Für mich sind Musik und Texte eine sehr emotionale Sache", beschreibt Ola, "ich schreibe immer über das, was mir am Herzen liegt. Darüber hinaus finde ich es immer schwer, anderen zu erklären, wovon meine Texte handeln. Ich will auch keine Antworten geben. So würde ich sagen, dass jeder selbst herausfinden soll, was die Songs und die Titel bedeuten könnten. Das kann auch jeden Tag was anderes sein: Einmal handeln sie von der Liebe, ein anderes Mal davon klein und unwichtig zu sein und davon, dass das okay ist. Die Texte anderer Leute zu interpretieren ist immer eine persönliche Sache. Und das soll auch so sein. Der Zuhörer soll entscheiden ..." Wie sieht Kollege Ulf denn die Sache? "Nun ich kann schon verstehen, dass einem die Texte von mir und Ola ähnlich vorkommen", räumt auch Ulf ein, "es ist natürlich schon so, dass Ola die Musik und die Hälfte der Texte schreibt und auch die meisten Instrumente spielt. Er ist also unzweifelhaft der Kopf, das Gesicht und das Rückgrat von The White Birch. Dennoch wird auch Ola zustimmen, wenn ich sage, dass The White Birch sich von seinen Solo-Werken unterscheidet. Auch deshalb, weil alle drei Beteiligten etwas dazu beitragen. Erst dadurch, dass wir unsere Köpfe, unsere Ohren und unsere Herzen zusammen stecken, wird The White Birch zu dem, was es ist - und das ist mehr als die bloße Summe der Teile. Hinzu kommt, dass Ola und ich schon immer meinten, dass Texte sehr wichtig sind. Deswegen schreiben wir auch beide welche. Am Anfang nahmen wir zwar immer Olas Texte, weil er sehr gut ist und als Sänger besser auf sie eingehen kann. Als wir aber immer mehr zusammen - und mit den Texten des anderen - arbeiteten, passierte etwas sehr Faszinierendes: Unsere Art zu denken und unsere Texte wurden immer ähnlicher. Bei 'Star Is A Sun' waren dann die Texte halb von ihm und halb von mir und keiner konnte den Unterschied erkennen. Es ist manchmal schon fast unheimlich, wenn wir jeder für sich und ohne Kontakt zueinander über dasselbe Thema schreiben und dann mit denselben Bildern und Schlüsselworten zutage kommen. Und das passiert recht oft. Und dadurch werden wir auch besser. Manchmal scheinen die Texte vom jeweils anderen zu handeln - wie z.B. beim Astronauten-Song - was dann sehr ergreifend ist." Und wie führt man dann die Ergebnisse zusammen? Gibt es da einen Plan? "Nein, es gibt keinen Plan", erwidert Ulf fast entrüstet, "ich denke, da gibts eine Story in jedem Song. Manche meiner eigenen Favoriten, wie z.B. 'Stand Over Me' entstanden, indem ich mich von Olas Ad-Libs auf einem Demo inspirieren ließ. Auf diese Weise werden die Texte zu einer Erweiterung der Musik - wie Blätter, die auf einem Baum sprießen. Das ist aber nur so eine Idee von mir."
The White Birch
Was war denn die Inspiration für die Musik auf dem neuen Album? "Eigentlich nur der Umstand, sich lebendig zu fühlen", antwortet Ola, "es geht um die Leute, die du triffst und jene, die du verlierst. Ich bin in Norwegen im Winter getourt - das war die Phase, bevor ich die meisten Songs schrieb. Mich durch die stillen norwegischen Landschaften zu bewegen, hatte immer schon einen starken Einfluss auf mich ausgeübt. Man bekommt dann das Gefühl klein, aber stark zu sein. Bei uns gibt es definitiv zu viele Monate, die zu kalt sind. Deswegen sind wir immer auf der Suche nach Wärme. Meine Methode ist, neue Songs zu schreiben." Was war denn am Schwierigsten bei den Aufnahmen? "Das Schwierigste war mit Sicherheit die Unsicherheit, die sich einstellte, wenn wir eine neue musikalische Richtung entdeckt hatten und wir uns noch nicht sicher waren, ob wir uns auf dem richtigen Weg befanden oder ob das gut war, was wir machten. Und mir hat es am meisten Spaß gemacht, auf 'Small Hours' laut Gitarre zu spielen. Das fühlte sich gleich wieder ein wenig nach jugendlicher Rebellion an." Und wie geht es musikalisch weiter? "Nun, ich schreibe bereits Songs für das nächste White Birch-Album. Hoffentlich kommt das also schneller heraus. Und dann arbeite ich an Musik für einen norwegischen Spielfilm namens 'Reprise'. Er ist von diesem talentierten Typen namens Joachim Trier. Den Namen solltet ihr euch schon mal merken."
Weitere Infos:
www.thewhitebirch.one.no
www.indigo.de/unser_programm/2668/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Tove Sivertsen-
The White Birch
Aktueller Tonträger:
Come Up For Air
(Glitterhouse/Indigo)
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