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01.03.2019
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KITTY SOLARIS

Warten auf die Muse

Kitty Solaris
Seit ungefähr 20 Jahren geht Kitty Solaris von ihrer Wahlheimat Berlin aus unbeirrbar ihren Weg als emsige LowFi-Pop-Künstlerin (so bezeichnet sie das, was sie musikalisch macht selber), Betreiberin des Labels Solaris Empire, Radiomoderatorin und allgemein gute Seele der örtlichen Indie-Pop-Szene - die in Berlin mittlerweile wie selbstverständlich durchaus internationale Dimensionen einnimmt. Obwohl sich Kirsten Hahn auf ihren bisherigen fünf Scheiben als Kitty Solaris logischerweise immer mal wieder mit ihrer Heimatstadt Berlin beschäftigte, ist das - nicht nur im metaphorischen Sinne "Cold City" betitelte - sechste Werk tatsächlich aber ihr erstes musikalisches Portrait der Bundeshauptstadt.

"Ich glaube, das ist wirklich meine erste Berlin-Platte", überlegt Kitty, "denn dieses Mal ist das Thema schon ein wenig expliziter. Auf 'Golden Future Paris' haben wir eher so den Surrealismus als Thema - aber 'Cold City' ist das erste richtige Berlin-Album." Das neue Werk ist ja eher als Rock-Scheibe angelegt - während die letzten Tomträger ja eher so in Richtung New Wave gingen. Was war denn dieses Mal die Idee? "Wir wollten dieses Mal ein Album so machen, wie wir live klingen", berichtet Kitty, "wir treten ja auch öfter zu zweit oder zu dritt auf - in Berlin manchmal auch mit Gastmusikern. Wir haben die neuen Songs dann auch gar nicht ewig geprobt - ich glaube nur zwei Mal vorher. Dann sind wir gleich zu Jochen Stroeh ins Lovelight-Studio gegangen, wo wir das letzte Album auch schon aufgenommen haben. Jochen hat ein Händchen für einen guten Live Raum Sound und da haben wir das in zwei Räumen - ich in einem und Steffen Schlösser, unser Drummer im anderen - live aufgenommen. Und dann haben wir noch Rod Miller, einen Keyboarder aus N.Y. eingeladen, weil wir dachten, dass das gut dazu gepasst hätte, weil der so einen Old-School-Keyboard-Sound hat und Lucio Caprese, der hat Bassklarinette gespielt - wie bei Stings 'Englishman In New York'." Das war aber doch neu, oder? "Ja - sowas haben wir ja noch nie gehabt. Unser Drummer hat ihn denn ein wenig gecoached. Er hatte ein paar Melodien im Kopf und die hat Lucio dann eingespielt. Wir fanden, dass das gut passte. Die Songs selbst sind straight und einfach angelegt - man kann sie auch gleich mitsingen. Ich mag aber auch dieses Repetitive und Meditative, wie es im Krautrock vorkommt - nur rockiger." Das heißt auf dem neuen Album geht es bewusst geradlinig zu? "Ja - es geht back to the roots", bestätigt Kitty, "ich mag ja eigentlich auch elektronische Musik - deswegen hatten wir auf dem letzten Album mehr davon drauf -, dieses Mal sollte es aber wieder ursprünglicher sein. Steffen, der ja auch schon lange dabei ist und auch oft zweite Gitarre spielt, ist ja eigentlich Drummer - und da passte das dann ganz gut zum Konzept. Live ist das Ganze dann noch rockiger als auf der Platte. Wir wollen uns aber stilistisch nicht festlegen, denn wir sind ziemlich vielseitig."

Kitty Solaris
Wovon lässt sich die Songwriterin Kitty Solaris inspirieren - außer von Berlin? "Von allem Möglichen", überlegt Kitty, "ich mache ja auch eine Musikreihe im Schokoladen hier in Berlin, da werde ich auch immer wieder beeinflusst. Da gibt es ja momentan so eine richtige Back To The Roots-Bewegung von jungen Bands, die klingen wie aus den 70ern oder 80ern oder 90ern - das finde ich zum Beispiel inspirierend. Was das Songwriting betrifft, ist das für mich ein meditativer Prozess. Ich muss mich dann hinsetzen und auch am besten alleine sein. Dann fällt mir unter Umständen was ein. Das neue Album ist dabei auch ein wenig aus Frust entstanden." Wieso? "Es gab da diese Situation, wo wir in einer kalten Winternacht über die Warschauer Brücke gegangen sind, und da tanzte ein Typ im Touristen-T-Shirt mit einer Flasche Sekt auf der Kreuzung herum. Das symbolisierte für mich irgendwie diesen Berlin-Hype - die Gentrifizierung, dass alles mainstreamiger wird, dass aber auch der Druck wächst, Geld zu verdienen - und darum geht es in dem Titelsong 'Cold City'. Wir haben dann auch ein Video in dieser Gegend gedreht, bei der wir diese Situation ein wenig nachgestellt haben." Und das gibt dann ein gespaltenes Verhältnis zu Berlin? "Na ja, Berlin hat mir natürlich schon einen gewissen Freiraum und eine gewisse Entwicklungsmöglichkeit gegeben", erklärt Kitty, "aber im Moment ist es nur noch so ein bisschen ein angesagter Treffpunkt für die Künstler-Szene. Ich weiß nicht, ob ich ewig hier bleiben werde - denn das Wetter gefällt mir zum Beispiel nicht so gut. Man muss sich in eine Art Alpha-Zustand begeben und in den kreativen Prozess reinfinden."

Wonach sucht denn die Songwriterin Kitty Solaris? "Ein guter Song muss eingängig sein und einen interessanten oder witzigen Text haben", überlegt Kitty, "er muss ein bisschen ironisch sein - wie eben 'Cold City'. Ein guter Song muss auch eine Meta-Ebene haben. Ich habe mal eine Doku über Nick Cave gesehen, wo man ihn das auch gefragt hat, und da meinte er, ein guter Song muss zwei Geschichten, die nichts miteinander zu tun haben, verbinden. Und dann noch was: Straighte, eingängige Songs sind natürlich nichts, wenn das Gefühl für den Song nicht dabei ist." Erreicht man das nicht bei den Aufnahmen der Songs? "Ja, im Studio geht es darum, den Song mit Emotionen zu füllen", berichtet Kitty, "im Studio gibt es dann diese Magie - ob man es schafft, das Gefühl und die Intention auf die Aufnahme rüberzubringen. Dafür braucht es immer genau die richtige Stimmung und Konzentration - und den Wunsch, den Song in diesem Moment unbedingt aufnehmen zu wollen, weil es in dem Moment nichts wichtigeres gibt." Was ist heutzutage die größte Herausforderung als Musikerin? "Das ist aber eine Trickfrage", zögert Kitty, "als Musikerin habe ich einfach das Bedürfnis, Songs zu schreiben - aber ich kann das nicht kontrollieren. Wenn mir nichts einfällt, kann ich halt auch nichts machen. Ich sage ja nicht, ich will einen Song schreiben, sondern ein Song kommt zu mir. Ich bin drauf angewiesen, dass mich die Muse küsst."

Wie kommt man denn heutzutage als Indie-Künstlerin zurecht? Als Frau, die mit beiden Beinen im Musikgeschäft verankert ist, kann Kitty natürlich ein Lied über die malade Situation singen: "Es gibt zwar wahnsinnig viele tolle Filme und Platten - aber keiner hört sie mehr", überlegt Kitty, "das ist fast so wie bei Warhol: 'Everybody is a star for 15 Minutes'. Filme verschwinden nach höchstens zwei Wochen wieder aus dem Kino und Musik geht in der allgemeinen Masse unter. Erst mal kaufen sich die Leute keine CDs mehr und laden sich die Sachen runter oder hören Spotify - was das Musikbusiness ja kaputt gemacht hat. Und selbst wenn die Klickzahlen mal hochgehen, kommt dabei kaum etwas bei den Labels und Künstlern an. Die Leute machen zwar schöne Musik - können aber davon nicht leben. Das ist mir manchmal selbst alles too much - besonders diese digitale Welt." Da fühlt man sich dann auch persönlich betroffen, oder? "Ja klar - du machst da eine Scheibe und kein Mensch interessiert sich dafür, weil es wahnsinnig schwer ist, die Leute zu erreichen." Nun ja: Gut dass Kitty auch noch andere Standbeine hat - Musikveranstaltungen, Promotion, das Label, einen Job als Lehrerin für Deutschunterricht als Fremdsprache. Und wenn sie dann noch Zeit dafür findet, dann kommt sie auch auf Tour (die am 24.03.19 mit der Record Release-Show mit vielen Gästen in der Kantine Berghain in Berlin beginnen wird). Wir bleiben da am Ball...

Weitere Infos:
www.kitty-solaris.de
www.facebook.com/pages/Kitty-Solaris/176274229068538
www.youtube.com/watch?v=TH-pFrpXvVk
www.youtube.com/watch?v=4RYbpTyNalQ
youtu.be/cIjdmgVUzpc
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Kitty Solaris
Aktueller Tonträger:
Cold City
(Solaris Empire/Broken Silence)
 

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