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18.09.2018
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AMY HELM

Spaß an der Freud'

Amy Helm
Als Tochter von Levon Helm, dem Drummer von The Band, wurde Amy Helm die musikalische Berufung ja sozusagen in den Schoß gelegt. Und so überrascht es dann auch nicht, dass Amy - nachdem sie zunächst in New York Jazz studierte und dort als Bar-Sängerin erste Erfahrungen sammelte - sich 1999 der Band ihres Vaters, The Barn Burners, und später den Midnight Ramblers anschloss. Zusammen mit vier gleichgesinnten Kolleg(inn)en gründete sie nach den Anschlägen des 11. September 2001 des Weiteren das Folk-Gospel-Vokal-Ensemble Ollabelle, das als Touring-Act unterwegs war und mit dem Amy zwischen 2004 und 2011 auch vier Alben veröffentlichte. Erst 2015 brachte Amy aber ihr erstes Album "Didn't It Rain" als Solo-Künstlerin unter eigenem Namen heraus, dem nun das von Joe Henry produzierte "This Too Shall Light" auf dem Fuße folgt. Allerdings ist es vor allen Dingen Amys Beiträge für die Produktionen von so unterschiedlichen Acts wie Donald Fagen und Steely Dan, Mercury Rev, Roseanne Cash, Linda Thompson, Tracy Bonham, Chris Smither, Jim White oder Matt Andersen, die ihre musikalische Laufbahn - neben der Zusammenarbeit mit ihrem Vater - besonders prägten.

Für ihr neues Album verließ sie die vertraute Umgebung im heimatlichen Woodstock und begab sich in Los Angeles in die Obhut Joe Henrys, mit dem zusammen sie für das neue Album nach einem "kreisrunden Sound" suchte, wie sie selbst sagt. Heißt das vielleicht, dass Amy Helm mit dem neuen Album auch einen musikalischen Zirkelschluss für sich selbst suchte? "Nein", lacht Amy, "das werde ich vielleicht erst dann sagen, wenn ich noch 20 Jahre an Aufnahmen zur Verfügung habe, auf die ich mich beziehen könnte." Worum ging es denn ansonsten bei dem "kreisförmigen Klangkonzept"? "Joe Henry, der Produzent, hatte ein bestimmtes Klangkonzept im Kopf, das er mit dieser Produktion ausloten wollte", erinnert sich Amy, "er wollte, dass das Album ziemlich locker klingt und ein bestimmtes Live-Feeling hat. Es sollte also weniger um Arrangements und Proben gehen, als vielmehr um spontanes gemeinsames Musizieren und Singen. Das, was ich dann mit kreisförmig meine, ist etwas schlüssiges, lockeres, im Moment befindliches; eine musikalische Momentaufnahme, musikalische Gedanken, die sich dann aber auch wieder verflüchtigen." Es gab also keine Vorbereitung auf das Album? "Richtig", bestätigt Amy, "die einzige Vorbereitung war, dass Joe und ich uns ein Mal getroffen haben, um die Sache durchzusprechen und uns eine Menge Songs anhörten - sowohl als mögliche Cover-Versionen als auch Klangbeispiele für die Art, in der die Scheiben aufgenommen waren. Wir haben uns Bonnie & Delaneys 'Motel Shot' als Referenz ausgesucht, weil die Unmittelbarkeit dieses Albums klar herauszuhören ist. Es ist auch sehr locker und man kann zum Beispiel hören, wie eine Harmoniestimme durch einen Gitarrenverstärker klingt. Es war einfach eine Gruppe von Musikern, die in einem Raum zusammengekommen waren und angefangen haben gemeinsam zu spielen. Und genau so etwas wollten wir auch machen." Das Album, auf das sich Amy hier bezieht, war das fünfte Album der Band aus LA, auf dem sich Gastbeiträge von Leon Russell, Joe Cocker oder Duane fanden und dessen Titel sich auf die Jam-Sessions bezieht, die Musiker auf Tour des Öfteren in Hotelzimmern initiieren. Diesen Sound wollten nun also auch Amy Helm und Joe Henry emulieren. Das bezieht sich aber nicht darauf, dass "This Too Shall Light" einen gewissen Retro-Touch bekommen sollte, sondern nur auf das Einfangen spontaner Momente, richtig? "Absolut", bestätigt Amy, "wir haben vielleicht zwei oder drei Takes von jedem Song aufgenommen - oft aber auch erste Takes verwendet." Heißt das dann, dass das Album um Amys Gesang herum aufgebaut wurde? "Auf gewisse Art ja", bestätigt sie, "aber es ist auch um das Zusammenspiel der Musiker und die Harmoniegesänge aufgebaut. Die Musiker, die auf dieser Scheibe spielten, waren alle so großartig, dass sie die durch ihre Performances überhaupt erst ermöglichten." Wie gingen Amy und Joe das Album stilistisch an? Sollte es vielleicht in Richtung Gospel gehen - wenn es schon um den Gesang ging? "Also, wir haben die Songs ja eher danach ausgesucht, dass sie zu dem Soundkonzept passen", zögert Amy, "da ging es eher um die erwähnten Live- und First-Take-Vibes als um stilistische Überlegungen. Was die Gospel-Sache betrifft, so vermute ich, dass die Harmonie-Gesänge damit zu tun haben. Ich liebe vielschichtige Harmoniegesänge und möchte am liebsten immer einen Chor dabei haben. Und ja, die Songs sind schon ein wenig durch Gospel-Elemente verbunden, denn in den Geschichten geht es oft darum, etwas zu überwinden oder etwas zu finden. Aber das ist dann eher ein Zufall, denn das war so nicht geplant. Auf dem ersten Album war das vielleicht etwas anders, weil wir Songs aus dem Alan Lomax-Fundus auswählten - und diese haben nun mal eine spirituelle Note. Das ergab dann am Ende dieses eher seltsame Gospel-Feeling, denn richtige Gospel-Sänger sind wir ja nicht."

Wie war denn die Arbeitsteilung bei den Aufnahmen? "Ich kümmerte mich um den Gesang und überließ es Joe, die Arrangements mit den Musikern auszuarbeiten", erläutert Amy, "ich habe natürlich ein paar Mal meine Anmerkungen gemacht, wenn sich etwas seltsam anfühlte oder mir etwas zu stark betont erschien - aber die Jungs haben ja so starke Instinkte, dass die Sache auf diesen Instinkten aufgebaut wurden. Das gilt auch für die Harmonie-Sänger. Jeder hat das, was ihm die Intuition vorgab, eingebracht." Wie macht Amy Helm die Cover-Versionen, die sie singt, zu ihren eigenen? "Hm - das ist eine interessante Frage", überlegt sie, "ich denke aber, dass das für jeden Sänger auf eine ganz natürliche Weise passiert, denn kann als Sänger fühlen, wenn man den Kern des Songs trifft - oder auch nicht. Für mich ist das eine ganz spontane, direkte Sache. Man muss eine Beziehung zu dem Song aufbauen und sich dabei intuitiv leiten lassen." Ist das so, wie ein Schauspieler eine Rolle verkörpert? "Hm - vielleicht tatsächlich", meint Amy, "das sind wirklich interessante Aspekte, über die ich so noch nie nachgedacht habe. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass Schauspieler ähnlich arbeiten. Für mich gibt es immer eine emotionale Palette für jeden Song, die man finden muss." Wie ist das denn zu verstehen? "Manchmal gibt es ja zum Beispiel Songs, die eher traurig sind - während aber die Rhythmusgruppe etwas kräftigeres spielt. Man muss dann als Sänger die Balance finden, indem man beispielsweise Verletzlichkeit und Stärke zugleich verkörpert. Und wenn du mit exzellenten Musikern zusammenarbeitest, dann werden die dich schon dazu herausfordern." Was ja bedeutet, dass sich Amy auf ihre Musiker verlassen können muss. "Ja, das kann ich auch", erklärt sie, "es geht um dieses gegenseitige Vertrauen. Das erste Instrument, auf das ich als Sängerin achte, sind die Drums. Ich mag es nämlich selbst, Drums zu spielen. So finde ich den Song bzw. die Atmosphäre für mich als Sängerin. Tatsächlich kommt das Geschichtenerzählen und die emotionale Interpretation für mich vom Drumset. Ich kann mich dann sozusagen in die Musik fallen lassen, die wir alle zusammen machen. Das ist die Chemie von guten Live-Darbietungen." Okay - da habe wir also wieder etwas dazu gelernt.

Amy Helm
Wie wird sich denn die musikalische Zukunft von Amy Helm gestalten? Sie deutete ja bereits an, dass sie noch Material für ein Album mit eigenen Songs habe. Wird es denn auch weiterhin Kollaborationen wie in der Vergangenheit geben? "Also da gibt es tatsächlich etwas, was ich gerne mal stilistisch ausprobieren möchte", verrät sie, "ich habe in letzter Zeit Sarah Vaughn ziemlich intensiv studiert - und vielleicht wage ich es mal, ein paar ihrer Songs zu covern. Das wäre eine große Herausforderung für mich. Ansonsten nehme ich die Singe so, wie sie kommen. Weißt du, als Musiker triffst du so viele großartige Leute, dass du dich ruhig vom Leben dorthin tragen lassen kannst, wofür du bestimmt bist. Daran glaube ich ganz fest." Was ist denn das wichtigste in Amys Metier? "Was ich jedermann nur empfehlen kann, ist so viel Spaß auf der Bühne zu haben, wie möglich", rät sie, "Musik zu spielen, fühlt sich einfach gut an - selbst, wenn man mal was trauriges spielt. Egal welches Instrument du spielst oder ob du singst - gib immer dein Bestes, habe Freude an deinem Tun - und zwar bei jedem Auftritt; selbst wenn du nur vor vier Leuten spielst und schlecht bezahlt wirst. Verliere auch nie deinen Sinn für Humor und nehme bloß nicht alles ernst." Also bis auf die Musik natürlich - denn die nimmt Amy Helm schon sehr ernst, wie sich auch auf dem Album "This Too Shall Light" nachvollziehen lässt. Eine Tour ist erst für das nächste Jahr in Aussicht gestellt.

Weitere Infos:
www.amyhelm.com
twitter.com/AmyHelmMusic
www.instagram.com/amyhelmmusic
www.facebook.com/AmyHelmMusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ebru Yildiz-
Amy Helm
Aktueller Tonträger:
This Too Shall Light
(Yep Roc/H'art)
 

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