Neu im Geschäft ist die Kanadierin Allison Russell nun wirklich nicht mehr: Bereits bevor sie 2012 mit ihrem späteren Gatten JT Nero das Folk-Projekt Birds Of Chicago gründete, war sie schließlich in ihrer Heimat mit der noch traditionalistischer ausgerichteten Roots-Band Po' Girl tätig - und nachdem Birds Of Chicago ab 2019 eine Pause einlegten, gründete Allison zusammen mit Rhiannon Giddens, Amythyst Kiah und Leyla McCalla das politisch motivierte Human Rights-Gesangsquartett Our Native Daughters, in dem sich die Protagonistinnen für ein LP-Projekt mit dem Thema Rassismus in der amerikanischen Geschichte beschäftigten. Dass es dann letztlich fast 20 Jahre dauerte, bis Allison ihr Solo-Debüt in Betracht ziehen konnte, lag also weniger an fehlender musikalischer Expertise, sondern daran, dass sie sich erst ein Mal intensiv mit den Traumata, die sie als missbrauchte "Außenseiterin" in ihrer Jugend erlitten hatte, auseinandersetzen musste, um sie dann - nicht zuletzt inspiriert von der Geburt ihrer Tochter - mit erstaunlicher Offenheit in dieser höchst persönlichen Songsammlung verarbeiten zu können.

Nachdem sie in Nashville eine neue musikalische Heimat gefunden hatte, erschuf sie mit einer Ersatzfamilie aus Musikern, zu denen neben ihrem Produzenten Dan Knobler auch JT Nero und diverse Gäste wie Erin Rae, The McCrary Sisters oder Ruth Moody gehörten, die Allison insbesondere gesanglich unterstützten, eine bemerkenswert vielschichtige und facettenreiche Americana-Songwriter-Scheibe, von der ihr alter Freund und Förderer Joe Henry sagt, dass diese zwar aus dem "dunklen Brunnen einer gewalttätigen Vergangenheit" schöpfe, dass es Allison aber gelungen sei, "ihre dunklen Träume wie ein frisches Bettlaken mit der Lebenslust eines jungen Poeten und der Kühnheit der Ausdauer ins grelle Sonnenlicht zu hängen." Dazu gehört dann auch, dass die Musik sich öfter in geradezu zelebratorischer Manier den positiven Aspekten widmet, anstatt etwa im düsteren Blues zu versacken.