Lisa Gerrard heutzutage noch irgend einem Genre zuschlagen zu wollen, führte zu nichts. Immer mehr versteht sich die Australierin mittlerweile als Komponistin - nicht nur, aber oft auch im Genre Film. So überrascht es nicht wirklich, dass ihr erstes Lebenszeichen nach einer Dead Can Dance-Reunion auch optisch praktisch als "Soundtrack zu dem Film, der noch nicht gedreht wurde" aufgemacht ist. Pop- und Dance-Elemente muss man auf dem neuen Werk förmlich suchen - ansonsten dominieren ambientmäßige Soundlandschaften, in denen Lisas einzigartige (und unglaublich verhallte) Stimme ihre Spuren hinterlässt.

Das Faszinierende dabei ist, dass sich musikalisch kaum etwas tut: Die Soundcollagen haben öfter bloßen Klang-Charakter und sind vergleichsweise minimalistisch angelegt. Auch die Sprache spielt keine Rolle mehr: Kaum noch sind die Texte in Englisch gehalten und der Gesang ist oft nicht mehr (aber auch nicht weniger) als gekonnte Soundmalerei. Was Lisa dann allerdings mit diesem Gesang und jeder Menge Atmosphäre aus dem Material macht, hat schon etwas entwaffnend Überwältigendes. So kommt es auch, dass "The Silver Tree" - anders als viele so genannte Ambient-Scheiben - eben mehr ist, als bloßes Hintergrundgedudel. Es wird auch niemals langweilig Lisa Gerrard zuzuhören, da man sich als Zuhörer stets am musikalischen Entdeckungsprozess beteiligt glaubt. Auf der Suche nach der reinen, puren Musik ist Lisa Gerrard mit dieser Scheibe wieder einen guten Schritt weitergekommen.