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Alone. (Not) At Home.

Blush Always

Dresden, Ost-Pol
01.07.2023

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Blush Always
Bislang gehört es nur bedingt zu den Lieblingsherausforderungen von Katja Seiffert, die leidenschaftlichen Self-Empowerment-Songs ihres Projekts Blush Always solo auf die Bühne zu bringen. Bei der Warm-up-Sause für das Jenseits-von-Millionen-Festival in Dresden darf man sich allerdings einbilden, dass sich das vor den Augen eines entzückten Publikums in Echtzeit ändert, denn dieser Samstag ist kein Abend wie jeder andere für die inzwischen in Leipzig heimische Singer/Songwriterin, die mit ihren Songs den Sound des 90er-Jahre-Indierock ins Hier und Jetzt trägt und dabei nicht nur mit unwiderstehlichen Melodien, einem gesunden Maß an Pop-Sensibilität und großer Dringlichkeit besticht, sondern sich anders als viele ihrer Peers auch als eine Künstlerin präsentiert, deren Liebe zur Musik größer ist als der Wunsch, berühmt zu werden.
Dass es ein wirklich feiner Konzertabend wird, dürfte gleich mehrere Gründe haben. Vielleicht ist es ein wenig dem relaxten 70s-Vintage-Vibe des Ost-Pols geschuldet, wo zumindest in Sachen Dekor die Uhren seit 1973 stillstehen und der Konzertraum eher die Bezeichnung großes Hinterzimmer als kleiner Saal verdient, vermutlich liegt es aber eher am positiven Feedback für den tags zuvor veröffentlichten neuen Single-Ohrwurm "Coming Of Age" und das endlich spruchreife Veröffentlichungsdatum des nun für Ende September angekündigten Blush-Always-Debütalbums "You Deserve Romance", dass sich die junge Musikerin von einer ungewohnten Seite zeigt. Stand ihr bei früheren Auftritten die Aufregung, die Anspannung oft ins Gesicht geschrieben (Blush Always by name, Blush Always by reputation!), wirkt sie an diesem Abend geradezu unerwartet gelöst: Eine beeindruckend souveräne Performance und im Vergleich zu früheren Konzerten deutlich ausführlichere Ansagen sorgen am Ende dafür, dass man ihre Band gar nicht vermisst.

Ganz ohne Unterstützung geht es dann aber doch nicht. Weil sich Katja nicht allein auf Stromgitarre und Gesang verlassen will, hat sie nicht nur ihren niedlich kleinen Röhrenfernseher mitgebracht, über den während des Konzerts das Blush-Always-Logo flackert, sondern auch noch Backingtracks auf ihrem Handy dabei, und spielt reduzierte Lo-Fi-Versionen ihrer Lieder, die den ursprünglichen Geist der Songs während des Schreibprozesses einfangen. Deshalb rücken bisweilen die klanglichen Inspirationen deutlicher in den Vordergrund, oder anders gesagt: Auch wenn Vergleiche mit Snail Mail, Soccer Mommy oder Wolf Alice hier sicherlich nicht falsch sind, schwingt gleichzeitig häufig auch die Unbestechlichkeit der alten Garde mit, wenn Sonic Youth, Smashing Pumpkins oder Pavement im Hintergrund leuchten. Weil Blush Always an diesem Abend der einzige Live-Act ist, bevor die DJs die Bühne erobern, rücken auch Songs ins Set, für die bei den Festivalauftritten der letzten Wochen oft keine Zeit blieb. Dabei entpuppt sich das melancholisch-intensive "Blue" neben grungy-wuchtigen Highlights wie "Virtual For You" und "Your Call" schnell als i-Tüpfelchen. Auch "At Home", ihre Hymne aufs Alleinsein mit dem Refrain "I spend my time alone at home", singt sie natürlich, aber eigentlich hat man das Gefühl, dass sie an diesem Abend ganz gerne in Dresden auf der Bühne steht.

Was die Show endgültig auf das nächste Level hebt, sind allerdings Katjas Geschichten zwischen den Songs - obwohl, oder gerade weil sie tags darauf auf Instagram schreibt, dass sie es sofort bereut hat, sie erzählt zu haben, bis ihr bewusst wurde, dass ihre neue Single nicht zuletzt davon handelt, dass das Leben zu kurz ist, um es mit Reuegefühlen zu verschwenden. Ganz abgesehen davon: Wenn sie freimütig, aber mit einem Augenzwinkern über verschobene Veröffentlichungstermine oder gescheiterte Publikumsanimationen spricht, mag das im ersten Moment wie das Eingeständnis kleiner persönlicher Niederlagen klingen, unterstreicht am Ende aber nur, dass sie mit Blush Always lieber ihren eigenen Weg geht und damit genau das macht, was für viele andere, gerade in der immer gleichförmiger werdenden deutschen Indieszene, heute undenkbar geworden ist.
Zum Schluss ist das Publikum so hingerissen ist, dass nach "Bed Full Of You" aus der letztjährigen "Postpone"-EP zwar nichts mehr auf der Setlist steht, aber trotzdem noch nicht Schluss sein kann. "Ich glaube, ich habe noch nie eine Zugabe gespielt", verrät Katja dann, als sie zurück auf die Bühne kommt, sich kurzerhand die "Erlaubnis" von den Anwesenden holt, "Our Moans Would Echo" wirklich solo ohne die Unterstützung aus dem Handy zu spielen, und der Song trotzdem so cool und komplett klingt, dass man sich fragt, warum sie das eigentlich nicht viel öfter macht. Aber wie schon gesagt: Es war kein Abend wie jeder andere!

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Surfempfehlung:
www.blushalways.com
www.facebook.com/profile.php?id=100076282004426
www.instagram.com/blush_always
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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