Den Anfang machte Ryan O'Reilly, ein klassischer englischer Troubadour mit irischen Wurzeln, der in seinen an diesem Abend solo zur Wandergitarre vorgetragenen Songs kein Singer/Songwriter-Klischee ausließ und auch mit seinen augenzwinkernden Ansagen oft ein bisschen zu anbiedernd wirkte. Seine Freundschaft zum Headliner hatte ihm wohl den Platz auf der Bühne eingebracht, und auch wenn sein Auftritt niemandem wehtat - viele neue Fans hat er sich mit diesem Auftritt sicher nicht erspielt, das unterstrich auch das allgemeine Desinteresse an seiner CD später am Devotionalienstand.
The Rural Alberta Advantage hatten dagegen keine Probleme, das zumeist studentische Publikum aus dem Stand auf Temperatur zu bringen. Kunststück, hat die Band doch mit Nils Edenloff einen sympathischen Frontmann, der seine Akustikklampfe mit einer Power spielt wie andere ihre Stromgitarre und sich dazu die Seele aus dem Leib brüllt, mit Paul Banwatt einen Schlagzeuger, der abenteuerlichste Rhythmen spielt und praktisch jeden Song mit vollem Körpereinsatz und schier unfassbarer Energie und Rasanz nach vorne peitscht, und mit Neuzugang Robin Hatch an den Keyboards und den Basspedalen genau den richtigen weiblichen Gegenpol, um die von ihren beiden Kollegen entfachte Urgewalt in aufrichtig-intensive Songs mit hymnischem Flair zu kanalisieren.
Die hier und da etwas zu vorhersehbaren Lieder vereinen den Tiefgang des Folk, das Pathos des Classic Rock, die Direktheit des Indierock und die Wucht des Punk mit einem hohen Maß an Explosivität und Dringlichkeit - oder anders gesagt: Die Band beherrscht alle Kniffe, die aus guten Konzerten mitreißende machen. Denn auch wenn wir es bei The Rural Alberta Advantage mit einer Indie-Band zu tun haben: Archetypische Rock-Gesten wie Fäuste in die Luft recken sind hier ausdrücklich erlaubt, ebenso wie anderswo verpönte Mitmachaktionen. Vor "Rush Apart" kam Banwatt sogar extra zum Bühnenrand, um den Zuschauern den ungewöhnlichen Beat ausführlich zu erklären - Mitklatschen leicht gemacht! Nur die etwas übermotivierte Zuschauerin, die irgendwann die Bühne erklomm und sich ein Mikro krallte, um (noch dazu sehr schief) mitzusingen, war dann doch etwas zu viel des Guten. Sie wurde freundlich wieder auf ihren Platz vor der Bühne gebeten.
Zu knapp zwei Dutzend Highlights aus ihren hochgelobten ersten drei Platten - von "One Love" bis "The Deathbridge In Lethbridge" waren eigentlich alle Fan-Favoriten dabei - gesellten sich im Zakk auch drei neue Lieder. "Brother" entpuppte sich dabei als äußerst vielschichtig, begann es doch als simpler Folk-Song, bevor der Refrain auf Springsteen-Terrain überleitete und die Nummer dann am Ende die kanadische Weite spürbar machte. "Beacon Hill" und "White Lights" waren bereits als digitale Appetithappen für das kommende Album veröffentlicht worden und offenbarten in den Studioversionen eine erwachsenere, kompakte Variante des unbändigen Sounds der drei. Live allerdings fügten sie sich nahtlos zwischen all den alten euphorischen Krachern ein - und unterstrichen, dass The Rural Alberta Advantage auf der Bühne - von Ausreißern wie Edenloffs Solo-Cover von "Eye Of The Tiger" und dem freudetrunkenden Singalong am Ende von "Frank, AB" einmal abgesehen - eigentlich nur zwei Betriebsstufen kennen: ein und aus.