Als erstes spielte
Lùisa aus Hamburg mit ihrer Band zum Tanz auf. Das ist dann fast wörtlich zu nehmen, denn die eher zierliche kleine Dame überzeugte - anders als vielleicht bei ihren Solo-Konzerten - zusammen mit ihrer Band mit einer souveränen, druckvollen Rockshow; auch, wenn sie sich darüber freute, dass das OBS ein Festival sei, bei dem man sich auch die Balladen anhöre. In der Tat überraschte Lùisa mit den bis dahin überzeugendsten Rock-Posen, was angesichts dessen, dass sie ursprünglich mit halbelektronischen Folksongs ihre Karriere startete, nun wirklich lustig war. Hinzu kam, dass Lùisa eine ungemein positive Attitüde an den Tag legte, die so weit reichte, dass sie beim Meet & Greet am Road Tracks-Stand ständig frischen Lippenstift auftrug, um den Fans einen Kussmund - zumindest auf die zu signierenden Tonträger - drücken zu können. Es schien, dass Lùisa an diesem Tage besonders glücklich war - und das übertrug sich auf ihr ganzes Auftreten. Hätte man gerne öfter, sowas…
Als nächstes zeigten die Loranes den Anwesenden, wo die Harke hing. Das No-Nonsense-Power-Trio legte das Brett hin, an dem sich im Folgenden alle anderen Rock-Acts von denen, die noch kommen sollten, zu messen hatten. Feinsinn brauchte man hier nicht zu suchen, während es Coolness dafür im Überfluss gab.
Den nächsten Act - Josefin Öhrn & The Liberation, hatte Rembert eigens aus Schweden einfliegen lassen, da die Band gerade nicht auf Tour war. Die junge Dame, die auf ihrer Facebook-Seite "Sky Gazing" als persönliches Hobby ausweist, überraschte dadurch, dass sie sich mit ihrer prinzipiell mädchenhaften Stimme gegen eine psychedelisch angedröhnte, unerbittlich krautrockig marschierende, pulsierende Rocktruppe durchzusetzen versuchte. Das Seltsame war, dass ihr das auch irgendwie gelang. Rembert, der vorher noch angeregt hatte, vielleicht die entsprechenden Pillen gerade bei diesem Act einzuwerfen, hatte hier wieder mal einen stilsicheren Griff in die Programm-Überraschungstüte getan. Und das blind - denn auf unseren Bühnen war die Band auf unseren Bühnen noch nicht zu Gast gewesen. Nachdem Josefin auf der Bühne eine relativ coole Performance hingelegt hatte, erwies sie sich beim anschließenden Meet & Greet als eigenartig sympathische und fast ein wenig schüchterne Person. So ist das halt manchmal mit der Bühnenpersona.
Aidan Knight aus Kanada hat eigentlich keine solche. Der schlaksige junge Mann, der da mit unglaublich großen Barfüßen auf der Bühne stand, gibt sich im richtigen Leben genauso schlaksig und großfüßig, wie auf der Bühne. Mit einer interessant ausgerichteten Band, in der Keyboards und Blasinstrumente einen festen Platz hatte, schuf er relativ komplexe, dynamische und zuweilen sogar ausufernde Kleinkunstwerke aus seinen auf den Tonträgern eher zurückhaltend inszenierten Artpop-Songs, die er sein Eigen nennt.
Als Atempause für Freunde gesitteter Settings war das jedenfalls genau das Richtige, bevor es danach mit der holländischen Band My Baby um das Geschwisterpaar Cato und Jost van Dyk mit "Voodoo Electrique" weiter ging. Gemeint damit ist ein faszinierend kinetischer, quietschfideler Mix aus Blues, Funk, R'n'B und eben Voodoo-Grooves, zu denen man versehentlich zum Tänzer werden kann, wie Rembert nicht ganz falsch anmerkte. Auch wenn es hier nun keine kompositorischen Großtaten zu entdecken gab, war das Ganze dann doch allerbeste Nachmittags-Unterhaltung. Um das eigentlich eng abgesteckte Terrain etwas aufzumischen, arbeiten My Baby unter anderem mit einem einsaitigen elektrischen Zaunpfahl, einer Zigarrenkisten-Gitarre, Fußglöckchen und elektrischer Geige. Kann man machen.
Zwischen den Acts spielten dann The Grand Journey zwei Mal auf der Mini-Bühne. Das gab dann ordentlich knackigen Westcoast-Americana-Blues-Rock, der in gewisser Weise auch die OBS-Veteranen versöhnlich stimmte.
Jenen trieb dann der nachfolgende Act, die Glitterhouse-Veteranen und -Lieblinge Pleasant Grove das Freudenpipi in die Augen - wohl auch in Erinnerung des ersten Pleasant Grove-Auftrittes beim OBS 11, der im Prinzip hier durchaus repliziert wurde (bis auf den Umstand natürlich, dass es auch neues Material zu hören gab), denn Pleasant Grove gehören zu jener Kategorie von Musikanten, die nicht altern und genau das tun, was man von ihnen erwartet. Das war dann Deja Vu für sentimentale Augenblicke. "Ach, könnte es doch nur mehr Acts wie diese auf dem OBS geben", seufzten da nämlich die Americana-Freunde, "so wie früher." Freilich wäre das ja zu einfach. Stattdessen hat es das Sendungsbewusstsein dem Rembert ins Pflichtenheft geschrieben, dass es auch gilt, die jungen Leute zu beglücken. Bzw. Musikanten einzuladen, die so aufspielen, dass man sich wieder jung fühlt, falls es dafür eigentlich schon zu spät ist.
So wie Die Nerven zum Beispiel. Die drei Jungen Herren spielen jene Art von Speed-Metal-Power-Punk, den man hier eigentlich nicht erwartet hätte. Zum Glück übrigens so brachial, dass man die Texte gar nicht verstehen konnte, was aber wohl auch besser so war. Das Ganze führte dann zum ersten Pogo-Moshpit beim OBS überhaupt. Auch das angedeutete Crowdsurfing eines begeisterten Einzelgängers ging noch als Premiere durch. Da machte man sich dann ja gleich Sorgen um die noch anwesenden Kinder. Das knallte jedenfalls ordentlich rein und weckte garantiert auch alle auf, die sich vielleicht schon zur Ruhe begeben hatten.