Wie Wiederholungstätern bereits bekannt sein dürfte, wurde die Komposition "Tenebre" von Bryce Dessner, seines Zeichens Gitarrist von The National, bereits im letzten Jahr uraufgeführt. Dieses Mal wurde die Fuge von dem Streichquartett des Stargaze Orchesters gespielt. Es folgte dann eine weitere Arbeit, an der Dessner (der dieses Mal auch persönlich anwesend war) beteiligt war, wie Dirigent/Geiger Owen Pallet erläuterte. Die Komposition "Deathspeak" basiert auf Textfragmenten von Schubert-Liedern, die von Komponist Nick Mulev und Dessner für die Stimme von Shara Worden (die später noch mit ihrem Bandprojekt My Brightest Diamond auftreten sollte) zu einer weiteren Fuge verdichtet worden waren. Angesichts des intensiven und ergreifenden Vortrages zum Thema Tod und Verderbnis stellte sich dann übrigens die Frage, wieso - wenn überhaupt - angelsächsische Künstler der Lied-Kunst zuwenden, die ja immerhin von Schubert grundlegend definiert wurde, wie Pallet ganz richtig sagte.
Als Zwischenspiel folgte dann ein kurzes Set des britischen Songwriters Rhodes, das erst so richtig in Schwung kam, als er von der elektrischen Fender-Gitarre zu einer - klanglich bauchigeren - halbakustischen Gibson wechselte. Die im Halb-Falsett mit geschlossenen Augen vorgetragenen Songs Rhodes erinnerten in diesem Umfeld dann gar an die Solo-Vorträge des seligen Jeff Buckley.
Als Abschluss dieser außergewöhnlichen Veranstaltung stand dann ein Set des schottischen Weird-Folkies Alexi Murdoch auf dem Programm. Murdoch, der seine stimmungsvollen Folk-Kontemplationen gerne mit Gitarre, Sampler und Effektpedalen (gelegentlich auch zu einer entschuldigend als Ukulele entfremdeten Geige) bewusst atmosphärisch anlegt, hatte die Mitglieder des Stargaze-Orchesters, für die - eigens für diesen Auftritt - eine hochkomplexe Partitur für Streicher, Bläser und Drummer geschrieben worden war, erst am Tag zuvor kennengelernt und war deswegen hochkonzentriert und nervös. Der Auftritt wurde aber - nicht zuletzt wegen Pallets aufmerksamer Dirigentenarbeit - zu einem künstlerischen Triumph, der das Publikum abermals zu Begeisterungsstürmen hinriss. Keine Frage: Mit diesem Programmpunkt ward dem Haldern Festival tatsächlich ein neuer Flügel gewachsen. Im nächsten Jahr bitte mehr davon! (Auch wenn sich der Programmpunkt unglücklich mit dem Auftritt der alternativen Folkrocker-Großkommune East Cameron Folkcore überschnitten hatte.)
Wie bereits im ersten Teil angedeutet, geriet der zweite Festivaltag - entgegen der Wettervorhersage - zu einer wettertechnischen Regenkatastrophe. Pünktlich zu Beginn des Sets vom Haldern-Pop-Label-Liebling Stefan Honig und seiner Band auf der Mainstage begann es zu regnen - und sollte dann so recht auch nicht mehr aufhören. Stefan Honigs Begeisterung über den Auftritt, zu dem er - neben seiner Band - auch alle Freunde, Bekannten und Verwandten eingeladen hatte, derer er habhaft werden konnte, ließ sich im Folgenden kaum bändigen. Für den Mann, der sich seit Jahren als Solo-Support-Act für berühmtere Kollegen durchbeißt, war dieser Auftritt auf der Hauptbühne sicherlich die Krönung seiner bisherigen Laufbahn. Der pflegeleicht zugängliche (und vielleicht deswegen musikalisch ein wenig zu überraschungsfreie) Folkpop des Meisters kam beim Publikum jedenfalls gut an.
Mit dem dritten Haldern Auftritt von Shara Worden und der um die Bläsersektion des Stargaze-Orchesters ergänzten Band My Brightest Diamond (zu der auch Tindersticks-Drummer Earl Harvin gehört) stand dann gleich das nächste Festival Higlight auf dem Programm. Für viele war diese beeindruckende Art-Rock-Performance Shara Wordens, bei der diese unter anderem die Songs ihres kommenden Albums "This Is My Hand" präsentierte, auch zweifelsohne auch gleich das Highlight des Tages. Besser als Shara Worden kann man Art-Rock nicht präsentieren - und verständlich machen. Mit kontrollierten, ausgefeilten Gesten und Choreographie-Einlagen führte Shara das Publikum durch ein wunderliches Universum aus Elektronik, Klassik, Jazz und hartem Led Zeppelin-Rock. Das Ganze war übrigens deswegen so effektiv, weil Shara - anders als viele Kollegen aus dem Genre - zu keinem Moment den Kontakt zum Publikum abbrechen ließ. Shara musiziert für und nicht gegen die Menschen.
Die estnische Band Ewert And The Two Dragons präsentierte dann angenehm temperierten Folkpop mit elektronischen Elementen, der allerdings für die große Bühne ein wenig zu moderat dimensioniert war (nicht, was das Songmaterial, sondern was die bescheiden angelegte Performance betraf). Es wäre irgendwie sinnvoller gewesen, die Folkpop-Überflieger von All The Luck In The World stattdessen auf der Mainstage zu platzieren, denn deren Auftritt im Spiegelzelt brachte dieses aufgrund des (durch den Regen nochmals intensivierten) Zuspruches an den Rand des Platzens. All The Luck In The World sind einer jener Acts vom Kaliber "Warum jetzt gerade die?", die mit ihrem gefälligen Stop & Go Folkpop, bei dem die wortreichen Lyrics von Neil Foot in vertrackte Songstrukturen relativ simpel, aber effektiv eingebettet sind, irgendwie den Nerv der Zeit getroffen zu haben scheinen. Jedenfalls konnten die Iren auf einen manisch-frenetischen Zuspruch aus dem großteils jugendlichen Publikum zählen und waren sich dabei auch nicht zu schade, als Kamera-Leute für die Fans auszuhelfen.