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Hauptsache Musik

20. Halderner Open Air

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
08.08.2003/ 09.08.2003

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The Cardigans
Das Haldern Festival feierte seinen 20. Geburtstag, und mit ihm wie immer im überschaubaren Rahmen 5.000 Musikbegeisterte - wichtig hierbei das Wort "Musik", denn den Haldern-Festival-Besuchern geht es ebenso wie den Machern vorwiegend um die Musik und nicht um das sonst übliche Verhalten vieler, zu Festivals zu fahren, um einfach die Sau rauszulassen. Haldern ist anders, "Haldern ist cooler", wie es so schön auf einem Schild geschrieben stand. Ein großes Lob an die Veranstalter, die sich alles nur mögliche ausgedacht und vor allem umgesetzt haben, um den Besuchern zwei wunderschöne Tage zu bereiten. Inklusive selbst gebautem "Drum Cooler", den vielen Schattenplätzen und vor allem den Hühnerstall-Ventilatoren inkl. Sprinkler-Funktion am rechten Bühnenrand.
Vier Wochen Tour durch Deutschland gehen auch an Belasco, dem äußerst sympatischen Dreier aus England, nicht spurlos vorüber. Sänger Tim Brownlow hatte anscheinend keine Zeit dazu, seine Haare weiterhin blond einzufärben, und seltsamerweise erschien der Auftritt der Band ähnlich unhell. Im Gegensatz zum Wetter klangen die Songs etwas bedeckt, hatten aber trotzdem genug Energie, um für die erste Gänsehaut des des ersten Festival-Tages zu sorgen - es sind nach wie vor die Melodien, die dieser Band das gewisse Extra geben. (db)

Zuletzt konnte man die die Raveonettes aus Dänemark Anfang des Jahres in Deutschland auf Tour sehen, damals, als die Sonne noch nicht so richtig hervorkommen wollte und passend dazu spielten sie ihre in B-Moll gehaltenenen Songs - das in Kürze erscheinende Album "Chain Gang Of Love" hingegen könnte man fast als Sommer-Album bezeichnen, sind die Songs nun vorwiegend in B-Dur gehalten und klingen dadurch äußerst fröhlich. Oder besser: Cool. Genau wie sich Sängerin / Bassistin Sharin Foo, Sänger / Gitarrist Sune Rose Wagner, Gitarrist Manoj Ramdas und Drummer Jakob Hoyer auf der Bühne mit Sonnenbrillen bewaffnet dem Haldern Festival stellten und erstmal für jede Menge Feedback und White Noise sorgten. Jesus And Mary Chain, My Bloody Valentine und Buddy Holly - so absurd das auf den ersten Blick klingen mag, so perfekt setzen die Raveonettes diese Mischung um. Wie gesagt: Äußerst cool. (db)

Anschließend ging es mit einer Band weiter, die noch höher im Norden zu Hause ist, nämlich Kaizers Orchestra aus Norwegen. Die hatten ohne Frage von den Hitmacher-Qualitäten des Halderner Festivals gehört und preschten mit Vollgas durch ihr Programm. Sie wurden dabei nicht müde zu sagen, dass sie nun ja wohl 5 000 neue Fans gewonnen hätten. Dass zu dem Zeitpunkt keinesfalls 5 000 Zuschauer auf dem Reitplatz waren und die ihr Urteil über die Nordlichter auch ganz gut alleine fällen konnten, war nicht weiter schlimm. Denn das vielköpfige Ensemble kam wirklich sehr gut an mit seinem dynamischen Sound, der mal hartes Brett, mal gekonnt ausbalancierter Pop war. (cw)

Mit Kashmir ging es dann geografisch zurück nach Dänemark und soundtechnisch in Richtung Radiohead. Nachdem sich die Band vor einigen Jahren mit einem beachtenswerten Final-Auftritt in die Herzen der Fans (und Macher) des Halderner Festivals gespielt hatte, durfte sie dieses Mal beim einsetzenden Sonnenuntergang ran: Wie schon auf ihrem neuen Album "Zitilites" gelang auch live der Drahtseilakt zwischen rockiger Intensität und sanften Gefühlen ganz ausgezeichnet. Musik, die melancholisch war, aber dem Publikum trotzdem die gute Laune nicht verdarb. (cw)

Coolness ist alles, wenn das Frank Popp Ensemble auf der Bühne steht. Sängerin Sam Leigh-Brown trägt ein blaues Sixties-Kleid mit weiß-roter Zielscheibe auf der Hüfte, dazu eine perfekte Emma-Peel-Frisur. Kollege Hadley, in der Doppelrolle als Trompeter und Anheizer, ist mit seinem weißen Anzug und orangenen Hemd, die perfekt zu seiner schwarzen Haut passen, an Retro-Chic nicht zu überbieten. Verstärkt durch Sam Lees Vater Norman Brown am Bariton-Saxofon hüpft das achtköpfige Ensemble munter durch seine Sixties-R'n'B-Soul-Melange, in der weder "Catwalk", noch Ann Sextons "You've Been Gone Too Long", und schon gar nicht "Hip Teens Don't Wear Blue Jeans" fehlen dürfen. Die Nostalgie-Show mit viel Style und neuen Songs geht in die Waden. Sogar in die des jungen Pärchens in teuren Retro-Klamotten. Die beiden verziehen zwar den ganzn Auftritt über nicht eine Miene, doch dafür haben ihre an Raumpatrouille Orion erinnernden Tanzeinlagen einigermaßen Feuer. Süß. (cz)

Nach der schmissigen Show des Frank Popp Ensembles wirken Aqualung etwas verloren: Nur zu zweit sind sie angereist, Matt Hales am Klavier und sein Bruder Ben als Gitarrist. Ihre zerbrechlichen Balladen sind wunderschön, und doch fühlte man sich bei ihrem Set ein wenig wie ein Kind, das urplötzlich von den Eltern vom Bolzplatz geholt und ins Bett geschickt wird. Zu tief war der Tempo- und Stimmungssturz zwischen Frank Popp und Aqualung. So ergreifend Matt Hales und seine Band auch oft sein können: Es hätte ihn besser getan, wenn sie zu einer anderen Zeit gespielt hätten. (cz)

High Noon, Samstag, eine Großzahl der Leute liegt wohl entweder noch im Zelt oder am nahegelegenen See - zu schade, denn Koufax bieten mit ihrem amerikanischen 70er-Jahre-Radio-Pop (was heutzutage auch leicht unter Emo einsortiert wird - nur zur besseren marketingtechnischen Orientierung) einen mehr als perfekten Einstieg in den zweiten Festival-Tag. Zeitlos gut. Man musste einfach gute Laune und Lust auf mehr bekommen. Die Band ist übrigens noch den kompletten August von Gaesteliste.de präsentiert in Deutschland unterwegs. (db)

Isolation Years waren dann als zweite Band des Samstages so etwas wie die heimlichen Gewinner der gesamten Veranstaltung. Vermutlich vor allem deshalb, weil die Schweden einen großartigen Song nach dem nächsten spielten und damit eindrucksvoll bewiesen, dass sie ihr herausragendes neues Album "It's Golden" auch problemlos adäquat live umsetzen können: In ihren besten Momenten klangen die Skandinavier wie die Schnittmenge aus den Beatles (Harmonien), Travis (Produktion) und Calexico (TexMex-Anleihen) und standen damit als Synonym für britisch geprägte Melodien mit viel amerikanischem Road-Feeling. Jede Wette: Diese Band wird uns in Zukunft noch viel Freude machen! (cw)

Es folgten die Meister des "instant composing", Dead Man Ray, bekanntlich die Band um Rudy Trouve (dEUS), die live einmal mehr viel Spielwitz an den Tag legten. Anschließend wurde es beschaulich schön mit Under Byen, einer vielköpfigen Band aus Arhus. Sängerin Henriette Sennenvaldt hat schon mit ihrer Erscheinung und den blonden Haaren etwas elfenhaftiges an sich, und genauso klingt dann auch ihr wunderschöner Gesang, der zum Teil an Björk erinnert. Für den abwechslungsreichen musikalischen Hintergrund wurde u.a. mit Violine, Cello und Piano gesorgt. Schönheit auf ganzer Linie. (db)

Der in England hochgelobte und in den USA mit R.E.M. getourte Ed Harcourt ist auch nur ein Mensch. Zum ersten Festivalauftritt und erst zweiten Konzert in Deutschland frisch aus England angekommen, hatte er sich nach durchzechter Nacht zweimal übergeben. Seine daher etwas angeschlagene Stimme machte sich insbesondere bei den filigranen Falsettpassagen in Stücken wie "Apple Of My Eye" oder "Hanging With The Wrong Crowd" negativ bemerkbar, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, was für mächtige Songs der 23 Jahre junge Mann aus Brighton schreiben und auf der Bühne mit seiner exzellenten Band im Rücken (Trompeter!) überaus leidenschaftlich präsentieren kann. So gab es für die noch nicht sehr zahlreich Erschienenen Songperlen aus den Alben "Here Be Monsters", "From Every Sphere" und der 6-track EP "Maplewood", die ein breites Spektrum von zart ("Metaphorically Yours") bis zu sinisterer Speedpolka à la Tom Waits ("He's Burning Swamp") abdeckten. Wer noch nicht da war, hatte selber Schuld. (cs)

Evan Dando stand schon auf der Bühne und fing an, die Akkorde vom tragikomischen und damit irgendwie passenden "The Outdoor Type" zu spielen, als der planlose holländische Ansager noch die Bundesligazwischenstände durchgab und Dandos aktuelles Album fälschlicherweise "Baby I'm Back" nannte. Für dieses Missgeschick (eines von vielen) hätte ihm Dando die Gibson SG um die Ohren hauen müssen, doch eben dieser war viel zu müde und schrammelte sich sicht- und hörbar lustlos durch an sich so perfekte Songs wie "Down About It", "If I Could Talk, I'd Tell You", "Buddy" oder "Hard Drive", die erkennen ließen, wozu der Ex-Lemonhead einst fähig war und wohl auch noch fähig sein kann, wenn, ja wenn. Nebenbei sei gesagt, dass Dandos Auftritt einem im Pressegraben stehenden Securitygorilla um Haaresbreite zum Verhängnis geworden wäre. Wutentbrannt über die auf voller Kraft arbeitende Nebelmaschine ("Turn off that fucking steam! Now, please!") hatte Dando das schwere Gerät mitten im Song kurzerhand samt Kabellage von der Bühne geschmissen und den überraschten Sicherheitsmann nur knapp verfehlt. (cs)

Ein ähnliches Problem hatte auch Conor Oberst, der Mann hinter Bright Eyes. Ihn störte die - inzwischen wieder aufgebaute - Nebelmaschine ebenfalls, monierte dies via Mikro, woraufhin sein Gitarrist in Gentleman-Manier einfach nur das Kabel herauszog und keine Show daraus machte. Denn Show, das war dann doch eher etwas für Herrn Oberst, der zunächst noch den Rotwein aus einem Plastikbecher, später dann direkt aus der Flasche zu sich nahm. Cool, relativ besoffen und komisch zuckend wie immer präsentierte er uns eine Tour de Force durch seine Gefühlswelt, wechselte dabei zwischen Gitarre und Keyboard, und freute sich wie ein Kind darüber, dass er auf dem Festival ein Paar wundervolle Flip-Flops erstanden habe. Das sind sie wohl, die kleinen Freuden der Rockstars. So klasse die Songs auch sein mögen, am frühen Abend noch lange vor Sonnenuntergang Conor Oberst auf die Bühne zu schicken, war leider eine etwas ungeschickte Wahl. Bright Eyes passen dann doch eher in dunklere Umgebungen. (db)

Dann war es endlich Zeit für die heimlichen Headliner (und einzige Band, die inkl. Bühnen-Deko angereist war), die Gaesteliste.de vor einigen Monaten betrübt erzählt hatten, dass sie ja leider so unglaublich schlecht live seien und, wenn überhaupt, erst nach Dutzenden von Konzerten auf Betriebstemperatur kämen. Unseres Wissens war der Auftritt in Haldern das erste volle Cardigans-Konzert seit Ewigkeiten (kurze Festival- und Support-Slots nicht eingerechnet), aber nicht nur dafür lieferten die Schweden eine beeindruckende Vorstellung ab. Es dürfte wohl kaum jemanden gegeben haben, der das Gelände später nicht als Cardies-Fan verließ. Und das, obwohl sich Nina Persson und Co. vor allem auf die ruhigen, countryesken Songs des neuen Albums konzentrierten. Alte Kracher à la "Lovefool" oder "Sick And Tired" waren rar gesät und zaghaft dem neuen Sound angepasst worden, aber mit einigen niedlichen Ansagen von Nina (in perfektem Deutsch), 1A-Songs wie "Communication" und "For What It's Worth" und einem perfekt ausblancierten Sound, der scheinbar alle Pop-Klischees bedient, aber dennoch nie kitschig ist, konnten die Cardigans einfach nichts falsch machen. Wären die Skandinavier nicht schon seit Jahr und Tag eine der heimlichen Lieblingsbands der Gaesteliste.de-Redaktion - sie wären es allerspätestens jetzt! (cw)

Zum Schluss, kurz vor Mitternacht, betritt Patti Smith die Bühne, die große Unzerstörbare. Mit 58 Jahren und endgültig ergrauten Haaren sieht sie besser aus als je zuvor, Menschen mit ihrer Biografie, so scheint es, sind entweder tot oder topfit. Obwohl sie diesmal ein vergleichsweise gemäßigtes Set spielt, was das Tempo angeht, ist ihre Performance intensiv wie immer. Einige nagelneue Songs mischen sich zwischen Klassiker wie "Free Money", zwischendurch immer mal ein Gedicht, William Blake oder Hermann Hesse. Auf Englisch. Schräg. Hin und wieder gibt es eine kleine Rede in allerbester Kampf-Hippie-Manier. Zwischenrufer werden da gerne mal mit einem "Fuck you! Stick your finger up your ass, it'll come out easier" bedacht. Patti Smith meint es ernst, wenn sie Ansprachen über die Ungerechtigkeit der Welt hält. Und doch: Sie ist keine Gewitterziege, sie sucht immer wieder den Kontakt zum Publikum, und schließlich gratuliert sie - mit "Because The Night" - dem Haldern-Festival noch zum 20. Geburtstag, um das Publikum dann mit wilden, donnernden Versionen von "People Have The Power" und dem, was einmal Van Morrisons "Gloria" war, vom Gelände zu pusten. Zum Abschied also noch einmal das volle Rock-Brett. Patti Smith weiß, wie man Menschen zufrieden nach Hause schickt. (cz)

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Surfempfehlung:
www.haldern-pop.de
Text: -Gaesteliste.de Festival Patrol (Bluhm, Spieß, Wohlfeld, Zeiser)-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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