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Konzert-Bericht
 
The Stage Is Burning

Blind Guardian
Freedom Call

Düsseldorf, Philipshalle
30.04.2002

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Blind Guardian
/Klappe/ Blind Guardian, die Erste: A3 Richtung Düsseldorf, 15:55 Uhr, die Bahn ist ganz wider Erwarten mal relativ frei. Nur den Typ mit dem Benz vor mir soll der Blitz treffen, oder falls mir ein weniger blutrünstiger Wunsch erfüllt werden sollte: Der soll mit seiner Protzkarre für ein Jahr auf einem Verkehrsübungsplatz eingesperrt bleiben...

/Schnitt/ Philipshalle, 16:15: Anruf der charmanten Jungdame vom Label: Der Soundcheck habe sich verlängert, Interviews begännen später. Das läßt noch Zeit, sich ein wenig auf dem Parkplatz umzuschauen: Die ersten Sonnenstrahlen dieses Tages beginnen durchzubrechen. Rund 80 Metalheads sind bereits auf dem Gelände eingelaufen: Fast alle sind mit Matte, Kutte und oft rundlich-freundlichem Honigkuchengesicht (ja, man ist halt seit '87 mit seinen Heroes gealtert. Und breiter geworden.) ausgestattet und stehen nun in kleinen Grüppchen um ihre Autos und Dosenbiervorräte herum. Die Klänge der neuen Guardian-Scheiblette "A Night At The Opera" verlangen einigen Autoradios um mich herum das Äußerste ab. Um am lautesten ist ausgerechnet der kleine, gemeine Opel Corsa da mit dem Bonner Kennzeichen...

18:35: So sieht also der Backstage-Bereich der Guardians aus - macht einen wenig verruchten, eher kargen, dunklen und derzeit eher kalten Eindruck. Schlagzeuger Thomen Stauch selbst ist auch völlige Fehlanzeige, was Glamour oder arrogante Rockstars angeht: Weit eher der extrem sympathische Typ von nebenan, mit dem man spontan gerne zwei oder drei Bier trinken gehen würde. Dabei wäre manch einer, den man in diesem Business so trifft, von weit weniger als dem bereits endgültig abgehoben, was diese Krefelder Jungs nur freudestrahlend-dankbar wegstecken: "A Night At The Opera" schaffte immerhin den Einstieg in die deutschen Charts bei Platz 5, Spanien 8, Schweden 10, Italien auf Rang 11 und kam in Griechenland gleich mit Platz 1 aufs Siegertreppchen! Und das mit Material, das komplexer und anspruchsvoller ist, als die Blindgardinen es ihren Fans je zugemutet haben. Und mit einer 14minütigen "Single"-Auskoppelung "And Then There Was Silence", welche das Durchhaltevermögen durchschnittlicher Radiohörer argen Prüfungen unterziehen dürfte. Darum ist die spannendste Frage heute abend ja auch, wie die Guardians es schaffen wollen, diesen opulenten Brocken aus Chören und Orchesterparts live auf die Bühne zu bringen.

Thomen erklärt, daß tatsächlich alles live gespielt und nichts von Konserve zugemischt werden wird. Oliver Holzwarth am Baß vervollständigt wieder wie in früheren Jahren das Line-up und Michael Schuren an den Keyboards (bekannt u.a. von der "Imaginations From The Other Side"-Tour) wird sich der Live-Reproduktion der für die Bühne etwas abgespeckten Orchesterparts widmen. Wie kann es aber sein, daß Hansis Stimme auf dem neuen Album merkwürdig "gezähmt" klingt? (mein einziger Kritikpunkt an dieser Hammerscheibe) Thomen zeigt zuerst Unverständnis: "Unser Produzent Charlie Bauerfeind hat Hansi in der Hinsicht permanent getriezt und angefeuert - und Hansi hat dann auch gebrüllt wie selten zuvor." Allerdings findet auch Thomen, daß bestimmte Reibungen wohl einfach deswegen aus der Musik verschwunden sind, weil der progressive Touch der Kompositionen und vor allem die grandiosen Chöre dies erforderten.

Und wie läuft die Tour so? Thomen macht keinerlei Hehl aus einer gewissen Nervosität - immerhin ist dies erst der dritte Gig der Deutschlandtournee, und damit einer der ersten Auftritte seit vier Jahren. Und dann ist die Halle heute abend auch noch ausverkauft! "Das neue Material ist nicht nur unser kompexestes überhaupt - die jeweils neuen Songs machen live ohnehin noch am ehesten Schwierigkeiten. Selbst, wenn man die neuen Lieder gerade eingespielt haben sollte und die alten ewig nicht mehr angerührt hat, so HATTE man sie immerhin doch schon mal 100prozentig drauf - und dementsprechend schnell kommen sie zurück." Blind Guardian haben vor dieser Tournee so hart geprobt wie selten, aber es bleibt sympathischerweise offensichtlich noch ein Rest Unsicherheit bezüglich der Umsetzung ihres bisherigen Magnum Opus. Warum touren sie eigentlich nicht öfter? Nicht aus Faulheit, lautet die schlagende Erklärung, der Arbeitsrhythmus "ein Jahr Tour, ein Jahr Songwriting, ein Jahr Aufnehmen" hat sich tatsächlich eingespielt und ist beim bekannten Perfektionismus der Guardians wohl auch nicht zu beschleunigen. Erfreulicherweise können die Krefelder trotz dieser lang angelegten Zyklen schon eine Weile nur von der Musik leben - was auch daran liegt, daß Sänger Hansi Kürsch zwar ungern, aber höchst effizient ein gewisses Finanzregime führt. Er entscheidet also darüber, wieviel "Gehalt" oder andere Investitionen gerade drinsitzen, was beispielsweise Thomen völlig klasse findet, weil es halt bewiesenermaßen funktioniert und er weiß, daß Hansi sich um den Job wahrlich nicht reißt.

Wie die Beziehung zur Vorgruppe Freedom Call ist, wollen wir noch wissen, da ja manche Tourpackages aus mehr finanziellen als musikalischen Gründen arg bunt zusammengewürfelt werden. Doch der Fall liegt hier anders, denn Produzent Bauerfeind ist so etwas wie ein sechstes Bandmitglied bei den Freiheitsrufern und man kennt und mag sich seit Jahren. Und was erwartete die Band selbst vor Veröffentlichung der neuen Scheibe? Es sei den Musikern schon klar gewesen, daß sie ihren Fans eine Öffnung auf ein neues Genre (Progrock) hin "abverlangen" und insofern gab es die eine oder andere Sorge, räumt Thomen ein. Die ersten Kommentare, die sie erhielten, reichten dann auch von "Abschaum" und "Ihr habt den Underground verraten" bis hin zu "Dies ist Götterstoff". Die Schlagseite zum Progressiven hin liegt übrigens nicht nur in Orchesterparts und Chören, das hat auch enorm viel mit den Schlagzeugparts zu tun, erklärt Thomen. Gibt es eigentlich noch ein Drum-Idol? "Klar, Simon Philips." Kurze Pause. "Und natürlich Scott Rockenfield" (worauf sich endgültig herzlichste Einigkeit einstellt, schließlich ist der letztgenannte Fellgerber von Queensryche vor allem live ein unbegreifliches, unübertreffliches Phänomen - zu überprüfen etwa auf "Operation Livecrime").

Die News auf der Guardian-Homepage verkünden, u.a. beim Gig in Stuttgart (07.05.) werde für eine DVD mitgeschnitten. Gitarrero André, der auf der Suche nach Cateringtechnischem kurz auftaucht, erklärt dazu: "Das soll ein wirklich feines Teil werden, mit Live-Material von dieser Tour, aber auch mit Aufnahmen von der Tour selbst und von den Aufnahmen zu 'A Night At The Opera'. Dazu eine Art 'Homemade History' mit unseren privaten Tour- und Studio-Aufnahmen seit 1992!" Abgesehen von der gerade begonnenen Welttournee und von Festivals wie Wacken - was ist von den Guardians als nächstes zu erwarten? Außer besagter DVD wird es definitiv auch eine Doppel-Live-CD von der "Night"-Tour geben. Darüberhinaus arbeiten Hansi, André und Thomen derzeit an einem rein orchestralen Album, an dem Markus voraussichtlich nicht beteiligt ist, und von dem sogar noch unklar ist, ob es überhaupt unter dem Blind Guardian-Signet herauskommen wird. Das Material ist jedenfalls laut Thomen etwas ganz Besonderes, vergleichbar einer Symphonie oder Oper, ohne diesen Kunstformen wirklich zu entsprechen. Man darf also wirklich sehr gespannt auf die nächsten Veröffentlichungen aus den Twilight Hall-Studios sein...

Abschließend noch die ganz persönliche Bemeckerung, daß unsereinerwelcher immer noch findet, daß "Bard's Song" mit seiner Kinderlied-Melodie und seinem Lagerfeuerarrangement immer noch zu den wundervollsten Kompositionen der Rockmusik gehört - und wann, Herrschaftszeiten, die Herren mal so etwas wie einen Nachfolger zu präsentieren gedenken!? Die Antwort ist entwaffnend und typisch für das ganze Gespräch: "So etwas schreibst Du eben nicht alle Tage! Wir würden ja gerne...! Lustiger Zufall übrigens: Markus und ich haben vor kurzem erst eine neue Nummer geschrieben, die von der Power her ganz ähnlich ist, wie 'Bard's Song'. Ich hab Klavier und 'Magnus' Gitarre gespielt, das Stück kommt vermutlich auf die Fortsetzung des 'Forgotten Tales'-Albums." Na, das klingt wirklich spannend!

/Schnitt/ 20:00, jetzt vor der Bühne: Freedom Call machen sich mit den ersten Takten die Philipshalle untertan. Wobei das teils schwer nachvollziehbar ist, da das Material zwar stets schöne Momente aufweist, dabei aber immer irgendwie "unfertig" wirkt. Der ausverkauften Halle ist das egal, die reichlich erschienenen Freedom-Fans feiern die Power Metaller ab, als gäbe es kein Morgen. Bei Stücken wie "Freedom Call" oder "Shine On", "The Quest" von "Chrystal Empire" oder dem brandneuen "The Land Of Light" setzt es sogar Ovationen, bei denen manch ein Top Act unchristliche Gefühle bezüglich der Vorgruppe zu entwickeln beginnt, was unsere Krefelder aber natürlich nicht nötig haben.

Denn nach kurzem Umbau ist es um zwanzig nach Neun tatsächlich soweit: Mit "War Of Wrath" donnert ein Intro benebst Pyro-Gewitter auf die Philipshalle los, das ahnen läßt, was nun folgt: Heavy Metal vom Allerfeinsten! Die komplette Setlist liest sich wie der feuchte Traum eines Guardian-Fanclubpräsidenten:

"Into The Storm", "Welcome To Dying" (das Dach wackelt), "Nightfall", "Script For My Requiem", "Harvest Of Sorrow", "Under The Ice", "Valhalla" (da werden doch Risse im Mauerwerk erkennbar...), "The Soulforged", "Traveler In Time" (das Dach fliegt weg), "Mordred's Song", "Punishment Divine", "The Bard's Song" (die weit überdurchschnittlichen Sangesleistungen des Publikums werden wohl auf dem Live-Double nachzuhören sein), "Journey Through The Dark", "Imaginations From The Other Side". Da fällt was auf? Richtig, obwohl weit mehr aktuelle Stücke von "Night" geplant waren, wurde im freien Fall die Setlist umgeworfen und in Reaktion auf das tobende Düsseldorfer Publikum noch reichlich goldene Klassiker dazugenommen. So sahen dann auch die Zugaben aus, erster Block: "Lost In The Twilight Hall", "A Past And Future Secret", "Time Stands Still". Und ganz zum Schluß: "Mirror, Mirror". Dazu reichlichste Feuerwerk-Gaben sowohl in wörtlicher (teilweise schien die Bühne wirklich in Flammen zu stehen und auf die ersten Reihen Publikum fiel ein Feuerregen) wie auch und gerade in musikalischer Hinsicht. Besser geht's wohl kaum.

/Klappe/ Blind Guardian, die Letzte, A3 Richtung Bonnchen, after midnight. Was für eine gelungene "Night At The Opera" so im Rückblick: Extrem sympathische Menschen kennengelernt, die heute noch froh sind, daß sie ihren Traum leben und mit anderen teilen können; und Zeuge eines Metal-Konzert der Sonderklasse geworden, das es wahrlich nicht alle Tage gibt. Nur dieser Typ mit dem Benz vor mir...

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Text: -Klaus Reckert-
Foto: -Bettina Reckter-

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