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Holland, du hast es besser!

Valkhof Festival - 2. Teil

Nijmegen, Valkhofpark
19.07.2019

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Fontaines D.C.
Holland, du hast es besser! Wenn in Deutschland Umsonst-und-draußen-Festivals veranstaltet werden, spielen dort entweder irgendwelche Wald-und-Wiesen-Indiebands, für die man guten Gewissens keinen Eintritt nehmen könnte, oder Wolf Maahn und Klaus Lage. In Holland ist das anders. Einen Steinwurf von der deutsch-niederländischen Grenze entfernt gibt es in Nijmegen jedes Jahr im Juli gleich sieben Tage lang das Beste zu hören, was die Indiewelt derzeit zu bieten hat. Auch dieses Jahr begeisterten im relaxten Ambiente des Valkhofpark erklärte Gaesteliste.de-Lieblingskünstler und solche, die es bald sein könnten, bei freiem Eintritt in einem stilistisch und logistisch perfekt abgestimmten Programm - mit ganz besonderen Highlights am Donnerstag und Freitag.
Zum Warmwerden am letzten Festivaltag gibt's auf der Entree-Bühne am späten Nachmittag die selbst erklärte Surf-Rock-Combo Dino Kids, wenngleich "Surf-Rock" den Sound des Quartetts aus Arnheim eigentlich nur teilweise richtig beschreibt. Denn auch wenn satter Gitarren-Twang ordentlich Sehnsucht nach Strand, Gischt und Wellen suggeriert, kommt die Band live wie auf ihrem just veröffentlichten Debüt "Television" ohne die genretypischen Texte aus. Stattdessen offenbaren Dino Kids in ihren rein instrumentalen Liedern ein ausgeprägtes Faible jazzige Lässigkeit (die auch in Songtiteln wie "16th Shuffle Walk On 5th Street" anklingend) und kühle Beats mit Trip-Hop-Flair, die gut und gerne auch aus dem Soundtrack zu einem lange vergessenen Experimentalstreifen der 60er-Jahre stammen könnten.

Für solche Subtilitäten ist bei Mozes And The Firstborn kein Platz. Vom unsäglichen MC Hein Fokker, der auch in seiner Heimatsprache für genauso viele Fremdschäm-Momente sorgt wie mit seinem Kauderwelsch auf dem Haldern Pop, vollmundig, aber falsch als Mozes And The Reborn angekündigt, zieht die Band aus Eindhoven gleich vom ersten Moment an alle Register. Keine Rock'n'Roll-Geste ist dem Quartett fremd, kein Klischee zu billig - vor allem Sänger/Gitarrist Melle Dielesen und Leadgitarrist Ernst-Jan van Doorn liegen irgendwie immer quer in der Luft und sind bereits nach wenigen Minuten nass geschwitzt. Man könnte auch sagen: Ein besserer Opener für die Hauptbühne ist an diesem Abend kaum denkbar! Mit bisweilen herrlich altmodisch anmutender grungy Energie und Weezer'schem Witz (Wer scheibt sonst schon Liebeserklärungen ans Gaffatape - "We'll stick together 'til you're through" - oder würde sein Album "Dadcore" nennen?) jagen Mozes And The Firstborn durch ein ironiegespicktes Set, das nur Hits kennt. Schlagfertig sind sie obendrein: Als das Fußpedal der Bassdrum von Raven Aartsen den Geist aufgibt, rennt Bassist Corto Blommaert sofort zum Mikro und fragt ‎breit grinsend: "Ist hier zufällig ein Arzt anwesend?" Was für ein Spaß!

Die Schublade, in die Komodo einsortiert werden, heißt "exotischer Vintage Rock'n'Roll" und wer bei dieser Wortkombination erschreckt zusammenzuckt, hat instinktiv alles richtig gemacht. Die Band von Tommy Ebben spielt oft gähnend langweilige Rockmusik, bei der eingestreute Elemente aus Surf Rock, Desert Blues, Rumba und Indian Raga den Muff der Beliebigkeit vertreiben sollen. Auch wenn sie nicht ganz so tief sinken: Am Ende erinnert das Komodo'sche "Urgefühl" ein wenig an die deutschen Rockbands, die unter dem Deckmantel der Mittelaltermusik ihr Unwesen treiben.

Wenn Donna Blue tags zuvor das niederländische Pendant zu Suzan Köcher's Suprafon waren, dann sind Whispering Sons die belgische Entsprechung zu Interpol und Editors. Vor allem die androgyne Frontfrau Fenne Kuppens zieht charismatisch alle Blicke auf sich, wenn sie uns mit beeindruckender Grabesstimme und extrovertiertem Bühnengebaren authentisch ins Jahr 1980 entführt. Die Post-Punk-Schwermut des atmosphärisch dichten Quintetts aus Brüssel ist sogar so hypnotisch, so gewaltig und so düster, dass die PA unter der beängstigenden Wucht des Sounds gleich mehrfach zusammenbricht.

Ganz anders dagegen Post Animal: Eingängig und bunt zeigt das Quintett aus Chicago auf der Boog-Bühne, wie leicht angeschrägter Power-Pop mit psychedelischem Einschlag im Jahre 2019 klingen sollte. Während der Gesang mit oft überbordender Fröhlichkeit Richtung Pop schielt und Drums und Bass für ordentlich Wucht sorgen, ist bei den Gitarren und Keyboards praktisch alles erlaubt. Mal lugt ein wenig DIY-Indiepop-Feeling durch, dann wird mit progressiven Art-Rock-Anleihen kokettiert und sogar ein paar Schlenker in Richtung Hardrock sind drin, wenn die Band ihre im Studio stärker auf Zeitgeist getrimmten Song live mit einem oft merklich echter klingenden Sound inszeniert.

Vor der Hauptbühne wird es derweil richtig voll, doch das ist kein Wunder, denn der letzte große Höhepunkt der sieben Valkhof-Festival-Tage kündigt sich an. Der Auftritt von Fontaines D.C. steht an, und das wollen weder Puristen noch Touristen verpassen. Nach einem mitreißenden Auftritt beim Noorderslag-Festival in Eindhoven im vergangenen Winter, nach einem sagenhaften US-Fernsehdebüt in der "Tonight Show With Jimmy Fallon" und einem Glastonbury-Auftritt, der nicht nur in Großbritannien hohe Wellen geschlagen hat, ist das Quintett aus Irland so etwas wie die Band der Stunde. Trotzdem will der Funke zu Beginn des 40-minütigen Auftritts nicht so recht überspringen. Vielleicht ist die Erwartungshaltung der Zuschauer zu hoch? Vielleicht ist die Band schlichtweg ein wenig müde, da sie tags zuvor noch in Barcelona auf der Bühne stand? Vielleicht tut Sänger Grian Chatten zwischen stoischer Lässigkeit und Liam Gallagher'scher Arroganz auch einfach zu wenig, um ein Umsonst-und draußen-Festivalpublikum zu begeistern? Vollends mitreißen können Fontaines D.C. so nur im letzten Drittel, mit dem herrlich manischen "Too Real", bei dem der in Ringelstreifen angetretene Gitarrist Carlos O'Connell stilecht den Bottleneck-Slide-Part mit einer Bierflasche spielt und natürlich mit dem Hit für die Ewigkeit, "Boys In The Better Land", bei dem schon nach wenigen Sekunden im Moshpit alle Dämme brechen. Das Ende ist symptomatisch für diesen guten, aber nicht überragenden Auftritt: "Big" trudelt ungelenk aus, anstatt mit einem letzten groß "Bang!" zu enden, und obwohl auf der Uhr durchaus noch Zeit für eine Zugabe ist, will die Band nicht mehr zurück auf die Bühne kommen. Schwamm drüber: Man kann eben nicht sieben Tage die Woche die beste Band der Welt sein! Den rundum positiven Gesamtdruck vermag das nicht zu schmälern: Eine Umsonst-und-draußen-Sause, bei der die Atmosphäre entspannter und das Programm beeindruckender ist, wird man nur schwerlich finden! Danke, Valkhof Festival, das war spitze!

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Surfempfehlung:
www.valkhoffestival.nl
www.facebook.com/valkhoffestival
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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