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Canterbury Tales

Lily & Madeleine
Debby Smith

Köln, Yuca Club
07.05.2019

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Lily & Madeleine
Zugegeben: Bei den besagten "Canterbury Tales" handelt es sich ursprünglich um eine Sammlung von Geschichten aus dem 14. Jahrhundert - um eine Pilgergruppe auf der Reise zur damals gerade erbauten Kathedrale von Canterbury. Aber da Lily und Madeleine Jurkiewicz ihre aktuelle LP, die es nun auch zum Abschluss ihrer Europa-Tour im Kölner Yuca Club zu präsentieren galt, halt nun mal "Canterbury Girls" genannt haben (auch wenn sich das nur auf einen Park in Indianapolis handelt, in dessen Umfeld sie aufgewachsen sind) und da sie natürlich in ihren Songs auch Geschichten über sich selbst erzählen, passt das dann doch ganz gut.
Zwar wurden Lily & Madeleine auch auf dieser Tour wieder von ihrer Songwriter-Kollegin Shannon Hayden begleitet - die die Mädels auch nach Kräften an Cello, Gitarre und nicht zuletzt zwei reisekoffergroßen Effektpedalen begleitete; jedoch nicht den Support übernahm. Dafür durfte die in ihrer Heimatstadt Hamburg hinzugestoßene Debby Smith die Show mit ihrem Solo-Set eröffnen. Obwohl die junge Dame noch keine eigene Musik veröffentlicht hat (jedenfalls nicht in Form eines Tonträgers), hat sie bereits eine intensive musikalische Laufbahn hinter sich: Erstes Klavierspiel mit sechs, erste eigene Songs mit 14, Gospelchor-Erfahrungen, Engagements für professionelle Studioproduktionen Bühnensängerin für Josh Groban und nicht zuletzt ein Studium an der Hamburger Hochschule für Musik, an der sie wohl auch lernte, was gut und richtig im Pop-Business ist - all das hat sie bereits hinter sich. Und das hat sie insofern auch dergestalt beeinflusst, dass ihre eigene Musik vor allen Dingen auf eine perfekte Präsentation ausgerichtet ist; inklusive vorproduzierter Backingtracks und routiniert präparierten, professionellen Bühnenansagen, die ihre Songs zwar zum einen anschaulich erläuterten - diese aber auch ein wenig bedeutsamer und tiefgehender erscheinen ließen, als sich von der Substanz her angeboten hätte. Das lief dann alles angenehm temperiert und routiniert ab - funktionierte aber eigentlich sogar dann besser, wenn sich Debby auf das Wesentliche - namentlich den Gesang und das Piano-Spiel - konzentrierte und den professionellen Schnickschnack beiseite ließ. Eines freilich hatte das ganze Programm für sich: Es stimmte nämlich atmosphärisch überraschenderweise auf das ein, was folgen sollte. "Überraschenderweise" deswegen, weil sich Debby halt nun mal mit Haut und Haar der Popmusik verschrieben hat - Lily & Madeleine sich aber bislang auf unseren Bühnen aber eher als melancholische Träumerinnen empfohlen hatten.
Dabei hätte der Umstand aufhorchen lassen können, dass sie mit großem Besteck angereist waren (neben Shannon war noch Drummerin Nicole Pompei mit an Bord, die akustischen Gitarren waren ganz zu Hause geblieben und neben einem Piano gab es noch einen Bass-Synthesizer, den Lily & Madeleine abwechselnd bedienten) - und nicht zuletzt ist es ja auch so, dass sie auf ihrer vierten LP "Canterbury Girls" endgültig den Nimbus der traurigen Folk-Girls abgelegt haben. Das heißt: Nicht ganz, denn traurig erscheinen Lily & Madeleine nach wie vor immer noch. Das hängt aber eher damit zusammen, dass sie trotz diverser Bemühungen zumindest Madeleines, das Publikum mit "lockeren" Sprüchen zu animieren, immer noch sympathisch schüchtern und zurückhaltend rüberkommen. Und wenn es um melancholische Balladen geht, können Lily & Madeleine - auch im elektrischen Setting - immer noch mit den besten ihres Genres um die Wette trauern, wie sie gleich eingangs mit dem Self-Empowerment-Song "Self Care" zeigten. Freilich - da ist dann im Laufe der Zeit stilistisch eine ganze Menge dazu gekommen. Folk- und Americana ist das, was die Schwestern heutzutage bieten, nun wirklich nicht mehr. Das auch, weil sie das Material des ersten Albums außen vorließen und mit "Tired" lediglich eines ihrer Frühwerke (von der EP "The Weight Of The Globe") spielten - allerdings keineswegs als Folksong. Stattdessen gibt es heutzutage ein bunt gefächertes Potpourri an Sounds, Stilen und Stimmungen - wobei sich die Mädels für kaum etwas zu schade sind - sei das nun Power-Pop, Psychedelia, jazzige Phrasierungen, klassische Torch-Songs, New Wave-Ästhetik und seit neuestem sogar eine Art Soul-Sensibilität. Sicher, die Funk-Emulationen von "Can't Help The Way I Feel" funktionierten nicht wirklich - aber es war da eher auch der Gedanke der zählte - dass sich nämlich Lily & Madeleine nicht gerne in eine Ecke drängen lassen möchten, sondern sich stattdessen offen für alles Mögliche zeigen.

Fast müßig zu erwähnen ist dabei der Umstand, dass Lily & Madeleine als Vokalistinnen inzwischen zu einer kraftvollen Einheit geworden sind - denn schließlich war der Harmoniegesang der Schwestern immer schon deren Markenzeichen. Es ist aber schon faszinierend zu beobachten, wie Lily & Madeleine ihre Vocals miteinander verquicken, dabei elegant zwischen Lead- und Harmoniegesang wechseln und dabei den Fehler vieler Kolleginnen, vermeiden - nämlich etwa beide stets genau das Gleiche zu singen. Da sind nämlich immer Nuancen im Timbre, in der Tonlage und der Phrasierung, um das Ganze spannend zu halten. Und das natürlich auch bei den nach wie vor reichlich vorhandenen Elegien - wie etwa dem Titeltrack von "Canterbury Tales", "Circles" (hier übrigens mit der erwähnten jazzigen Phrasierung) oder "Analog Love". Warum ist es eigentlich so, dass wenn Männer ihren Schmerz in melancholische Songs gießen, oft eine musikalische Klagemauer dabei herauskommt, während Damen - wie eben Lily & Madeleine - oft in der Lage sind, die Zuhörer mit auf eine magische Reise mitzunehmen, wenn sie Gleiches tun? Nun, im Falle von Lily & Madeleine mag das auch daran liegen, dass die beiden Schwestern selbst auf eine solche Reise gehen, wenn sie ihre Songs vortragen. Während Madeleine etwa gerne mit geschlossenen Augen und angedeuteten illustrierenden Gesten performt, scheint Lily gerne verzückt in die Sterne zu schauen (was sie unbewusst macht, um sich selbst auszuklinken und davontragen zu lassen, wie sie einräumt) - das Ergebnis ist dann eine tranceartige Grundstimmung, auf die man sich als Zuhörer gerne einlässt. Langweilig wird das Ganze - dank der zuweilen erstaunlich abenteuerlustigen Beiträge Shannons, der vielen verschiedenen Stilelemente und dem ständigen Instrumentenwechsel der Schwestern - aber dennoch nicht. So konnten Lily & Madeleine eigentlich über die ganze Laufzeit der Show überraschen.

Als das Konzert mit einer kleinen Zugabe (einem bisher nicht veröffentlichten Stück namens "City Lights", das sie alleine, ohne Band, vortrugen) zu Ende ging, hatten sich die Lily & Madeleine mit diesem Rezept mit Sicherheit viele neue Fans "erspielt".



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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Lily & Madeleine:
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