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Fein!

Petal
Sylvia

Köln, Studio 672
16.02.2019

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Einer der Gründe, warum sie Musikerin geworden sei, so erklärte Kiley Lotz alias Petal bei ihrem Konzert im Kölner Studio 672, der, dass man viel herumkomme und auf diesen Reisen dann viele interessante Musiker träfe, mit denen man zusammenarbeiten könne - so wie zum Beispiel Sylvia aus Köln, die an diesem Tag den Support für Kiley machte. "Ich bin Sylvia und ich habe eine Facebook-Seite mit 69 Likes", stellte sich besagte Sylvia dem Publikum vor. Unerklärlich ist das nicht, denn mit einem Künstlernamen wie Sylvia ist es selbst ausgebufften Hackern nur schwer möglich, die besagte Seite überhaupt finden zu können. Immerhin: Nachdem sie dann erklärt hatte, wie man über die Veranstaltungsseite zu ihr finden könnte, sind jetzt zumindest mal zehn Likes hinzugekommen.
Sylvia bietet ziemlich desolate Indie-Balladen zur elektrischen Gitarre mit extrem brutalen, selbstzerstörerischen Texten, die gerade aus der Diskrepanz ihres Erscheinungsbildes zu den zur Schau getragenen, intensiven Emotionen eine geradezu hypnotische Wirkung auf das Publikum ausübten. Wenn Sylvias Texte autobiographisch sind, dann präsentiert sich hier eine ziemlich kaputte Seele auf schonungslos offene Weise - wenn das nur Technik ist, dann spielt Sylvia aber wirklich virtuos auf der songwriterischen Klaviatur. Mal abgesehen davon, dass man sicher nicht immer solche Musik hören möchte oder kann, war das dann doch ganz schön faszinierend.

Ebenfalls faszinierend war dann die Chuzpe, mit der sich Kiley Lotz mutterseelenallein dem Kölner Publikum präsentierte. Ihre Musiker, mit denen sie zusammen ansonsten die Band Petal darstelle, haben es halt nicht geschafft, erklärte sie kurzbündig, aber davon wolle man sich das rocken ja nicht vergrämen lassen. In der Tat präsentierte sie die ersten Songs ihres Sets dann auch im Solo-Rockmodus. Dabei spielte sie übrigens eine Edel-Gitarre der eher selten gebräuchlichen Marke Reverend, die insbesondere auf dem Rock-Sektor gebräuchlich sind. Das stimmte also schon mal. Dass Kiley dabei Akkorde griff wie eine Weltmeisterin, sprach dann eher für ihre songwriterischen Ambitionen als für das Klangbild, in dem diese Feinheiten etwas unterging. Nun ja: Es sollte ja auch rocken - und das tat es dann auch. Das war dann auch nicht besonders überraschend, denn insbesondere Petals Debüt LP "Shame" war ja als glasklare Rockscheibe konzipiert worden und auch auf dem aktuellen Album "Magic Gone" gibt es ja auch einige Grunge-Powerpop-Nummern vom allerfeinsten. Wenn man allerdings weiß, dass Kiley als Pianistin ihre Laufbahn begonnen - und dass sie eine klassische Gesangsausbildung genossen hatte -, erklärte das nicht nur Songs wie "Something From Me" oder "Stardust" vom aktuellen Album, die als klassische Piano-Balladen daherkommen, sondern auch, dass sie den Großteil der Show im Studio 672 im Folgenden dann hinter einem Piano verbrachte. Und hier blühte Kiley dann so richtig auf.

So scherzte sie gerne, selbstironisch und ausführlich mit dem Publikum, erklärte das gesangstechnisch bedingte Rülpsen, diskutierte die verschiedenen Bedeutungen, die der Begriff "I'm fine" alleine durch die Betonung erhalten kann, erklärte, dass sie ihr Beanie aufgrund eines Bad Hair Days tragen müsse, erlaubte sich Seitenhiebe auf Trump, flirtete mit der LGBT-Community oder verabschiedete sich am Ende mit einem ehrlich gemeinten Aufruf an alle, sich nicht unterkriegen zu lassen, seinen Weg zu gehen und seine Wünsche zu verwirklichen. Musikalisch überraschte Kiley dann mit einer intensiven, detailreichen, verspielten und fast virtuosen Interpretation ihrer Songs auf dem Klavier - nicht nur in Bezug auf offensichtliche Tracks wie "Stardust", die auch als Piano-Nummern konzipiert sind, sondern auch indem sie Gitarrensongs wie "I'm Sorry" auf die Tasten transponierte oder indem sie Coverversionen wie Stevie Nicks' "Silver Springs" ins Programm mit aufnahm. Den Song "Something From Me", den sie zuvor noch nie live gespielt hatte, nahm sie als Publikumswunsch ebenfalls mit ins Set - wies jedoch darauf hin, dass man ihr Fehler nachsehen möchte, denn schließlich sei sie nicht perfekt... obwohl es ihr heutzutage großartig gehe und sie natürlich total hinreißend sei. Als Zugabe gab es dann noch "When You Were Mine" von Prince - weil dieses der erste Künstler gewesen sei, der sie im Alter von sechs Jahren so richtig für die Musik begeistern habe können. Insgesamt präsentierte sich Kiley Lotz auf dieser Tour zwar in einem für sie eher unüblichen Rahmen - schaffte es aber dennoch, ihr musikalisches Konzept auf anschauliche, sympathische und unterhaltsame Weise im Solo-Modus darzubieten.

Petal
NACHGEHAKT BEI: PETAL / KILEY LOTZ

GL.de: In einem Interview sagtest du, dass du in deinen Songs keine Antworten anbötest, weil du keine Antworten habest. Antworten worauf? Du stellst in deinen Songs doch eigentlich auch keine Fragen?

Kiley: Also ich finde schon, dass ich Fragen stelle - aber nicht an jemanden spezifisches. Ich weiß halt nicht, was die Wahrheit ist. Besonders wenn man Schmerz empfindet, weiß man das nicht - weil deine Realität von den Gefühlen durchsetzt wird, denen man ausgesetzt ist. Die Wahrheit ist nur ein Stück Kohle? Vertrauen ist Gold? Was ist die Marge für Fehler? Ich weiß das alles nicht. Ich habe also Fragen - erwarte aber keine Antworten. Ich singe über Dinge, die nicht einfach beantwortet werden können, sondern denen man sich nur durch Lebenserfahrung nähern kann.

GL.de.: Was ist denn dann die Funktion deiner Texte für dich? Autotherapie?

Kiley: Ja - es ist schon ein wenig investigativ, was ich mache. Ich versuche, mit Dingen klarzukommen. Ich habe Bilder und Gedanken im Kopf, die so stark sind, dass ich sie nicht einfach verinnerlichen kann, dass ich sie irgendwie verarbeiten muss - weil sie einfach ein Eigenleben jenseits meines Kopfes führen. Es wollen aber andererseits auch nicht alle meine Gedanken niedergeschrieben werden - nur die, die wie ein Vögelchen aus meinem Mund fliegen. Es ist also ganz gut für die Therapie, weil ich so eine kreative Möglichkeit habe, die Sachen zu verarbeiten - aber ich denke nicht, dass Kreativität eine echte Therapie ersetzen sollte.

GLde: Warum bist du überhaupt Musikerin geworden?

Kiley: Weil ich festgestellt habe, dass ich durch das Performen und das Song-Schreiben einen Sinn im Leben gefunden habe. Wenn ich das nicht machen würde, dann wäre ich - nun ja, vielleicht nicht ganz orientierungslos - aber ich würde mich doch dauernd fragen, was meine Mission im Leben ist. Ich kann mich durch die Musik besser artikulieren als durch eine normale Konversation. Es ist eine 'feige' Art, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, mit denen ich auf andere Weise nicht klarkäme - und das anderen zu vermitteln. Das hat sich für mich immer gut angefühlt - während ich mich in anderen Situationen meines Lebens immer ein wenig unangenehm gefühlt habe.

GL.de: Warum hast du die aktuelle Scheibe denn "Magic Gone" genannt? Denn wenn überhaupt, dann singst du doch eher genau über die Magie?

Kiley: Also ich hatte immer gedacht, dass mein bester magischer Trick sei, mich als jemand zu präsentieren, der alles unter Kontrolle hat - während ich innerlich doch ziemlich zu kämpfen hatte. Im täglichen Leben kam ich aber so ganz gut zu recht. Ich machte alles mit - obwohl ich mich nicht okay fühlte. Ich kam dann an den Punkt, dass ich merkte, dass dieser Drahtseilakt zu gefährlich für mich würde und dass ich was ändern müsse. Es ging auch um eine lange Beziehung, die gerade endete und die Erkenntnisse,die das Erwachsenwerden mit sich bringt, sorgten dann auch für ein Ende der magischen Momente. Es änderte sich dann alles. Im Grunde genommen geht es in dem Song um eine Reflektion über das Erwachsenwerden und die Verantwortung, die man dann für sich selbst übernehmen muss.

GL.de: Was bedeutet der Song "Stardust" für dich, den du ans Ende der LP gestellt hast. Welche Art von Sternenstaub meinst du denn hier?

Kiley: Ich habe diesen Song mit 15 - in der Kirche - angefangen zu schreiben und habe ihn erst mit 27 beendet. Insofern repräsentiert dieser Song den ganzen Bogen meiner persönlichen Entwicklung inklusive aller Veränderungen bis hin zu der Person, die ich jetzt bin. Und was den Sternenstaub betrifft: Ich mag es zunächst mal, kosmische Themen in meinen Stücken zu referenzieren. Und dann ist das ja so, dass wir alle ein wenig Sternenstaub in uns tragen - weil wir ja letztlich alle aus derselben Materie sind. Und wenn du dann mal weiter denkst, dann ist dieser Sternenstaub ja irgendwie etwas ewiges. Es wird ihn noch geben wird, wenn wir selbst längst verschwunden sind. Das ist zwar eine banal, aber auch erstaunliche Weisheit - und sie ist wahr.

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Surfempfehlung:
petalpa.tumblr.com
www.facebook.com/petalPA
en.wikipedia.org/wiki/Petal_(band)
www.facebook.com/Sylvia-449992075211637
www.youtube.com/watch?v=h-He1xS5WKA
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
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