NACHGEHAKT BEI: MILLIE TURNER
GL.de: Du bist ja noch nicht so lange im Geschäft. Wie bist du denn eigentlich zur Musik gekommen?
Millie: Musik ist für mich nichts, was ich jemals als Möglichkeit für eine Karriere betrachtet habe. Ich liebe es einfach Musik zu machen. Ich hatte Musik zunächst für mich selbst gemacht und ursprünglich gar nicht die Absicht, diese mit anderen zu teilen. Ich bin mit meinen Eltern zur Kirche gegangen - wo Musik ja ein offener Teil des Ganzen ist. Das hat mich auf organische Weise zur Musik gebracht. Ich habe aber nie gesagt: Oh mein Gott, ich will unbedingt Musikerin werden. Erst in den letzten zwei Jahren habe ich festgestellt, dass ich singen und Songs schreiben kann.
GL.de: Die Idee, Musik als Hobby zu betrachten, ist ja sicherlich nicht schlecht, da es so keinen Druck gibt. Wie kam es dann aber zu den bisher veröffentlichten Songs?
Millie: Ich wollte auf die Philippinen und musste dafür irgendwie Geld auftreiben. Da habe ich meinen Produzenten gefragt, ob wir nicht mal was machen sollten.
GL.de: Kam so auch die Show für Alice Merton zustande?
Millie: Das passierte über meinen Agenten - der hat sich darum gekümmert und mir das ermöglicht.
GL.de: Was an deinen Songs eher ungewöhnlich ist, ist der Umstand, dass sie eine Geschichte zu erzählen haben - obwohl du dich im Pop-Medium bewegst.
Millie: Ich denke, der Antrieb, einen Song zu schreiben, liegt für mich gerade in seiner Geschichte. Das ermöglicht den Zuhörern einen Zugang und er macht den Song verständlich. Man kann den Song so besser genießen.
GL.de: Dennoch ist es ungewöhnlich, dass du Geschichten erzählst, wie z.B. von der Tänzerin, die durch das Tanzen zu sich selbst findet oder in "Underwater" die Situation deiner Generation beschreibst. Normalerweise geht es in der Popmusik doch immer nur um Herzschmerz oder das Party-Machen.
Millie:de: Natürlich könnte ich auch generische Party-Songs schreiben, die jeder hören will - aber das ist doch zu einfach, oder? Ich schreibe über meine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse. Das sind simple Ideen und Geschichten, die aber jeder nachvollziehen kann. Es ist eine erstaunliche Möglichkeit sich auszudrücken und den Leuten den Zugang zu diesen Gedanken zu ermöglichen.
GL.de: Aber du singst doch nicht nur über dich selbst, sondern auch über andere, oder?
Millie: Ja, das stimmt, ich singe auch über andere. Ich singe auch über Dinge, die ich selbst nicht erlebt habe, die ich aber bei anderen beobachtet habe und von denen ich denke, dass sie erzählt werden sollten. Das heißt aber nicht, dass das unpersönlich ist, denn jeder kann ja Zugang zu vergleichbaren Erlebnissen haben.
GL.de: Was inspiriert dich denn musikalisch?
Millie: Früher habe ich Acts wie Björk oder Florence And The Machine gehört - also mit starken Frauen - sehr unterschiedliche Acts, die auf ihre Weise einzigartig sind und etwas aussagen wollen. Heute höre ich viel Neo-Soul und Funk und sowas. Man kann von so vielen Dingen begeistert sein - ohne dass man das dann gleich kopieren muss.
GL.de: Wie siehst du dich selbst denn als Sängerin?
Millie: Ich habe erst letztlich angefangen, Stunden zu nehmen. Zuvor habe ich eher vor mich hingesungen. Ich weiß auch gar nicht, welchen Stil ich verfolge. Ich habe festgestellt, dass ich eine Menge mit meiner Stimme anstellen kann und dass ich viel verändern kann. Ich möchte aber vor allen Dingen Geschichten erzählen und zum Nachdenken anregen. Es gibt so viele Dinge, die erzählt werden können, so viele Dinge über die keiner spricht oder sprechen will. Ich finde aber, dass Musik so kraftvoll ist, dass man diese Themen ansprechen sollte und jedermann einbinden kann. Ich möchte eine Stimme mit meiner Musik haben.
GL.de: Was zeichnet einen guten Song aus?
Millie: Die Texte, der Rhythmus und eine gute Melodie. Eigentlich alles - aber die Texte sind mir am wichtigsten, denn sie sind die Basis für mich. Ich habe vorher schon Gedichte geschrieben. Manchmal werden aus diesen Gedichten dann auch Songs. "Eyes On You" ist zum Beispiel aus einem Gedicht entstanden - dass ich auf der Bühne als Einleitung zu dem Song dann auch vortrage.
GL.de: Schätzungsweise suchst du ja nach einem eigenen Stil. Hast du den denn schon gefunden? Zum Beispiel gibt es ja bis jetzt nur einen Song mit Gitarre "Eyes On You" in deinem Set.
Millie: Das war einer der ersten Songs, die wir geschrieben haben. Ich denke, dass unsere Produktionsweise sowieso ziemlich eklektisch ist und kein Song wie der andere klingt. Das macht es auch für uns sehr viel interessanter. Ich mag es auch mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Bisher aus Kostengründen leider noch nicht bei der Produktion oder auf der Bühne. Ich gehe aber gerne zu Live-Sesssions, um dort mit anderen zu jammen, denn das ist es, wo letztlich alles herkommt. Aber ehrlich gesagt, mag ich keine Ziele. Ich will nicht sagen, wo ich nächstes Jahr um diese Zeit sein werde. Man verändert sich ja dauernd - und so verändert sich auch alles andere. Es ist mehr so eine Art Evolution. Ich will weitermachen, mit dem, was ich mache - egal ob auf einer kleinen oder eine großen Bühne. Für mich ist der Prozess sehr viel interessanter als ein Ergebnis anzustreben. Irgendwann will ich natürlich auch mal eine LP aufnehmen - aber nach meinen Bedingungen. Ich will die Sache vorsichtig entwickeln. Ich bin eine Künstlerin und ich möchte demzufolge Sachen erschaffen, die vorher noch keiner gemacht hat. Es geht ja nicht um ein Produkt, sondern um die Musik.
GL.de: Gilt das auch für deine Videos?
Millie: Ja, gewiss. Am Anfang hatte ich davon noch keine Ahnung - aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr blickt man da durch. Ich liebe diesen kollaborativen Aspekt dieser Arbeit. Ich würde gerne Filme machen. Wenn ich keine Musik machte, wäre es das, was ich machen wollte.
GL.de: Meinst du als Schauspielerin?
Millie: Nein - als Filmemacherin und Regisseurin. Ich habe nämlich ein sehr visuelle Vorstellung von dem, was ich tue - und dafür sind Filme ja bestens geeignet.
GL.de: Ist denn der Stil dabei wichtig?
Millie: Absolut. Man verändert sich selbst ja dauernd. Ich gehe immer durch Phasen und probiere dann etwas neues aus - auch musikalisch. Es gibt so viele verschiedene Stile mit denen man arbeiten kann. Ich denke, der Stil ist sehr wichtig. Man muss Stil haben.