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Ausgebrütet

Boss Hog
Japanese Breakfast

Köln, Gebäude 9
05.11.2016

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Boss Hog
Die Sache mit den Support Acts ist ja immer so eine Art zweischneidiges Schwert. Einerseits versuchen die Booker durch das Hinzubuchen eines - meist lokalen - Support-Acts mehr Publikumsdurchsatz zu generieren, andererseits geht das oft auf Kosten der musikalischen Kompatibilität. Schön also, wenn es dann mal Kombinationen gibt, die erstens musikalisch von Interesse sind und zweitens auch irgendwie zu dem betreffenden Headliner passen. In dem Fall war das so, dass die Power-Pop-Punk-Blues Legende Boss Hog in Kombination mit Michelle Zauners Japanese Breakfast unterwegs war.
Zwar ist die Band um die einerseits elfenhafte aber andererseits toughe Michelle nicht unbedingt die stilistisch einwandfreie Ergänzung des Boss Hog-Polter-Sounds, aber in Sachen Attitüde, Spielfreude und Druck liegt der Indie-Power-Pop zumindest auf einer ähnlichen Wellenlänge. Dabei ist das, was Michelle musikalisch zu bieten hat, eine recht abwechslungsreiche und oft überraschende Variante des Genres. So mischen sich eher lineare Shoegazer-Balladen a la "Jane Cums" mit New Wave-Hymnen wie "In Heaven", purem Pop a la "Everybody Wants To Love You", Cover-Versionen wie "Dreams" von den Cranberries und eher experimentellen Ideen, wie dem abschließenden, neuen E-Pop-Disco-Song "Machinist". Live kommt das Ganze übrigens weitaus straighter und druckvoller rüber als die psychedelisch verspielten Produktionen des akutellen Albums "Psychopomp" dies hätten vermuten lassen. Als Performerin wirkte Michelle dabei etwas distanziert und vielleicht ein wenig unsicher - ging aber zuweilen (und bemerkenswerterweise gerade beim "Machinist", in dem es um die Liebe zu einem Roboter ging) dann doch ziemlich emotional aus sich heraus. Den Namen ihres aktuellen Projektes definierte sie übrigens über ihre deutschen Wurzeln - indem sie erklärte, dass ihre (kürzlich an Krebs verstorbene Mutter) eine Abneigung gegen deutsches Frühstück verspürt und sich stets nach einem japanischen Frühstück gesehnt habe.
Nach einer betont zügigen Umbaupause ging es dann weiter mit jener Band, die das Programm "Rampensau" sozusagen schon im Namen trägt. Jon Spencer machte im Vorfeld dieser relativ überraschend angesetzten Tour deutlich, dass es sich hierbei keineswegs um eine Re-Union oder ein Comeback handele, sondern lediglich um eine neue Boss Hog-Phase. Man habe eben ziemlich lange (über 15 Jahre halt) an neuem Material gebrütet. Ergo der Titel der soeben veröffentlichten neuen EP "Brood Star" und der kommenden LP "Brood X". So ging die Sache dann auch gleich mit einem neuen Track los: "Wichita Grey" ist sozusagen die Single der EP vom neuen Album und eine - für Boss Hog-Verhältnisse - geradezu poppige, kompakt konstruierte Nummer. Wie bei Produkten aus dem Hause Spencer/Martinez werden aber natürlich auch mit solchem Material auf der Bühne keine Gefangenen gemacht: Die Show war eine kompromisslose High-Energy-Performance ohne jedwede Verschnaufpause.

Nach dem Einstieg folgten zunächst mal klassische Gassenhauer wie "Winn Coma", "Trouble" oder "White Out", bevor dann mit der attraktiven Punk-Pop-Nummer "Disgrace" ein weiterer neuer Track ins Programm fand. Das war es dann aber auch schon mit dem neuen Material. Weiter ging es dann mit einem Mix aus der ganzen Bandbreite des ziemlich verstreut angesiedelten Band-Oeuvres. Sogar Ursuppen-Material wie "Gerard" oder EP-Titel wie "Trigger Man" fanden sich auf der Setlist. Nicht, dass das von besonderer Relevanz gewesen wäre, denn wenn es eine Band gibt, die "ihren Song" auf immer wieder neue und spannende Art zu variieren weiß, dann ist das natürlich Boss Hog (nun ja - und natürlich die Blues Explosion). Die wahre Klasse einer Band wie Boss Hog zeigt sich sowieso hauptsächlich auf der Bühne. Es war dabei schon faszinierend zu beobachten, woher eine Band, deren letzte Veröffentlichung 16 Jahre und deren letzte Tour acht Jahre zurück lag, die Energie und die Frische hernahm, eine Show wie jene im Gebäude 9 durchzuziehen - die nämlich so manchen Newcomer-Act im energietechnischen Vergleich hätte blass aussehen lassen. Angesichts dessen, wie gleichaltrige Acts wie Boss Hog unter ähnlichen Umständen geradezu verwelken würden, erschienen alle Beteiligten - allen voran Cristina Martinez und Jon Spencer, aber auch Drummerin Hollis Queens, Bassist Jens Jurgensen und Keyboarder Mickey Finn (der immerhin seit 2009 als festes Mitglied mit an Bord ist) geradezu einem Jungbrunnen entstiegen zu sein. Jedenfalls gab es - was das Energielevel betraf - keinerlei Konzessionen an den Lauf der Zeit. Cristina Martinez machte das Publikum vorzugsweise vom vorderen Bühnenrand (und am Ende der Show aus dem Mosh Pit heraus) an und Jon Spencer renkte sich posentechnisch die Seele aus dem Leib. Hin und wieder - wie bei der Ike Turner-Nummer "I Idolize You" - kamen Spencer und Martinez für eigenartig theatralische Duette zusammen, ansonsten verlegten sie sich darauf, jeweils ihren Bereich der Bühne performerisch zu dominieren. Freilich muss gesagt werden, dass dann auch dem jeweils Agierenden neidlos das Spotlight überlassen wurde (inklusive Mickey Finn bei seinen Soli und Hollis Queens, wenn diese etwa - wie bei dem von ihre geschriebenen "Strawberries" - die Vocals beisteuerte). Gesungen wurde natürlich nicht besonders viel - aber auch weniger gegrunzt und gequiekt wie zu erwarten gewesen wäre. Obwohl sowohl Jon wie auch Cristina die Familientradition, das Mikro beim Singen in den Mund zu stecken, eifrig bedienten, kommen Boss Hog-Shows - nicht zuletzt dank des kompakten Band-Sounds - weniger schnoddrig daher wie z.B. solche der Blues Explosion.

Nachdem das Konzert dann mit einer abrasiven Version von "Sick" prinzipiell beendet schien, gab es dann aber doch noch eine spontan angesetzte Zugaben-Session, die sich im Folgenden auf Zuruf schlicht zu einem zweiten Teil der Show entwickelte. Hier hüpfte Cristina dann auch ins Auditorium und verteilte des weiteren ziemlich nasse Rosen im Publikum. Nun ist das so, dass man Musik wie diese nur mit einer solchen Verve durchziehen kann, wenn man zumindest ein bisschen wahnsinnig ist. Das aber zeichnet dann Künstler wie Jon Spencer und Cristina Martinez eben auch aus. Kurzum: Besonders viel verändert hat sich eigentlich nicht seit dem letzten Boss Hog-Lebenszeichen - und das ist auch gut so.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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