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Konzert-Bericht
 
Im Wasser

Lisa Hannigan
Heather Woods Broderick

Köln, Studio 672
02.11.2016

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Lisa Hannigan
Mit Wasser kennt sich Lisa Hannigan ja aus. Zum einen lebt sie (wenn sie in Irland residiert) nahe der Küste und dann ist das Wasser ja auch in ihren Songs von Beginn an ein konstanter Faktor - gerade auch auf der aktuellen CD "At Swim", die demzufolge nicht ohne Grund so heißt. Das geht dann so weit, dass sie nicht nur Songs über Fischer, (blinde) Passagiere und Sirenen schreibt, sondern auch über die Ertrunkenen oder über Strömungen, die den Schwimmenden hierhin und dorthin führen. Sie selbst scheint sich aber in diesem Medium recht wohl zu fühlen und treibt keineswegs in ihrer Musik daher, sondern navigiert sicher und kontrolliert durch alle Stromschnellen, Untiefen, Strömungen und Tidenhübe. Das geht mittlerweile so weit, dass sie ihr Material vor- und rückwärts singen kann. Und das nicht nur im Übertragenen Sinne: Für ein neues Video zu dem Song "Undertow" musste sie lernen, den Text rückwärts zu singen, da das Video selbst auch rückwärts aufgezeichnet wurde. Das demonstrierte sie dann auch bei ihrem (restlos ausverkauften) Konzert im Kölner Studio 672 und sang dann eine Zeile des Songs tatsächlich von hinten nach vorne.
Zunächst eröffnete eine alte Bekannte die Show mit einem Set eigener Songs: Heather Woods Broderick (die Schwester von Peter Broderick) war zuletzt in der Band von Sharon Van Etten Gast im Studio 672 gewesen und spielte im Folgenden auch in der Band von Lisa Hannigan eine tragende Rolle. Sie selbst kommentierte das mit dem Spruch, dass sie im Prinzip die letzten sieben Jahre auf Tour gewesen sei (räumte aber nach der Show dann doch ein, dass es da gewisse Pausen gegeben habe). Es ist ja eigentlich zu einfach, Musiker auf ihre Familienzugehörigkeit zu reduzieren, aber in der Tat hat Heather - wie ihr Bruder auch - ein Faible dafür, ihre Songs eher um Klänge, Ebenen und Atmosphären herum zu gestalten, als etwa um offensichtliche Melodien. Dazu gehört, dass die Songs bewusst gedehnt werden und vom Ansatz her eher linear aufgebaut sind. Es führt aber auch dazu, dass Heather ihr Spiel auf der Gitarre mit allerlei Effekten aufwertet, gelegentlich mal zu einem Drumstick und dann auch zu einem Basspedal greift und sich zum Schluss dann auch ans Piano setzt, auf dem sie dann wesentlich variantenreicher und fast verspielt zu agieren weiß. Das war alles in allem recht charmant, verlangte dem Zuhörer aber auch ein Mindestmaß an Toleranz ab. Immerhin: Das Publikum goutierte das Ganze mit aufmerksamen Zuhören und entsprechendem Szenenapplaus. Vielleicht war es ja auch tatsächlich eine gute Idee, Heathers eher klangmalerische Ansätze gegen das zu setzen, was dann im Set von Lisa Hannigan passierte - denn das wirkte dann umso effektiver.
Lisa Hannigan ist eine der wenigen Songwriterinnen, die ihre Texte nicht zum Rhythmus, sondern zur Melodie ihres Materials gestaltet. Die Melodie ist also das größte Gut im Schaffen Lisas - und das wirkt sich dann auch auf den Live-Vortrag aus. Es führt auch dazu, dass die Texte bei Lisa eine andere Gewichtung haben, als bei vielen anderen Kolleginnen und teilweise gar nicht so wichtig sind. Sie selbst meint sogar, dass sie zuweilen ihren Texten (oder Songtiteln (siehe "Ora" oder "Lo")) gar keine konkrete Bedeutung beimessen könne oder wolle. Deutlich wird dies z.B. aber auch bei Stücken wie "Funeral Suit" oder die Zugabe "A Sail", die über Strecken ohne Worte auskommen und alleine aufgrund ihrer weit ausholenden Melodiebögen im Gedächtnis bleiben. Auf "At Swim" agierte Lisa erstmals mit Synthesizern und zur Zeit der Promo für ihr Album war sie sich noch gar nicht sicher, wie sie dieses auf der Bühne umsetzen wollte. Die Lösung war dann relativ einfach: Die Arrangements aller Songs wurden komplett geändert und für den Live-Vortrag anders gewichtet als für die Studio-Aufnahmen. Insbesondere die Rhythmusgruppe brachte mit ihren Akzenten ganz neue Aspekte ins Spiel. Das waren dann faszinierende, echte Live-Versionen, wie sie sich ein Konzertgänger eigentlich auch wünschen sollte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Obwohl Lisa hier erstmals überweigend Up-Tempo-orientiert arbeitete, gab es stets genügend Raum für ihre auch im Live-Kontext faszinierend weiche Gesangsstimme.

Die Setlist bestand logischerweise aus dem neuen Material, einigen Songs der "Passanger"-CD und von ihrem Debütalbum "Sea Sew" (das sie dieses Mal später auch zumindest als CD am Merch-Stand feilbot) hatten es immerhin noch die Songs "Pistachio" und natürlich "Lille" ins Programm geschafft - wobei dieser eher atypisch episch angelegte Songs ja schon seit einiger Zeit (und natürlich auch hier und jetzt) verlässlich zu den Höhepunkten einer Lisa-Show zählt. Kurzum: An diesem Abend konnten wir eine Lisa Hannigan erleben, die sich - deutlich gelöster als in der Vergangenheit - auch auf der Bühne zunehmend von ihren Folk-Roots entfernt und sozusagen eine ganz eigene musikalische Genussmittel-Sorte kreiert hat. Der Geist von Damien Rice (mit dem sie ja ihre musikalische Karriere begann) ist jedenfalls mittlerweile in den Weiten des Meeres verschwunden.

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Surfempfehlung:
lisahannigan.ie
www.facebook.com/lisahannigan
heatherwoodsbroderick.com
www.facebook.com/heatherwoodsbroderick
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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Mehr über Lisa Hannigan:
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