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Wurzellos

Alice Merton

Köln, Die Wohngemeinschaft
21.05.2016

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Alice Merton
In der Ankündigung zum Konzert von Alice Merton in der Kölner Wohngemeinschaft hieß es sinngemäß, dass die Kanadierin auf einer langen Reise sei, an deren Anfang sie aber gerade erst stehe. Dieser Widerspruch erklärt sich so: Die zur Zeit in Mannheim ansässige Alice, die mit ihrer jungen Band zwar schon seit drei Jahren zusammen arbeitet, aber noch keinen offiziellen Tonträger veröffentlicht hat, hat in ihrem Leben schon so viel erlebt, ist so oft umgezogen und hat an so vielen Orten gelebt (unter anderem in Berlin), dass sie zu der Einsicht gekommen ist, dass sie eigentlich keine örtlichen Wurzeln habe, sondern dass ihre Wurzeln stattdessen bei den Menschen zu finden sei, mit denen sie zusammen lebe bzw. denen sie auf o.a. Reisen begegne. Zum Ausdruck bringt sie das in einem Song namens "No Roots".
Und damit wären wir dann auch schon beim Thema: Alice ist eine begnadete Songwriterin und Performerin, der es scheinbar mühelos gelingt, persönliche Beobachtungen und Erfahrungen mit kurzweiligen, amüsanten Texten zu makellos inszenierten, stilistisch vielseitigen und mit Verve und Power dargebotenen Pop-Songs zu verdichten. Dabei lässt die junge Dame kompositorisch so manchen ausgebufften Crack ziemlich alt aussehen: In einer guten Stunde schüttelt sie jedenfalls mehr potentielle Hits aus dem Ärmel als so mancher Kollege in seiner ganzen Karriere zustande brächte. Dafür, dass die Songs dabei trotz aller mitreißenden Hooklines, Melodien und Refrains dennoch durchaus Tiefe haben, tragen die bereits erwähnten Lyrics bei, in denen Alice ihren muttersprachlichen Charme ausnutzt, Nuancen herauszukitzeln, die einem deutschsprachigen Kollegen beim Formulieren eher nicht eingefallen wären. Das ist vermutlich auch ihr selbst klar, denn obwohl Alice eigentlich ziemlich perfekt Deutsch spricht, redet sie zwischen den Songs doch lieber Englisch.
Zur Zeit arbeitet Alice mit dem Produzenten Nicolas Rebscher (der u.a. Auroras "Running With The Wolves" produzierte) an einer Sammlung von Songs, die nächstes Jahr dann auch auf CD erscheinen sollen. Diese präsentierte sie nun auf der Tour auch in der Kölner Wohngemeinschaft. Was normalerweise zu einem Problem werden kann - nämlich mit einem vollkommen unbekannten Programm konfrontiert zu werden -, stellte sich hier eher als Vorteil dar, denn Alice erläuterte ihre Songs dermaßen einleuchtend und sympathisch, dass diese gleich schon beim ersten Hören wie alte Bekannte erschienen. (So etwas gibt es ja gemeinhin ansonsten höchstens mal bei einem Musical.) Dabei offenbart sie nicht nur songwriterisches Geschick, sondern auch eine gewisse Art von Humor: Den Song "Lie To My Face" schrieb sie etwa, um Leute, die sie belügen, zu ermuntern, dieses auch weiterhin zu tun - anstatt sich etwa darüber aufzuregen, der Song "This Is Not Your Song" ist Leuten gewidmet, die es definitiv nicht verdient haben, einen Song gewidmet zu bekommen. Dann wählt sie noch das Thema "Stierkampf" als Metapher für zwischenmenschliche Interferenzen, schrieb mit "Back To Berlin" eine Hommage an ihre zeitweise Wahlheimat oder mit "Beauty Queen" eine an ihr Idol, Marilyn Monroe. Das Ganze wird mit einer beeindruckend kraftvollen, aber nuancierten Stimme vorgetragen, die zwar verrät, dass Alice seit ihrem zehnten Lebensjahr singt und auch eine klassische Ausbildung genossen hat, aber in Sachen Timbre, Akzentuierung und Klangfarbe durchaus modern und zeitgemäß rüberkommt und zwischen Jazz, Pop und andeutungsweise Rock stets eine gute Figur macht. Wie auch Alice selbst als Perfomerin, die ihre Songs ausdrucksstark, aber nicht manieriert interpretiert und akzentuiert. Dass sie dabei von der Torch-Song Ballade über eine angedeutete Swing Nummer ("Glorious") und funkige Disco-Elemente bis zur auf den Punkt gebrachten, souligen Pop-Nummer alles im Gepäck hat, was es braucht, zeichnet sie nochmals als Songwriterin aus. Ihre Band aus jungen Mannheimer Musikanten präsentierte das Material zwar adäquat und ebenso vielseitig, aber fast sogar ein wenig zu perfekt. Das lag aber eher an den komplexen Arrangements, über die man vielleicht noch ein Mal reden sollte, denn diese drifteten in ihrer detailreichen, verspielten Art eher etwas ins Banale ab - was meinen will, dass weniger hier mehr gewesen wäre. Unter dem Strich wäre es schon erstaunlich, wenn man von Alice Merton & Band in Zukunft nicht erheblich viel mehr hören sollte...

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Surfempfehlung:
www.alicemerton.de
www.facebook.com/alice.merton
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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