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Konzert-Bericht
 
Eine halbe Europäerin

Caroline Keating

Wuppertal, BürgerBahnhof Vohwinkel
06.06.2013

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Caroline Keating
Als Caroline Keating letzten November ihr in der Presse stürmisch gefeiertes Debütalbum "Silver Heart" veröffentlichte, war sie noch eine Singer/Songwriterin aus Kanada. Sicherlich, auch zuvor war sie bereits mehrfach durch Deutschland getourt, seit der Spiegel-Autor Jan Wigger sie bei einem Festival in ihrer Heimatstadt Montreal entdeckt und dem hiesigen Publikum wärmstens empfohlen hatte, trotzdem war sie stets nur Gast in Europa. Nachdem sie allerdings die letzten vier Monate in unseren Breiten verbracht, hier viele, viele Konzerte absolviert und in der tourfreien Zeit in Leipzig gelebt hat, ist sie (mindestens) eine halbe Europäerin. Das unterstrich sie - erneut von Sebastian Chow an der Geige (und bei zwei Songs an der Trommel) begleitet - auch mit ihrem fabelhaften Auftritt in Wuppertal.
Das Konzert im Bergischen Land ist das vorletzte von Carolines bislang längster Tournee in der alten Welt und es hätte an keinem schöneren Ort stattfinden können. Nicht nur, dass die Wuppertaler Bürger das alte Empfangsgebäude des ehemaligen Bahnknotenpunkts Vohwinkel vor dem Verfall gerettet haben, nein, sie veranstalten dort auch noch unter dem Bahn-affinen Titel "Endstation Sehnsucht" regelmäßig feine Konzerte. Trotz uriger DIY-Atmosphäre im Foyer wird hier nichts dem Zufall überlassen: Auf der bestens ausgeleuchteten Bühne sorgt ein Kronleuchter für festliche Stimmung, in den ersten Reihen verströmen Sofas für die Besucher Wohnzimmeratmosphäre. Doch auch die Stuhlreihen dahinter sind vollbesetzt - selbst in der Provinz spielt Caroline inzwischen längst vor ausverkauftem Haus.

Dass sich die lange Tournee an diesem Abend dem Ende zuneigt, merkt man allerdings höchstens an der stoischen Ruhe, mit der die Pianistin ihr Instrument repariert, das trotz Soundcheck noch vor dem ersten gespielten Ton den Dienst versagt. Ansonsten begeistert sie mit der gleichen Mischung aus Talent und Unbekümmertheit, Jungmädchencharme und künstlerischer Selbstsicherheit, mit der sie bereits auf früheren Tourneen zu punkten wusste. Neu dagegen ist, dass ihre Lieder inzwischen in Europa erlebte Geschichten erzählen. Thematisierte sie auf ihrem Debütalbum noch ihre Heimatstadt ("Montreal"), so handeln ihre Lieder nun von Begegnungen an Raststätten ("Pit Stop") oder dem Nachtleben in ihrer temporären Heimat, der "halbierten Millionenstadt" Leipzig ("Nightlife 2"), und sie ist inzwischen so assimiliert, dass sie ein Lied über das Verreisen, wenn man jung und pleite ist, nicht korrekterweise "Vacation", sondern "Holiday" nennt, "weil die meisten Europäer die Ferien so bezeichnen." Auch sonst erzählt sie persönlich und ohne jegliche Berührungsängste viel von ihren Erlebnissen der letzten Monate, von ihrer ersten Tour in Italien, von ihrem Aufenthalt in München zum Champions League-Finale ("Wir waren für Dortmund!", erzählt sie lachend) und zeigt sich von den lokalen Wuppertaler Attraktionen begeistert, als die die Schwebebahn hübsch poetisch als "Awesome trains dangling from the sky" bezeichnet.

Doch selbst ihren alten Songs gewinnt Caroline an diesem Abend noch neue Seiten ab. "Ghost" spielt sie auf Publikumswunsch erstmals seit einem Jahr wieder am Klavier - in der Zwischenzeit wurde sie dabei lediglich von Sebastian an der zur Mandoline umfunktionierten Geige begleitet - und ist anschließend verblüfft, wie gut ihr die neue alte Version gefällt. Auch sonst bleibt musikalisch kein Wunsch offen, denn die zwei Sets, die Caroline an diesem Abend spielt - in der Unterbrechung bleibt Zeit, "um zu pinkeln, die Mama anzurufen oder was man sonst so in Pausen tut" -, umfassen praktisch jeden Song, den sie bislang geschrieben hat. Auffällig bei den neuen ist neben ihrer inhaltlichen Ausrichtung vor allem, dass sie genau den rauen Punch haben, der auf "Silver Heart" nur selten zwischen all den sanften, aber dennoch nie glatten Piano-Indiepop-Songs durchscheint. Anders gesagt: Die neuen Songs scheinen mehr von Amanda Palmer als von Kate Bush zu haben. Klingt spannend, oder?

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Surfempfehlung:
www.carolinekeating.net
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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