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Keine Bruchlandung

Niels Frevert

Oberhausen, Druckluft
09.02.2012
Niels Frevert
Betont Band-lastig ist sie ausgefallen, die feine aktuelle Platte von Niels Frevert. Dass es deshalb durchaus zu einer Herausforderung werden könnte, die neuen Stücke von "Zettel auf dem Boden" bei Konzerten solo auf die Bühne zu bringen, war auch dem Hamburger Ausnahme-Singer/Songwriter selbst klar. "Da kannst du dann mal kommen und gucken, wie ich auf die Schnauze fliege!", sagte er augenzwinkernd beim Interview mit Gaesteliste.de Ende September in der Bar des Kölner Chelsea Hotels. Eine Einladung, die wir gerne annahmen. Um den "Nervenkitzel" noch zusätzlich zu erhöhen, besuchten wir gleich das Premierenkonzert der Solo-Tournee Anfang Februar im bitterkalten Oberhausen.
Niels Frevert
Voll ist es im kleinen Saal des Druckluft. In den eigens aufgebauten Stuhlreihen bleiben nur versprengte Plätze frei, viele Zuschauer müssen sich mit einem Stehplatz hinten an der Bar begnügen. Am Bühnenrand sorgen Teelichter für festliche Stimmung. Das Publikum scheint sich zu teilen in die Alteingesessenen (wie den Herrn, der sich nicht verkneifen kann, zwischen zwei Songs Frevert und dem restlichen Publikum mitzuteilen, dass er bereits 1995 Nationalgalerie in Hagen gesehen hat) und diejenigen, die den Musiker erst durch seine letzten zwei Alben kennengelernt haben und sich bei vielen älteren Songs köstlich über die vielen tollen Formulierungen in den Texten amüsieren. Zwanzig nach neun beginnt das Konzert mit zwei neuen Songs, "Schlangenlinien" und "Wohin hat es deine Sprache verschlagen", die sofort begeistern. Die Band fehlt hier nämlich keinesfalls, Frevert schafft es spielend, die Stücke allein durch sein Charisma und sein inzwischen äußerst kompetentes Akustikgitarrenspiel mit Leben zu füllen. Entsprechend gebannt ist das Publikum. Mucksmäuschenstill ist es im Raum, oder, wie Frevert selbst nach einer Handvoll Songs sagt: "Zu leise für Ansagen."

Irgendwann fängt er dann aber doch an zu reden und spricht mit Begeisterung vom Band-Konzert Ende Dezember in der Essener Zeche Carl. Verwundert zeigt er sich allerdings, dass sich viele Zuschauer selbst an die kleinsten Details des Abends noch erinnern können: "Gibt's ein Panini-Stickeralbum von dem Auftritt?", fragt er verblüfft. Nach einem halben Dutzend Songs der letzten beiden Alben greift er zur Stromgitarre und spielt - mit Ausnahme des trocken als "Ein traumatisches Erlebnis hat mich dazu bewogen, das nächste Lied zu schreiben" angekündigten "Zürich" - erstmals ältere Nummern: "Einwegfeuerzeugstichflamme", "Seltsam öffne mich" und sogar "Kickdown". Zwischendurch erfahren wir so einiges über Freverts musikalische Sozialisation. Zwar gibt es keine Coverversionen - "Nina Hagen und Udo Lindenberg stehen jetzt auf eigenen Füßen, die brauchen mich nicht mehr", lautet die einleuchtende Erklärung -, dafür verrät der Protagonist des Abends, dass er mit 13 AC/DC, mit 14 Dead Kennedys und mit 15 dann Nena gehört habe: "Das muss irgendwas mit den Hormonen zu tun gehabt haben", glaubt er. "Ich war ein Spätzünder. Danach war ich dann großer The Smiths-Fan. Ich dachte sogar, ich sei Morrissey!"

Niels Frevert
Überhaupt plaudert Frevert an diesem Abend lockerer, selbstsicherer als bei früheren Auftritten aus dem Nähkästchen. So gesteht er vor "Niendorfer Gehege", dass es ihm als geborenem Hamburger fehle, nicht wie viele andere Zugereiste zu Feiertagen zurück aufs Dorf fahren zu können, wenngleich das aber auch etwas Gutes habe: Nur als in Hamburg Geborener dürfe man nämlich gleichzeitig den HSV und St. Pauli gut finden! Das großartige "Der Typ, der nie übt" kündigt er als "Biografie in drei Minuten an", bevor er das Publikum für die folgende Nummer zum Mitmachen auffordert - "allerdings nur die, die das abkönnen", schließlich handelt es sich beim fraglichen Song um "Ich würde Dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn's nicht meine ist". Nachdem er seine Lieder bis zu diesem Zeitpunkt mit der gebotenen Konzentration und Ernsthaftigkeit interpretiert hat, wirkt er beim letzten Song des regulären Teils, "Wann kommst du vorbei", wie ausgewechselt. Plötzlich entwickelt er richtig Bewegungsdrang und hat ganz offenbar einen Riesenspaß bei diesem Song, denn mehr als bei den vorangegangenen Stücken spielt er hier mit der Phrasierung und dem Arrangement und lässt die Nummer so zum heimlichen Highlight des Abends werden.

Einmal in Fahrt redet er sich bei der Zugabe dann noch um Kopf und Kragen, was ihm allerdings sofort so peinlich ist, dass er mit dem Publikum Stillschweigen über seine kleine Tirade vereinbart. Gewissermaßen als Bestechung endet das Konzert nach anderthalb Stunden dann auch nicht mit "Eines flüchtigen Tages..." und "Aufgewacht auf Sand", sondern mit dem einzigen Rückgriff auf sein selbstbetiteltes Solo-Debüt von 1997, "Du musst zu Hause sein", dramatisch-emotional.

Als "wunderbar" wurde der Auftritt am Morgen danach auf Freverts Facebook-Seite beschrieben und das können wir gerne bestätigen. Das Einzige, was in Oberhausen nämlich nicht funktionierte, war, ihm dabei zuzusehen, wie er auf die Schnauze fliegt.

Surfempfehlung:
www.nielsfrevert.net
de-de.facebook.com/nielsfrevert
Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-


 
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