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Haldern Pop Festival 2011 - 3. Teil

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
13.08.2011

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My Brightest Diamond
Indem sich das Haldern Festival eben nicht an Trends oder große Namen anhängt, ist es natürlich auch immer eine sichere Bank für interessante Entdeckungen. Etliche der Acts, die beim Haldern Festival erstmals aufgetreten sind, entpuppten sich nachher dann als Top Acts in der Entstehungsphase. Gut möglich, dass das bei Alex Winston auch so ist. Noch bevor die erste CD überhaupt im Kasten ist, trat die kommende Indie-Pop-Queen mit großer Besetzung inklusiver zweier Backingsängerinnen auf. Wer am Vortag Miss Li erlebt hatte, bekam hier ein durchaus vergleichbares Programm geboten.
Hier wie da flogen Tambourins ins Publikum, gab es Ausflüge von der Bühne dorthin und gelang es, zum Mitklatschen und -Tanzen zu bewegen. Alex Winston überzeugte dabei mit einem fast beängstigenden Energielevel und einer zwar extrem hohen, aber ungemein durchsatzsfähigen und kräftigen Gesangsstimme. Und musikalisch gab es kurzweiligen, gutgelaunten und lebendigen Indie-Pop mit vielen gelungenen Refrains.

Im Spiegelzelt war dann Steve Cradock mit Band bereit für den Auftritt. Der Mann, der ansonsten als Gitarrist für Ocean Colour Scene und Paul Weller für den notwendigen Druck sorgt, hat mittlerweile zwei Scheiben unter eigenem Namen auf dem Buckel, deren Tracks er nun live präsentierte. "War das jetzt das zweite oder das dritte Stück?", fragte der Fotografenkollege, da ja nach drei Nummern Schluss mit dem Geknipse ist. Das ist bei Steve Cradock auch live nicht ganz einfach zu sagen, da der Mann dazu tendiert, seine etwas ausufernden Songs aus etlichen Fragmenten und verschachtelten Ideen zusammenzusetzen. Aber: Im Live-Kontext kommt das alles durchaus mit Schmackes und (auf soulige Art) gut rockend daher. Natürlich dem Credo des Meisters verpflichtet auf altmodische Art und mit vielen Soli aber dankenswerterweise ohne den esoterischen Schmäh, mit dem Cradock seine Tonträger ansonsten verunstaltet.

Auf der Hauptbühne stand zwischenzeitlich der alte Pornograph Dan Bejar mit seinem Projekt Destroyer am Start. Warum die Band diesen schrecklichen Namen hat, wurde auch hier nicht deutlich. Um es mal positiv zu formulieren: Mit schlafwandlerischer Sicherheit arbeitete sich der Kanadier durch sein Programm. Oft mit geschlossenen Augen und ziemlich introvertiert lief das ab, gerade so, als hätte der kanadische Meister lieber ein Nickerchen gemacht. Die Songs kommen als ziemlich geradlinige Indie-Pop-Drones mit leicht psychedelischer Note daher, an denen besonders Trompeter Ryan Naso (der wenig später bei Dan Mangan wieder auf der Bühne stand) mit seinen epischen Effektwänden großen Anteil hatte. Aber eine zerstörerische Kraft ging von diesem Auftritt nicht wirklich aus.

Das Trio Timber Timbre im Spiegelzelt fiel zunächst mal dadurch auf, dass es kein übliches Set-Up gab. Da Frontmann Taylor Kirk, wie auch sein Sidekick Simon Trottier im sitzen spielen und es außer einer Bassdrum auch keine Rhythmusgeräte gab, war das schon mal ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist auch der Ansatz, mit dem die Herren ihre Songs mit Gitarren und Effektgeräten auseinander nehmen und (unterstützt von Keyboard und Geige) wieder zusammensetzen. Kirk ähnelte dabei nicht nur optisch seinem Kollegen Kurt Wagner von Lambchop, sondern trug das Material auch ähnlich lakonisch vor. Dennoch überzeugten Timber Timbre einfach deswegen, weil vieles, was hier an Soundscapes produziert wurde, in dieser Form einfach noch nie zu hören war. Logisch, dass sich die Live-Versionen so auf abenteuerliche aber spannende Art von den Studio-Aufnahmen unterschieden.

Der Kanadier Dan Mangan überzeugt schließlich nicht dadurch, dass er etwas anders macht als viele andere - sondern nur besser und inbrünstiger. Mangan ist ein Vertreter der Americana Songwriter-Zunft. Das heißt: Der Song und dessen Story steht bei ihm im Vordergrund und nicht unbedingt die Rock-Power (die die Band aber trotzdem bietet wie kaum eine vergleichbare andere). Mangan ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, dem man gerne zuhört. Zudem schafft es der Mann mühelos, das Publikum mit humorvollen Ansagen einzubinden. Und wenn dann ein paar hundert Leute singen "Robots need love too, they wanna be loved by you" (auch wenn die Band bereits von der Bühne gegangen ist - um eine Zugabe zu erwirken), dann weiß man, dass man als Konzertbesucher am rechten Ort ist. Mangans Auftritt gehörte für viele zu den Höherpunkten des Festivals. Kaum zu glauben, dass der Mann hierzulande kein Label hat!

Shara Worden alias My Brightest Diamond stand schon ein Mal auf der Bühne im Halderner Spiegelzelt und stellte auch dieses Mal ihr aktuelles Programm solo vor. Das Problem dabei ist Folgendes: Die Songs ihres kommenden Albums "All Things Will Unwind" wurden zusammen mit dem kammermusikalischen Avantgarde Orchester yMusic eingespielt. Das lässt sich solo natürlich schlecht emulieren, weswegen Shara den umgekehrten Weg wählte und die Songs stark reduziert darbot. Mit Ukelele, Kalimba, Autoharp, Gitarre, einem E-Piano und erstmals einem Computer stellte Shara das neue Material in dieser Form vor. Da es Sharas vordringliches Ziel bei den neuen Stücken war, Geschichten zu erzählen, funktionierte das allerbestens - einfach, da man so quasi zum Zuhören gezwungen war. Außerdem erzählte Shara, worum es in ihren Songs eigentlich ging. Und dann erfuhren wir noch, dass das Bewusstsein der Künstlerin im Alter von 13 Jahren bei ihrem ersten Deutschlandbesuch ausgerechnet von deutschen Brötchen erweitert worden sei, was sie zu einem neuen Menschen gemacht habe. Dies sei eine wahre Geschichte, fügte sie hinzu.

Auf der Hauptbühne hatten sich derweil Wir sind Helden eingerichtet, um ihren (vorläufigen oder endgültigen) Abschied vom Festival-Zirkus zusammen mit dem Publikum zu feiern - was trotz einsetzenden Starkregens im letzten Zeit der Show auch ganz gut gelang. Es war zweifelsohne schön, die alten Hits wie "Guten Tag" oder "Rüssel an Schwanz" noch mal perfekt inszeniert dargeboten zu bekommen, dass man aber mit solcherlei Musik nicht wirklich in Würde alt werden kann, hatten aber wohl auch Judith Holofernes und ihre Mannen erkannt. Mal sehen, was da zukünftig noch so kommt - diese Show wirkte indes wie der (dank der Spiellaune gar nicht mal so traurige) Abschluss eines Kapitels.

Der anschließende Umbau des großen Helden Sets auf das nicht minder anspruchsvolle von The Low Anthem dauerte dann relativ lange - was aber nichts machte, da sich so auch die Wolken ausweinen konnten und es pünktlich zum Konzert noch ein Mal relativ trocken war. Zuletzt hatten The Low Anthem in Haldern im Spiegelzelt auf der Bühne gestanden - und irgendwie wäre das auch dieses Mal richtiger gewesen. Die Band aus Providence, die ja durchaus mit Absicht nicht etwa "Loud Anthem" heißt, ist eben eher für die ruhigen Töne bekannt. So begann man das Konzert mit einem einzigen Mikro, um das sich das Kerntrio aufbauten und dann mehrere Songs akustisch, mono, präsentierte. Gerade das letzte Album, "Smart Flesh", ist ja schon beinahe ambientmäßig ruhig ausgefallen und die wenigen "Rock"-Momente, die Low Anthem in ihr Tun einfließen lassen, reichten nicht, um zu dieser Zeit noch in die hinteren Teile des Festivalbereiches zu tragen. So verpuffte die Magie des Auftrittes dann doch nach ungefähr der zehnten Zuschauerreihe - was ein wenig schade war, denn schön anzuhören war das Ganze natürlich schon.

Bereits im letzten Jahr hatten die Damen von Warpaint ganz oben auf der Wunschliste der Festivalmacher gestanden - damals waren sie allerdings aufgrund des gerade anbrechenden Hypes im Vorfeld ihres Debütalbums "The Fool" nicht abkömmlich. Das stellte sich nun nicht unbedingt als Nachteil heraus, denn im Laufe des letzten Jahres haben die Mädels ihren Sound geradezu perfektioniert und die (damals noch) neue Drummerin eingearbeitet. Warpaint machen überhaupt keinen Hehl daraus, dass sie sich vor allen Dingen als Live-Band sehen und Plattenaufnahmen eher ein notwendiges Übel für sie darstellen. So zeigten sie sich vom Sound ihres Debüts nicht restlos überzeugt und kündigten bereits an, dass das nächste Album mehr wie eine Warpaint-Live-Show klingen müsse. Das aus gutem Grund, denn eine Warpaint-Show - zumal an einem so malerischen Ort - ist eine faszinierende Sache von fast unerbittlich hypnotischer Qualität. Das ist eher eine Art Gesamtkunstwerk als eine Aneinanderreihung einzelner Songs, denn hier ist alles - Rhythmus, die beiden Gitarren, die Stimmen, das Licht, die Bewegungen und die Farben - zu einem ineinander greifenden Ganzen verwoben. Schön auch, dass die selbsternannten Laien-Musikerinnen es geschafft haben, mit ihrem ungewöhnlichen Ansatz einen konkreten Gegenentwurf zur üblichen Rock-orientierten Gitarrenmusik zu erschaffen. Das war ein Auftritt, wie er keinesfalls hätte fehlen dürfen, um das rundum gelungene Gesamtpaket Haldern 2011 abzurunden.


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Surfempfehlung:
www.haldern-pop.de
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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