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Ertrunkene Ratten

Ron Sexsmith
Paper Aeroplanes

Köln, Kulturkirche
03.05.2011

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Ron Sexsmith
Die Kulturkirche in Köln Nippes gilt seit längerem als Geheimtipp für qualitativ hochwertige Konzert-Ereignisse und deswegen wunderte es auch nicht wirklich, dass das Konzert von Ron Sexsmith sehr gut besucht war. Ron war ja schon öfters in Köln zu Gast, dennoch ist es nach wie vor beruhigend zu sehen, dass ein Typ wie Sexsmith, der rein von der Erscheinung her der Antityp eines Pop- oder Rockstars ist, alleine aufgrund der Qualität seiner Arbeiten auch hierzulande eine feste Anhängerschaft gefunden hat. Wie wichtig der Kanadier als Lieferant anspruchsvollsten Songmaterials auf höchstem Niveau inzwischen geworden ist, zeigte das Namedropping, das er en passant einfließen ließ. Zahlreiche Kollegen wie z.B. Emmylou Harris, Michael Bublé oder Leslie Feist schätzen sein Material und greifen gerne zur Interpretation darauf zurück. Rein bezogen auf dieses Output lässt Sexsmith angesagtere, populärere Kollegen weit hinter sich zurück und müsste eigentlich selbst in die Riege der Superstars aufgerückt sein. Immerhin kann er es sich heute leisten, mit Band durch die Lande zu reisen und dabei seinerseits Kollegen zu unterstützen - wie etwa die walisischen Paper Aeroplanes, die er für diese Tour als Support auswählte.
Die Paper Aeroplanes sind Sarah Howells und Richard Llewellyn, die sich dem Folkpop-Genre verschrieben haben. Sarah Howell sammelte vor diesem Projekt in der Band Jylt erste Erfahrungen und Richard Llewellyn spielte als Pub-Musikant. (Richard Llewellyn ist in Wales ein Allerweltsname und es gibt verschiedene Prominente, wie etwa einen Dichter und einen Dirigenten gleichen Namens.) Zusammen haben sie sich musikalisch in etwa auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, wie auch die meisten der Songs von dem Debütalbum "The Day We Went Into The Sea" belegen, die das Duo an diesem Abend vortrug. Nicht umsonst heißt einer ihrer Titel "Cliché". Negativ ist das nicht unbedingt, denn obwohl hier keine musikalische Bilderstürmerei stattfindet, sind die Songs der Aeroplanes alle zumindest gefällig und tun keinem weh. Dabei geht die Genre-Treue so weit, dass der Zuhörer zuweilen meint, Coverversionen vorgesetzt zu bekommen, die sich dann aber doch als eigene Songs entpuppen, die eben aus bekannten Versatzstücken zusammengesetzt wurden. Dazu spielen Sarah & Richard Gitarre und singen und Richard greift ab und zu zur Mandoline. Mehr gibt es eigentlich nicht dazu zu sagen.
Wer Ron Sexsmith von seinen Live-Auftritten bereits kannte, der fand anlässlich dieses Auftrittes sicherlich einen runderneuerten Performer vor. Nicht nur, dass Sexsmith die Songs insbesondere seines neuen Albums "Long Player Late Bloomer" für seine Verhältnisse ungewohnt selbstbewusst, offensiv und mir richtigen Entertainer-Qualitäten darbot; er hatte mit Stuart Cameron auch einen neuen, jungen Gitarristen in der Band, der seinen prinzipiell als Folk-Pop zu deklarierenden Songs eine gute Portion Rock-Power verpasste, während sie gleichzeitig von allem orchestralen Schnickschnack, der auf seinen CDs zuweilen vorherrscht, entschlackt wurden. Galt Sexsmith bislang immer als vergleichsweise zurückhaltender, schüchterner Performer, so trat er hier quasi als Rampensau in Erscheinung. Entweder liegt das am stetig zunehmenden Zuspruch seiner selbst, oder an persönlichen Lebensumständen - vermutlich aber an beidem, denn nur so ist eigentlich der "Durchbruch" in Sachen Full-Frontal-Pop auf seinem neuen Werk zu erklären.

Sexsmith agiert heutzutage - was das Songwriting betrifft - auf dem gleichen Level wie etwa Elvis Costello; nur dass er seinen Hirnschmalz für Melodie- und Harmonieführung verbrät und nicht (wie Costello) für immer verstiegener Nickeligkeiten. Ganz en passant lernte der Zuhörer bei diesem Konzert auch noch, dass Sexsmith im Laufe seiner Karriere nun eine ganze Menge an Songs angehäuft hat, die sich alle irgendwo auf dem Qualitätslevel des neuen Material bewegen, denn er stellte die Sahnestückchen quasi seiner ganzen Laufbahn von insgesamt 11 Tonträgern vor. Interessant bei dieser Zusammenstellung war dann noch die Erkenntnis, dass Sexsmith zu Beginn seiner Karriere in eine ganz andere Richtung tendierte. Stücke wie "Thinking Out Loud", "Foolproof" oder "Secret Heart" (mit dem er das Konzert beschloss) könnte man gemeinhin im Prinzip dem Jazz-Genre zusortieren - der Pop-Ron kam erst ab dem Album "Cobblestone Runway" und zunächst zögerlich in Fahrt. Heutzutage kommt die Sache ohne Einschränkungen zum Tragen. Das - in Verbindung mit Rons Fähigkeit anspruchsvollste Songstrukturen, Melodiebögen ohne eigentliche Refrains, aber mit hohem Wiederekennungswert und klassische Songwriter-Themen unter einen Hut zu bringen - macht heutzutage praktisch jeden seiner Songs zu einem Treffer. Auch für andere: "Hard Bargain" wurde gerade von Emmylou Harris aufgenommen, so dass Ron sich genötigt sah, das Stück selbst wieder ins Programm zu nehmen, "Whatever It Takes" nahm sich die musikalische Schmalzlocke Michael Bublé vor und Leslie Feist covert nicht nur oft und gerne Stücke ihres Landsmannes (auch "Secret Heart"), sondern schrieb mit ihm zusammen "Brandy Alexander" - was, wie Ron erklärte, einer seiner Lieblingscocktails sei.

So weit so gut - es waren allerdings die Nummern seines letzten Albums, die das Sahnehäubchen dieser Show darstellten. In dem Titeltrack macht er sich ja - durchaus nicht ausschließlich selbstironisch - darüber lustig, dass er ein altmodischer Spätblüher sei; er ist aber offensichtlich, und zu recht stolz auf diese Errungenschaft, denn nur so konnte "Long Player" schließlich entstehen. Und so trug Sexsmith - stets um das optimale Klangbild bemüht - dann sein Zeug auch augenscheinlich enthusiastisch vor. "Gebt uns mal Handtücher", meinte er zwischen den Songs, "sonst sehen wir gleich aus wie ertrunkene Ratten." Zugegeben: Rock war das trotz allem nicht, aber - auch dank Stuart Cameron und den anderen Musikern - wesentlich lebhafter (und lauter) als alles, was Sexsmith bislang live so zu bieten hatte. Es ist müßig, im Falle von Ron Sexsmith davon zu faseln, dass das Warten sich gelohnt habe, oder das Ausdauer letztlich doch zum Erfolg führe, denn Sexsmith fühlt sich in seiner Nische als "graue Songwriter-Eminenz" sichtlich wohl. So lange das zu Konzerten wie diesem und Scheiben wie "Late Bloomer" führt, werden die Fans auch mit Sicherheit kein Problem damit haben.

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Surfempfehlung:
www.ronsexsmith.com
www.myspace.com/ronsexsmith
www.myspace.com/paperaeroplanes
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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