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Konzert-Bericht
 
Kleines großes Songwriting

Anna Ternheim
Oren Lavie

Köln, Prime Club/ Ottersum, Cultureel Podium Roepaen
12.03.2007/ 25.03.2007

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Anna Ternheim
Momentan drängeln sich der Welt bester Songwriter geradezu auf Deutschlands Bühnen. Einen Tag nach Damien Rice spielte Anna Ternheim aus Schweden im Kölner Prime Club. Mit ihrer zweiten CD "Separation Road", die es auf dieser Tour vorzustellen gilt, bewies sie bereits zum zweiten Mal, dass man auch ohne großartiges Brimborium, einfach durch die Beschränkung auf das Wesentliche, dem eigentlich nicht besonders originellen Genre immer wieder interessante und spannende Facetten abgewinnen kann.
Ähnlich agiert auch Oren Lavie, der in Berlin lebende gebürtige Israeli und gelernte Bühnenautor, der im Vorprogramm sein Debüt-Album "The Opposite Side Of The Sea" vorstellte. Damit hatte er so seine liebe Mühe, denn das Publikum entschied sich, ihn nahezu vollständig zu ignorieren und durch lautstarkes Quatschen an den Rand der Nervenkrise zu treiben. Das ist angesichts der atmosphärischen Nähe von Orens Musik zu jener von Anna Ternheim nahezu unverständlich. Vielleicht liegt das auch am von Carsten Wohlfeld beim Damien Rice-Konzert beobachteten Szene / Hype-Faktor, bei dem es erst in zweiter Linie um die Musik geht? Oren Lavies Songs sind vor allen Dingen leise. Am Piano, mit Cello-Begleitung und zum Schluss an der akustischen Gitarre zeigte er, wie man mit wenigen musikalischen Farbtupfern sehr schöne Klanggemälde hinbekommen kann. Natürlich konnten die Streicherarrangements seines Debüts nicht wirklich wiedergegeben werden, aber der sanfte Klang des Cellos harmonierte ausgezeichnet mit Orens warmer Stimme und dem unaufgeregt angeschlagenen E-Piano. Dazu gab es noch ein Konzept, indem Oren die aktuellen Songs mit seiner "Little Bird"-Suite umrahmte. Die, die zuhörten, ließen sich auch durchaus in den Bann des sympathischen Songpoeten ziehen. Wer Musik wie diese schreiben kann, der braucht eigentlich gar keine Band dazu. Das sahen die Anna Ternheim-Fans, wie gesagt, anders. Und Anna hat natürlich auch eine Band (obwohl sie tatsächlich auch Songs wie Oren im Gepäck hat - es muss noch einmal gesagt werden).
Annas Musik wird auch schon mal gerne mal mit Vokabeln wie "zerbrechlich" umschrieben. Zerbrechlich war bei diesem Konzert aber wahrlich nichts - auch wenn Anna viele der Songs akustisch darbot. Das liegt zum einen an ihrer klaren, ausdrucksstarken Stimme und nicht zuletzt an der selbstbewussten Darbietung: Hier agiert kein schüchternes Mauerblümchen, sondern eine Künstlerin, die weiß, was sie will, was sie kann und wie man das erreicht. Zuweilen rockte die Band dann sogar regelrecht vor sich hin - inklusive Grunge-Riffs, abenteuerlicher Solo-Passagen und mächtiger Grooves, die sehr viel konkreter waren als auf Konserve. "Jetzt will ich aber doch mal ein wenig bremsen", meinte Anna Ternheim dann augenzwinkernd, "denn ich bin tatsächlich gar keine Pop-Sängerin, sondern nur eine kleine Songwriterin." Das war irgendwie schon untertrieben, denn Annas Material kann sich durchaus sehen (und hören) lassen und bietet auf gewisse Art auch Größe. Die weit ausholenden, groß angelegten, melancholischen Melodiebögen z.B., der ausdrucksstarke Gesang, die simplen, zugänglichen und persönlich gefärbten Texte - all das ist gemacht für die Präsentation auf der Bühne. Eine Präsentation, die gleichermaßen ins Herz, wie auch in den Bauch geht (eben Dank der lauten Passagen).

Programmmäßig spielte Anna natürlich die Tracks ihrer beiden CDs - streute aber auch einige Goodies ein, die sich z.T. auf ihren Special-Editions befinden. So etwa den Folk-Song "Nights In Goodville" oder das mit Fyfe Dangerfield von den Guillemots geschriebene "Lovers Dream". Manchmal erzählte Anna auch, wie ihre Scheiben zustande kommen. So habe "Halfway To Five Points" ursprünglich nicht am Ende, sondern am Anfang der neuen CD stehen sollen und ein Flöten-Intro besessen. Das habe aber Scheiße geklungen, und so spiele sie den Song lieber akustisch. Zwischenzeitlich setzte sich Anna ans Piano und ihr Bassist bemühte jenen Bass-Synthesizer, der auch auf ihren Scheiben immer wieder aufhorchen lässt. Beendet wurde das Konzert (das genau wie die Scheiben eher zu kurz war) mit einer hymnischen Version von "My Secret" von "Somebody Outside", die alle Stärken Anna Ternheims noch einmal aufzeigte. Deren hervorstechndste ist dann wohl die Ausgewogenheit, mit der sie alle Facetten gleichermaßen bedient. Es gibt also nicht viel auszusetzen an Anna Ternheim, einer Künstlerin die offensichtlich den Nerv der zeit getroffen hat und bislang - scheinbar ohne größere Anstrengung - auf einem erstaunlich hohen Qualitätslevel agiert - auch und vor allen Dingen live...

Nach dem Ende ihrer Tour mit Band spielte Anna Ternheim dann im Anschluss noch einige Solo-Konzerte - davon eines im Cultureelpodium Roepaen; einer Location, die bestens für dieses Unterfangen geeignet war. Denn erstens unterstützte die Kapellen-Atmosphäre die leicht feierliche Grundtendenz von Annas Melodien, zweitens blieb in mehrererlei Hinsicht viel Raum für ihre klare Stimme und letztlich gibt es in Roepaen auch noch einen Flügel, der zwar einmal gründlich geputzt werden müsste, andererseits aber natürlich für ein Solo-Konzert eine ausgezeichnete Abwechslungsmöglichkeit bedeutet. (Obwohl Anna gleich mehrmals betonte, dass ihr das Klavier gar nicht so sehr liege - nur um dann auf diesem Instrument technisch eigentlich souveräner zu agieren, als auf der Gitarre).

Eröffnen durfte diese Show ein weiteres lokales Talent, und zwar die Songwriterin Barbara Breedijk. Diese kommt wohl vom Jazz her, was in diesem Fall bedeutet, dass ihre Songs ein wenig spröde 'rüberkamen. Melodische Highlights (die z.B. bei Anna Ternheim Gang und Gäbe sind) gab es bei ihr nur selten - z.B. bei dem Song "Wall Of Sound" - dafür allerdings Mitsing-Songs ohne Mitsing-Feeling und Texte, die fast zu deutlich und ohne interessante Offenbarungen diverse Gemütszustände aus dem Leben einer jungen Frau aufarbeiteten. Insgesamt war das als Einstimmung ganz okay, hatte jedoch nichts von den empathischen Emotionen, die Annas Konzert im Folgenden ausstrahlte.

Diese Show zeigte im Vergleich zu jenem mit Band eine ganz andere Anna Ternheim. Hier erschien sie weder im Kapuzenmantel vermummt, noch mit Goth-Schminke, sondern als Anna Ternheim Pur (nicht etwa "light") - auch wenn sie selber meinte, ihr schwarzes Outfit passe nicht ganz zur Umgebung. Hier gab es dann auch all jene Momente, die man auf der Rock-Tour nur andeutungsweise erleben konnte, und die ansonsten nur auf den sündhaft teuren Special Editions ihrer CDs stattfinden: Es präsentierte sich hier die ruhige, abgeklärte Anna Ternheim mit Platz für subtile Zwischentöne und auch für menschelnde Konzentrationsschwächen, die sich aber eher einnehmend als störend auswirkten, da Anna eine sehr starke Bühnenpräsenz hat, mittels derer sie Unsicherheiten auf sympathische Weise ganz natürlich zerredet.

Wie zu erwarten, bot Anna auch ein ganz anderes Tracklisting als auf der Band-Tour, bei dem naturgemäß die eher ruhigen Stücke im Vordergrund standen, die zuvor nicht oder ganz anders dargeboten wurden (von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie z.B. "Nights In Goodwill", das auch auf der Club-Tour akustisch gegeben wurde). "Erkennt ihr denn auch ein paar der Stücke, die ich hier spiele?", fragte Anna scherzhaft angesichts des abgeänderten Programmes, "ich bin nämlich selbst ein wenig verwirrt." Sie spielte derweil weitere Juwelen aus ihrem Songkästchen, z.B. auch das einfache, aber effektive "No Subtle Men", vom letzten Album. Ein Stück, von dem sie nicht so recht wisse, wie man es spielen solle, weil die "Gitarre dabei nicht richtig funktioniere". (Was nicht weiter verwundert, denn das Original ist in einer ganz eigenartigen Gitarren-Stimmung gehalten.) Trotzdem zählte der Song zu den Highlights der Show. Weil es so teuer ist, ein Streich-Orchester zu unterhalten, hatte Anna einige Parts der Arrangements von "Separation Road" auf Mini-Disc mitgebracht - dazu noch einige Vogelgeräusche, sachte Beats und Harmonie-Vocals. Diese Zutaten - obwohl nicht zwingend erforderlich - sorgten nochmals für Abwechslung. Aber natürlich standen nicht Kinkerlitzchen, sondern einzig Annas Stimme hier ganz im Vordergrund. Wenn keine lauten Gitarren oder Drums dazu kommen, strahlt diese sozusagen zusätzliche in ihrer ungekünstelten Klarheit. So etwa hörte sich Dido ohne Elektronika an (wenn es so etwas gäbe). Einige besondere Bonbons hatte sich Anna Ternheim noch für die Zugabe aufgehoben: Ein A-cappella-Stück ohne Mikro, einen Publikumswunsch ("My Secret") und eine ziemlich abgefahrene Version von "China Girl", die weder mit der ursprünglichen Version von Iggy Pop, noch mit jener von David Bowie wirklich etwas zu tun hatte, sondern das Stück praktisch neu erfand (und die in einer weiteren Konzentrationsschwäche dann eher ausfranste). Egal: Es lohnte sich auf jeden Fall, auch diese ursprünglichere Seite von Anna Ternheim zu entdecken. Und auf ihre eigene Art war diese Show zwar ganz anders, aber mindestens genauso gut (wenn nicht sogar besser) und überraschend, wie jene, die sie ein paar Wochen zuvor mit Band gespielt hatte.

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Surfempfehlung:
www.annaternheim.com
www.myspace.com/annaternheim
www.myspace.com/orenlavie
www.orenlavie.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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