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Konzert-Bericht
 
Sauerkraut und Drogenprobleme

Morcheeba

Köln, E-Werk
09.06.2005

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Morcheeba
Es kann nur erahnt werden, welcher Teufel DJ Paul Godfrey geritten haben mag, aber der Morcheeba Konzertabend im Kölner E-Werk stand ganz im Zeichen der bewusstseinserweiternden Mittelchen. Kaum eine Ansage - und deren gab es viele - in denen Paul nicht irgendwelche vernebelten Anekdötchen aus der Bandgeschichte zum Besten gab. So dankte der ausdrücklich Deutschland für die Erfindung des Amphetamins - mittels dessen Hilfe angeblich ganze Morcheeba-Alben entstanden seien. Er fragte, ob das Publikum LSD genommen habe und regte an, gemeinsam zu schreien, um irgendwelche Spannungen aufzulösen. Schließlich bat er darum, die Band mit Marihuana zu versorgen, da sie vorhätte, sich auf der anstehenden Fahrt nach Paris vollzudröhnen. "Can you help us get stoned?", fragte er ganz unverbindlich. Als das Ergebnis zu wünschen übrig ließ, erwähnte die neue Frontfrau Daisy Martey, dass das Publikum in München da sehr viel freigiebiger gewesen sei. Ja, die Bayern, so meinte Paul dann zungeschnalzend, die seien schon ganz schön drogenverrückt. Aber was solle man auch anderes erwarten, nach dem Genuss von Weißwurst? Wobei er dann bei einem anderen zentralen Thema des Abends angelangt war, der sich wie ein roter Faden durchzog: Dem deutschen Essen. Die Band liebe deutsches Essen und könne es ohne Sauerkraut kaum aushalten. "You can keep your Sushi and your Pizza", skandierte er, "we want sausage and potatoes."
Man sieht schon: So richtig langweilig war der Abend nicht. Schon gar nicht musikalisch - denn unter anderem fanden Morcheeba auch noch Zeit, ein paar Songs zu spielen. Um es mal so zu sagen: In der gleichen für Acts dieser Statur ungewöhnlich selbstverständlichen und lockeren Art, in der das Publikum einbezogen wurde, ging man auch mit dem Songmaterial um. Es war ja klar, dass an die Stücke der neuen Scheibe, "The Antidote", und vor allen Dingen an die neue Sängerin, Daisy Martey, große Erwartungen gestellt werden würden. Immerhin ist der Wechsel der Gesangs-Stimme ja ein tiefgreifender Einschnitt für jede Band. In der Umsetzung gab es dann indes einige Überraschungen. So wäre ja zu erwarten gewesen, dass die Up-Tempo Nummern von "The Antidote" genutzt würden, um mehr Schwung in die Sache zu bringen. Aber - um uns mal selber zu zitieren - Hardrock gab es immer noch keinen. Vielmehr brauchte die Band eine gute halbe Stunde, um überhaupt richtig in Schwung zu kommen. Es gab zwar z.B. durchaus ab und an mal Soli - natürlich hauptsächlich von Ross Godfrey auf der Gitarre dargeboten - aber nicht unbedingt da, wo man sie erwartet hätte. So spielten etwa Morcheeba die aktuelle Single "Wonders Never Cease" 1:1 wie auf CD - wodurch diese dann ziemlich wirkungslos vepuffte. "Living Hell", der Titel, der auf Konserve bereits mächtig Druck macht, wurde hier seltsamerweise als Swing-Version eingeläutet, während das grandiose Outro dann überhaupt nicht für eine ausufernde Jam-Session genutzt wurde, wie es sich angeboten hätte. Es stellte sich auch die Frage, warum nicht etwa ein wenig mehr Härte ins Spiel gebracht wurde. So spielte Ross z.B. das Blues-Riff von "Part Of The Process" genauso gedämpft, wie auf der Studio-Version. Indes waren diese Bedenken dann letztlich überflüssig, denn den ganzen Spaß hatten sich Morcheeba für die zweite Hälfte aufgehoben. So etwa ab "Everybody Loves A Loser" drehte die ganze Band auf und ging quasi aus sich heraus und auf das Publikum zu. Und da waren dann auf einmal die Jam- und Solo-Passagen, wobei insbesondere Ross mal so richtig aufdrehen konnte und das ein oder andere psychedelische Solo ins Set stellte.

Die größte Überraschung des Abends war dann auch schon keine mehr. Denn bereits im Vorfeld war ja des Öfteren festgestellt worden, dass Daisy Martey gewisse Affinitäten zu Jefferson Airplane nicht verleugnen kann. Und so geriet dann das ziemlich knackig dargebotene "Somebody To Love" zu einem echten Höhepunkt. Daisy, die bereits als Sängerin der obskuren Retro-Experimentalband Noonday Underground beweisen hat, dass sie Soul und Blues auf den Stimmbändern hat, machte übrigens gar nicht erst den Versuch, das sanftmütige Hinhauchen ihrer Vorgängerin Skye Edwards zu emulieren. Zwar ist auch Daisy keine "Belterin" - also jemand, der die Songs hinausbrüllt, aber ihr rauchiges Timbre hat doch ganz andere Klangfarben, die auch sehr viel besser zu dem upgedateten Live-Sound von Morcheeba 2005 (in dem Electronics praktisch keine Rolle spielen) passt. Außerdem hat Daisy eine ganz andere Ausstrahlung und Körpersprache als Skye und belebt so doch sehr das Geschehen auf der Bühne. So machte sie denn ältere Tracks, wie z.B. "Be Yourself", das hier als überbordende Disco-Version dargeboten wurde - wie man so schön sagt - zu ihren eigenen. Zum Schluss gabs dann noch eine Überraschung. Morcheeba hatten eine bis dahin eher unauffällig am Rande plazierte Background-Sängerin dabei, die gelegentlich auch ein Saxophon in der Hand hielt, das aber im Soundmix schlicht nicht zu hören war. Überhaupt war der Sound nicht der beste - besonders die Stimmen waren sehr leise, so dass die Ansagen ziemlich schwer zu verstehen waren. Deswegen hat die Behauptung, besagte Sängerin habe den Namen Jolie, auch keinen einklagbaren Wert. (Wenn es jemand besser weiß, dann möge er sich bitte melden.) Jedenfalls trug diese dann zum Schluss ein paar Tracks als Leadsängerin vor. Unter anderem das Titelstück von "The Antidote", das dann noch mal in eine richtige Jam Session ausartete - und auch die erste Zugabe, "The Sea" - wobei sie hierbei dann tatsächlich mehr nach Skye Edwards klang, als Daisy Martey. Zum krönenden Abschluss wurde dann das Publikum zur Party auf die Bühne gebeten. Zwar musste zunächst das Security Personal davon überzeugt werden, dies auch zuzulassen, aber zum Schluss standen dann doch so ca. 50 Fans mit den Musikern auf der Bühne und sangen zusammen "Rome Wasn't Built In A Day". So hatte man das auch noch nicht gehört. Auf dieser Tour haben sich Morcheeba zwar - trotz Up-Tempo-Attitüde und neuer Sängerin - gar nicht mal so sehr neu erfunden, als dass sie eben neue Facetten ins Spiel brachten. Was aber auch immer eine erklärte Absicht der Godfrey-Brüder gewesen ist. Der Live-Band Morcheeba kam indes der neue Ansatz definitiv zu Gute. Noch ein Detail sollte nicht unerwähnt bleiben: Im ganzen Set fand sich nicht auch nur ein einziger schwacher Song. Auch das muss man erst mal hinbekommen!

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Surfempfehlung:
www.morcheeba.co.uk
www.morcheeba.net
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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