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Nerzinfarkt a Go-Go

Moloko
Gus Gus

Köln, E-Werk
09.11.2003

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Moloko
Da war man sich im Publikum aber einig: Die Neuauflage des isländischen Multi-Media-Projektes Gus Gus sah in seiner aktuellen Inkarnation im Vergleich zur ursprünglichen Variante aber ganz schön bescheiden aus! Das hatte zunächst einmal nichts mit der Musik zu tun - obwohl sich die sture und rein elektronische Tekkno-House-Melange des aktuellen Albums "Attention" krebsgangartig zu den DJ-Ursprüngen zurückbewegte. Aus dem vielköpfigen Ensemble ist seit 2000 ja ein Quartett geworden - was ja weiter nicht schlimm gewesen wäre. Im Gegensatz zu früheren Konzerten aber gab es weder natürliche Instrumente, noch irgendeinen erkennbaren Multi-Media-Ansatz. Dafür sorgte dann eine Sängerin namens Earth mit souliger Stimme für den einzigen erkennbaren humanen Aspekt in dem dann doch sehr klinischen und vollelektronischen Club-Sound. Leider hatte diese so gar nichts von der katzenhaften Anmut und Grazie der damaligen Gus Gus Sängerin Hafdis Huld sondern stampfte eher unbeholfen - und (ähem) erdverbunden - in einen merkwürdigen Kartoffelsack gewandet über die Bühne.
Dazu bemühte sich dann Einpeitsch-Wikinger Stephan Stephensen (der neben Biggi Thórarinsson einzige Überlebende der alten Gus Gus Truppe) mit militärischem Gehabe und pfauenartigen Balzbewegungen, das Publikum zum Mitmachen zu animieren - mit eher mäßigem Erfolg. (Erst, als er seinen blass-isländischen Oberkörper entblößte, ging ein Raunen und Prusten durch den Saal). Gus Gus 2003, das ist nun nicht mehr oder weniger als die Wiederbelebung der House Musik. "The beat comes from the heart", erklärte Stephensen empathisch, "and the rhythmn comes from the body." Und so gab es dann vor allen Dingen auch Rhythmus pur. Metallische Sequenzen und harte Beats bestimmten das Bild. Melodien oder cinematische Klangräume wie zu "Bambi"-Zeiten suchte man - ebenso wie ältere Tracks - vergebens. Dafür gab es aber gute Laune und subersiven Witz mit dem Willen zur Selbstparodie. Wie oft in solchen Fällen: Das E-Werk und der Rahmen erschienen für diese Art strikter Club-Musik eine Nummer zu groß - was aber nix mit Gus Gus per se zu tun hatte. Letztlich machten die Nordländer ihre Sache ganz gut. Es wäre nur zu wünschen, dass zukünftig auch mal wieder etwas für's Auge getan würde. Immerhin sind Gus Gus ja einmal angetreten mit dem Anspruch, ALLE Sinne befriedigen zu wollen.

Darauf schienen es im folgenden dann zumindest Moloko abgesehen zu haben. Denn was die gute Roisin Murphy da an Unterhaltungswert auf die Bühne zauberte, war schon erstaunlich. Schon als sie zu den Klängen eines instrumentellen Intros wie eine Schlange auf die Bühne gekrochen kam, da konnte man erahnen, dass es im Folgenden nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Und richtig: Als dann endlich die Lichter angingen, da war es Schluss mit etwaigem besinnlichem Getue. Von der ersten Sekunde an hatte Roisin das Publikum in der Hand und machte dann im Wesentlichen das, was sie wollte. In den ersten zwanzig Minuten schien es z.B. - aufgrund ihrer extravaganten Bühnengarderobe - so, als kämpfe sie mit einem Rudel Nerze, die ihr um den Hals gefallen waren. Diese fanden dann aber ein mehr oder minder abruptes Ende: Sie wurden - wie so einiges mehr im Verlaufe der Show - mit Effet in die Ecke geknallt. Dann nämlich, als Roisin ein wahrlich beindruckendes Kostüm-Karussell eröffnete, an dessen Anfang ein Bademäntelchen im James Brown Stil und am Ende ein jedem Science-Fiction-Spielfilm spottendes Fantasy-Outfit mit Pfauenkrone stand. Dazu tanzte sie in bester Go-Go-Manier über die Bühne, räkelte sich auf dem Boden, flirtete mit dem Publikum und stieg schließlich - natürlich zu den adäquaten Hits "The Time Is Now" und "Sing It Back" - über eine Treppe hinunter zu selbigem und mischte dieses tüchtig auf. Da stellte sich dann auch überhaupt nicht mehr die Frage, ob die zum Teil komplexen, vertrackten Tracks des neuen Albums "Statues" die Live-Probe wohl bestehen würden. Denn einerseits hätte Roisin auch den ganzen Abend "Danny Boy" singen können und die Leute wären dennoch ausgeflippt und zum anderen - man kann es nicht oft genug sagen - gehören Moloko zu den technisch besten, tightesten Live-Acts überhaupt. Schon alleine deswegen, weil Mark Brydon ein wahrer Magier an seinen Keyboards ist - ohne dabei etwa allzusehr auf elektronische Hilfsmittel zurückzugreifen. Meist war es der fette Sound seiner Hammond Orgel, der das Gesamtbild prägte. (Immer dann, wenn er z.B. für seine spastisch-elastischen Tanzeinlagen seinen Platz verließ, wurde dies deutlich). Im Übrigen fehlte aber absolut nichts, was man irgendwie hätte vermissen können - schon gar nicht etwa die Strings oder Bläser der Album-Arrangements. Diese wurden - wie so manches andere - auch gar nicht weiter emuliert. Moloko sind halt eine Live-Band mit Herz und Seele, bei der HANDGEMACHT noch groß geschrieben wird.

Kein Stück geriet z.B. wesentlich unter fünf Minuten und hatte vom Arrangement her auch nur ansatzweise mit der Konserven-Variante zu tun. Das Faszinierende dabei ist übrigens, dass sich Moloko musikalisch eine ganz eigene Nische erspielt haben. Denn obwohl sich die Band eigentlich der funk-orientierten schwarzen Musik verschrieben hat, klingt das alles doch recht eigenständig und originär. Nicht nur, aber auch weil sich Frau Murphy beim Vortrag jeglichen Soul-Manierismen verweigert und stets im Sinne des Ganzen tätig ist. Dazu gehört auch, dass absolut nichts dem Zufall überlassen wird: Weder der Dramaturgie von Roisins Performances, noch dem ausgetüftelten Licht-Design, noch der effektvoll ausgerichtete Setlist: Neben den aktuellen Tracks, die sich vorwiegend im Mittelteil drängelten, gab es Ausflüge in die Bandhistorie. Besondere Bonbons waren z.B. "Day For Night" vom "Sweater"-Album oder das musikalisch ein wenig aus dem Rahmen fallende, lyrische "Being Is Bewildering" von "Things To Make And Do". Letzteres war die erste Zugabe, zu der die Bühne in ein wunderschönes psychedelisches Farbmuster getaucht wurde, während Roisin mit besagter Pfauenkrone reüssierte. Ein weiterer Höhepunkt war zweifelsohne der Titeltrack von "Statues" - eigentlich als Live-Track denkbar ungeeignet, aber durch geschickte Reduktion zur einfühlsamen Ballade umgebaut - zu dem Roisin erklärend meinte, dass dieser die bandinternen Probleme verarbeite. Von solchen merkte man bei dieser Show jedenfalls nichts. Ganz im Gegenteil: Moloko - und Roisin vorneweg - schienen geradezu unter Strom zu stehen - mit einem Fuß im Wahnsinn. Letztlich waren es natürlich ihre Einlagen, die den Abend zu einem memorablen Ereignis gerieten ließen. Egal, ob sie sich z.B. zu "Cannot Contain This" mit einer Lichterkette einwickelte, bei "Statues" und "Forever More" von einem Rosenstrauß die Köpfe abbiss und die Blätter ins Publikum spuckte (?) oder aber in eine Art Sado-Maso Uniform schlüpfte und damit einen Veitstanz nach dem anderen absolvierte (ohne dabei übrigens erkennbar ins Schwitzen oder außer Atem zu kommen). Was den Unterhaltungswert ausmachte, bekam man bei dieser Show sicherlich einen ordentlichen Gegenwert für das Ticket geboten. Dass dieses aber zusätzlich nahtlos mit musikalischer Kompetenz und Originalität untermauert wurde, die dann auch noch unterhaltend und klangtechnisch perfekt aufbereitet wurde, ist in Zeiten wie diesen, um das Klischee wieder einmal zu bemühen, schon ein Glücksfall.

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Surfempfehlung:
www.moloko.co.uk
www.gusgus.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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