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Not over till it's over!

Dakota Suite
Steve Wynn

München, Substanz/ Köln, Underground
20.01.2003/ 21.01.2003

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Dakota Suite
Kaum hatte es angefangen, da war es auch schon fast vorbei. Das Substanz, einer der wenigen kleinen Clubs mit alternativem Musikprogramm in München, hat ein ganz spezielles Problem. Als direkter Nachbar des Kreisverwaltungsreferates der Landeshauptstadt ist es ständigen Repressalien und argwöhnischer Beobachtung ausgesetzt. Das treibt mitunter seltsame Blüten. Wenn man etwa seine Notdurft in dem kleinen Grünstreifen vor der Behörde verrichtet hat, kann es schon passieren, dass man auf den geplanten Konzertbesuch verzichten muss. "Sorry, wir können dich nicht reinlassen, da bekommen wir Ärger: Videoüberwachung!". Ein anderes Problem der Betreiber ist, dass Livemusik ab 22.00 untersagt ist. Das angenehme Ereignis, Dakota Suite aus Leeds UK lauschen zu dürfen, fand dem entsprechend an diesem Abend ein relativ unangenehmes, abruptes Ende, aber dazu später mehr.
"This River Only Brings Poison" heißt die aktuelle Veröffentlichung, die dem geneigten Hörer näher gebracht werden soll und geneigt ist die Schar, die sich da versammelt hat in jedem Fall. Was sofort auffällt ist, neben einem vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt so um die 30, die ausgeglichene Geschlechterverteilung. Die Band wird von einer aufgeschlossenen Atmosphäre empfangen, überall freundliche, neugierige Gesichter. Höflich wird das Ende der Songs abgewartet, applaudiert und dann wieder aufmerksam gelauscht. Heimspielsituation also für Chris Hooson und Freunde. Aber der Sänger, Gitarrist und Frontman kann sich scheinbar nicht so recht mit der Situation anfreunden, macht einen wankelmütigen Eindruck und liefert eine zwiespältige Performance. Im einen Moment wird das Publikum wegen der vermeintlichen deutsch-englischen Fußballrivalität oder eines geäußerten Musikwunsches schwach angeredet, im nächsten mit intimen Gefühlsbekundungen in das sensible Innenleben des Begabten eingelassen. Zuerst wird eine Träne zerdrückt und dann die Akustikgitarre Schalloch voraus mit Wucht gegen das voll aufgedrehte Gesangsmikro gedonnert (autsch!).

Das Auditorium ist dennoch dankbar und das hat Hooson seinen wirklich tollen Songs zu verdanken. In der klassischen vier Mann Gitarrenbesetzung wird das Material vorgetragen, bei manchem Stück wechselt der auf der Platte am Bass zu hörende Dave Buxton von der E-Gitarre an die Pedal-Steel und untermalt die elegischen Songs mit bittersüßem Gleiten. Die Band tritt nicht in Idealbesetzung an. Der Bassist ist ganz neu dazu gestoßen, der Schlagzeuger eigentlich längst nicht mehr dabei und die tollen Bläsersätze, die auf der Platte zu hören sind kann man sich höchstens dazu denken. Die dichte Atmosphäre, die dort auch unter Einsatz verschiedener Tasten, Streich und Blasinstrumente erzeugt wird kann hier nicht reproduziert werden. Aber es funktioniert dennoch: Hooson steht völlig im Mittelpunkt, zieht alles in seinen Bann und reduziert alles aufs wesentliche, auf sich. Schließlich scheucht er sogar seine Mitmusiker von der Bühne und bestreitet das letzte Drittel des Abends im Alleingang. Das Publikum hat sich wehrlos der Melancholie ergeben, sitzt betreten im Schneidersitz vor der Bühne oder lehnt sich irgendwo an. "I finally found out what life is all about. It's about loosing everything." Wird da in sehnsüchtigen Gedanken an Frau und Kind resümiert und alle wissen, was gemeint ist, auch wenn das für jeden einzelnen etwas anderes ist. Dann ist alles, wie angekündigt viel zu früh vorbei und der tragische Held vollzieht eine bemerkenswerte Metamorphose. Während das Publikum doch sichtlich mitgenommen ist, ist bei ihm binnen Minuten von der depressiv-aggressiven Verstimmung nichts mehr zu spüren und Chris und Dave sind in aufgeräumter Stimmung und zu jedem Spaß bereit.

Am nächsten Tag in Köln...

Steve Wynn nutzte die Gelegenheit, die die gerade stattfindende Promo-Tour zur in Kürze erscheinenden Scheibe "Static Transmission" dazu zu nutzen, sich mit einem akustischen Gig im Vorprogramm von Dakota Suite zu empfehlen. Der Mann, der gerne mit so knackigen wie blödsinngen Etiketten wie "urbaner Wüstenrock zwischen Los Angeles und Californien" oder "Underground Country" ebenso elaboriert wie unpassend positioniert wird ("Ich mache keinen Amerikana-Rock!" stellte er zur Sicherheit noch mal fest), sucht ja auch stets nach Möglichkeiten, sich außerhalb der normalen Rock-Schiene zu artikulieren. Dazu brachte er sich dann seinen Gitarristen, Jason Victor, mit, der ihn mittels einer elektrisch verstärkten National-Guitar nach Kräften unterstützte. Beim Soundcheck überzeugte das zunächst mal: Der Rausschmeißer "Why" rockte ganz ordentlich vor sich hin. Leider gab's den dann beim Konzert nicht mehr. Nachdem Steve zunächst einige Klassiker wie "Medicine Show" spielte, entschied man sich ausgerechnet für den balladesken Opener des neuen Albums, "What Comes After" und das Beach Boys-mäßige "Candy Machine", um Jason einzuführen. Das ging gründlich in die Hose - einerseits weil Jason ungebührlich nervös erschien, und andererseits weil diese Tracks einfach keine akustische Eigendynamik entwickeln wollten. (Was auch erklärlich erscheint, da sie ja noch nicht mal durch die tourmäßige Live-Mühle gedreht worden sind). Ganz anders hingegen die folkmäßige Überarbeitung von "Crawling Misanthropic Blues" oder einfach die straighte Version von "Southern California Line" (beides vom letzten Album): Das swingte ganz gut vor sich hin, und besonders dann, wenn Jason zu einem ekstatischen Overdrive-Solo ansetzte, kam so in etwa die Stimmung auf, die auch bei Steve Wynn Band-Konzerten herrscht. Es gab dann noch einen Ausflug zum Gospel ("There Will Come A Day") und eine recht gelungene Version des Dream Syndicate-Klassikers "Tell Me When It's Over", bei der die beiden Gitarren als solche durchaus Sinn machten. Schon im März ist Steve dann wieder mit der Band unterwegs. So weit so gut.

Es folgte dann eines der momentan unerklärlichsten Phänomene überhaupt: Warum z.B. stehen die Leute Schlange, um sich Bands wie Dakota Suite oder Savoy Grand anzuhören, während andere Acts dieser Art jahrelang mit dem publikumstechnischen Existenzminium herumhantieren mussten? Vielleicht liegt es daran, dass Glitterhouse zur rechten Zeit den rechten Nerv in einer an Hektik wahrlich nicht armen Zeit getroffen - und gelähmt - haben. An der Faszination der Musik alleine kann's jedenfalls nicht liegen. Es gibt kaum eine Band, die unterhaltungstechnisch weniger attraktiv zu Werke geht, als Dakota Suite. Das Publikum vollkommen ignorierend spielte das Quartett scheinbar gequält in beinahe katatonischer Harmonie vor sich hin. Alle Lorbeeren, die die vier staubtrockenen Engländer um den stoischen Mastermind Chris Hooson mit ihrem neuen Album "This River Only Brings Poison" in Bezug auf Variation und Melodie z.B. angesammelt haben mochten, wurden an diesem Abend zu Gunsten der uniformen Eintönigkeit wieder im Publikum verteilt. Mehr als einmal schwirrte der Name "Red House Painters" durchs Auditorium. Allerdings: Während Dakota Suite in Bezug auf Tempo und Darbietung durchaus mit jener legendären Band mithalten können, fehlen doch ganz die musikalischen Kleinode, die zuverlässig auf jeder RHP-Scheibe zu finden waren. Ganz im Gegenteil: Es schien sogar, als haben es Hooson & Co. darauf angelegt, alle Tracks möglichst identisch aufzubauen (und darzubieten). Und so gab es Melodielinien, die so flach waren, dass man bis zum Horizont schauen konnte, entsprechend sortierten Gesang und die rhythmische Eleganz etwa eines Bürotackers. Und während es bei Savoy Grand zumindest einen freundlich grummelnden Graham Langley und vor allen Dingen ab und an dynamische Überraschungen gibt, wird es bei Dakota Suite bestenfalls noch leiser. Und als dann zum Schluss noch Neil Youngs "On The Beach" mit genau derselben Unerbittlichkeit wie die eigenen Sogs penetriert wurde, war man weiter denn je von der Beantwortung der Frage entfernt, warum das jetzt nun ausgerechnet hip war. "Das war ganz schön hart für mich", meinte z.B. eine erleichterte Zuhörerin, als das Konzert vorbei war. Nun ja: Was tut man nicht alles, um sich weiterzubilden...

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Surfempfehlung:
www.hooson.demon.co.uk
www.stevewynn.net
Text: -Dirk Ducar (M) / Ullrich Maurer (K)-
Foto: -Dirk Ducar-

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