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Der Wolf im Sportpelz

Pelzig
Sportfreunde Stiller
Sportpelz Tour 2002

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Pelzig
"Vor der Tour haben wir uns schon Gedanken gemacht, ob das die richtige Konstellation ist", gestand Pelzigs Christian Schulmeyer Gaesteliste.de. "Unser erstes Ziel war es auf jeden Fall, so etwas einmal mitzumachen und überhaupt vor so vielen Leuten zu spielen. Wenn es dann 10 Prozent interessiert, ist das völlig okay, und das haben wir, glaube ich, auch erreicht." Es war in der Tat ein etwas riskantes Unterfangen: Die Ingolstädter Helden von Pelzig, die mit "Drive Your Engine Clean" im Frühling eine ausgezeichnete Platte veröffentlicht haben, die mancherorts sogar als neue Meßlatte für Indierock aus hiesigen Breiten gefeiert wurde, auf Tour als Anheizer für die Sportfreunde Stiller. Auf der zwischenmenschlichen Ebene sind beide Bands zwar äußerst kompatibel, doch während die Sportfreunde die meisten ihrer Fans wohl auch weiterhin mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit und ihrer positiven Ausstrahlung begeistern, arbeiten Pelzig musikalisch wie showtechnisch doch auf einer ganz anderen Baustelle und machen Musik für kluge Köpfe, die gerne auch mal eingängig sein darf, aber dies nicht zwingend sein muss. Und auch zwischen den Songs geben sich Pelzig ernster und wortkarg. "Ich könnte nie solche Redeeinlagen wie die Sportfreunde zwischen den Stücken bringen. Es würde einfach nicht funktionieren", meinte Christian beim unserem Gespräch. "Ich würde mir schon beim ersten Satz denken 'oh Gott, oh Gott!' Mir wurde schon oft gesagt: 'Sag halt einmal was' und das würde ich auch gerne, es würde mir wirklich am Herzen am Herzen liegen, aber ich kann's halt einfach nicht. Bei den Sportfreunden funktioniert das ja auch nur, weil die sich auf der Bühne genau so geben, wie sie sonst auch sind." Gaesteliste.de begleitete Pelzig - Sänger Christian Schulmeyer, Gitarrist Rene Arbeithuber, Bassist Christian "Volley" Schaller, Keyboarder/Gitarrist Rainer Schaller sowie Ersatzdrummer Martin Tyroller - bei vier Shows dieser zweiwöchigen Tournee und obwohl das Quintett Abend für Abend das gleiche Set spielte (teils von Perfektionsmus getrieben, teils um die Nerven ihres Aushilfsschlagzeuger zu schonen), hätten die Auftritte dennoch kaum unterschiedlicher sein können. Aber der Reihe nach.
14.09.2002, Münster, Jovel

Tourstart. Die Münsteraner Großraumdisco mit 1 600 Sportbegeisterten restlos ausverkauft. Hinter der Bühne schauen Pelzig zusammen mit den Sportfreunden die samstägliche Ausgabe von Bibel TV: "ran" auf SAT.1! Bei der Band macht sich eine Mischung aus Vorfreude, Aufregung und Nervosität breit. Letzteres wurde sicherlich nicht dadurch gemindert, dass sie ausgerechnet auf die Bühne mussten, während das Weiße Ballett - zumindest auf der Mattscheibe - seinen Auswärtssieg in Leverkusen in Angriff nehmen wollte. Da gab es kein Pardon, keine zehn Minuten Verlängerung, es war Showtime! Und siehe da, die "hard rocking bavarian band" (so wurden sie auf dem Sportfreunde-Tourplakat angekündigt) schlug sich bravourös. Und das, obwohl ihr oft recht kantiger, aber stets energiegeladener Indierock (live spielten die Elektronikanwandlungen des Quintetts zumindest auf dieser Tournee nur eine sehr untergeordnete Rolle) sicherlich nicht unbedingt das war, was die Kids vor der Bühne täglich zu Hause hören. Denn da dürften neben den Sportfreunde-CDs wohl eher die Donots, Die Ärzte oder - wenn's gut läuft - Virginia Jetzt! stehen und nicht Fugazi, Sonic Youth, Shellac, Slint, Girls Vs Boys oder Trail Of Dead, die Pelzig hörbar zu ihren Favoriten zählen. Trotzdem fanden sich unter den, an diesem Abend einmal mehr recht jungen, Sportfreunde-Fans doch eine ganze Reihe Leute, die sich willig auf Pelzig einließen. Und das ist schließlich auch nötig, wie uns Rainer bestätigte: "Die Musik von Pelzig muss man sich schon ein wenig erarbeiten, da ist es nicht so, dass es einen von einem Schlag auf den nächsten sofort packt. Die meisten Leute, die zu einem Sportfreunde-Konzert gehen, tun das vor allem unter dem Aspekt, Spaß haben zu wollen, was ich durchaus nachvollziehen kann und auch super finde, was es für uns aber nicht unbedingt leichter macht."

19.09.2002, Hannover, Capitol

Im imposanten Capitol war der Graben zwischen Bühne und Fans riesig. Viel weiter steht Jon Bon Jovi auch nicht von seinen Fans entfernt, wenn er im Wembley-Stadion spielt. Trotzdem spielten Pelzig dem eigenen Bekunden nach an diesem Abend, nicht zuletzt angespornt vom wunderschönen Saal, eines der besten Konzerte der gesamten Tour. Was neben der eigentlich allabendlich mehr als soliden Performance der Band natürlich in erster Linie mit der Publikumsreaktion zusammenhing, wie uns Rainer bestätigte: "Die hängt vor allem mit dem Durchschnittsalter zusammen. Das war in einigen Städten gravierend niedriger. Im Norden - Kiel, Bremen, auch Hannover - war es relativ ausgewogen, da hat man auch noch einige ältere Leute gesehen, aber zum Beispiel in Münster oder Halle waren es sehr viel junge Leute. Ich bin allerdings sehr froh, dass wir auf dieser Tour auf junge Leute treffen und nicht nur 'Altrocker' ansprechen. Dadurch, dass uns jetzt eine Menge junger Leute kennen gelernt haben, kommt ja hoffentlich in Zukunft auch ein etwas jüngeres Publikum zu unseren eigenen Konzerten." In T-Shirt und CD-Verkäufen schlug sich das für die Ingolstädter an diesem Abend zwar (noch) nicht nieder, dafür auf die ausgelassene Stimmung bei der "Aftershowparty" in irgendeiner schicken Cocktailbar um die Ecke vom Capitol.

20.09.2002, Mannheim, Capitol

Noch ein Capitol, noch ein schönes altes Kino, noch ein schweißtreibendes ausverkauftes Konzert. Business as usual? Nur bedingt! Zwar spielten Pelzig auch an diesem Abend wieder das gleiche Set, aber irgendetwas schien dennoch anders zu sein. Vielleicht war es die an diesem Abend besonders effektvolle Lightshow, vielleicht die Tatsache, dass das eindrucksvolle, herrlich altmodische Capitol der einfach perfekte Ort für ein Pelzig-Konzert zu sein schien, jedenfalls machten die fünf Herren in ihrer Uniform (alle trugen stets Trainingsjacken mit dem "P"-Logo) an diesem Abend richtig Eindruck und sorgten für einige Bewegung vor der Bühne. Oder, wie Rene es im bandeigenen Tourtagebuch ausdrückte: "Was uns auf dieser Tour extrem auffällt, ist, dass es einen erheblichen Anteil an Männern geben muss, die von ihren Freundinnen auf das Sportfreunde-Konzert geschleppt werden und dann an der Vorband ihren Trieb, sich mit Artgenossen zu schubsen, ausleben. Das freut uns, weil es zu unserer Musik passt." So "schubskompatibel" sich die Stücke von Pelzig auch gestalten und so willkommen die eingestreuten Pop-Elemente auch sein mögen, in erster Linie ist es doch Musik mit Köpfchen. Absichtlich? "Eigentlich nicht. Wir verkomplizieren unsere Musik nicht mit Absicht", erklärte uns Rainer. "Allerdings ist allein schon die Arbeitsweise bei Pelzig so verworren und nicht unbedingt stringent, so dass es nicht verwunderlich ist, dass im Endeffekt in den Stücken sehr viel drin steckt. Nicht in jedem, es gibt auf der neuen Platte auch einige, die für Pelzig-Verhältnisse super einfach sind, aber der Großteil ist schon eher verzwickt. Die Stücke machen ja oft extreme Wandlungen durch, aus Elektrostücken werden Rockstücke und so weiter." Pelzig-Gitarrist Rene hatte nach dem Auftritt seiner Band übrigens noch nicht Feierabend. Während des Sets der Sportfreunde übernahm er nämlich für ein Stück ("Auf der guten Seite") den Schlagzeugstuhl von Flo Stiller, der sich derweil mit einem Keyboard vergnügte, und durfte so endlich einmal nicht nur vor rund 1 500 Leuten spielen, sondern vor 1 500 restlos begeisterten noch dazu!

24.09.2002, Würzburg, Soundpark Ost

"Heimspiel": Das erste Konzert auf bajuwarischem Boden bei dieser Tour. Die Bühne war extrem niedrig, der Saal hoffnungslos überfüllt, aber gerade das und die Unmengen von künstlichem Nebel verliehen Pelzig an diesem Abend das gewisse Etwas. Dass sie in Würzburg streckenweise etwas weniger kompromisslos und weniger harsch rüberkamen, mag an der allgemeinen Stimmung gelegen haben (die Aftershowparty am Vorabend in Saarbrücken dauerte dem Vernehmen nach bis zum Morgengrauen), schadete dem Auftritt allerdings in keinster Weise. Und ganz sicher schadete es auch nicht, dass sich für das letzte Pelzig-Stück Sportfreund Flo mit einer Gitarre (sic!) bewaffnet hatte und sich zuerst mit Rene ein Saitenduell lieferte und zum Schluss noch allerhand Faxen mit seinem Arbeitsgerät machte. Und irgendwie schien an diesem Abend auch besonders aufzufallen, was den Unterschied zwischen Pelzig und den Sportfreunden ausmacht. Während man sich bei den Sportfreunden kleine Details herauspicken kann, die man liebt oder nicht (Flos imposantes Schlagzeugspiel, Rüdes Körpersprache, die Frisur von Peter und, und, und...), zählt bei Pelzig vor allem die Gesamtheit. Einzelne Songtitel sind ebenso Schall und Rauch wie die einzelnen Parts der Musiker: Der Pelzig-Sound ist definitiv mehr als die Summe der einzelnen Teile. "Das ist auch schon ein bisschen eine Lobby", erklärte uns Christian. "Die Leute, die uns mögen, wollen gar nicht, dass wir irgendwelche 08/15-Dinger rauslassen, was wir machen, das ist genau deren Sound, die stehen genau auf so etwas. Mir geht es ja auch so, dass viele Platten, durch die man erst beim mehrmaligen Hören durchsteigt, letztendlich die Platten sind, die man auch nach ein paar Jahren noch saugerne hört."

Für die Sportfreunde indes war die Tournee es ein weiterer Spaziergang. Neben den üblichen Verdächtigen ("Wunderbaren Jahren", "Heimatlied", "Komm schon", "10:1") spielten die drei in Münster auch endlich mal wieder "Anders definieren": Anders als die Fans konnte Flo allerdings seinen Text nicht mehr! Der Stimmung tat dies indes keinen Abbruch. Sprechchöre, die man selbst im Stadion von Preußen Münster seit Jahren nicht gehört hat, schallten durchs Jovel. In Mannheim konnte selbst ein schlecht getimter Aufruf Peters, doch bitte die neue Sportfreunde-Single "Tage wie dieser" umgehend käuflich zu erwerben der überschwappenden Stimmung nichts anhaben und war Mannheim war ob des Sportler-Auftritts eh außer Rand und Band: Nicht nur, dass die feiernde Meute schon beim Introtape (!) lauthals mitgesungen hatte, während des Konzertes wurde sogar Queens "We Will Rock You" (nebst dazugehöriger Mitklatschorgie) intoniert. Bis zum Konzert in Würzburg war das bedenklich ohrwurmgefährdete neue Stück "Du musst es laut anhören" in den Zugaben gelandet und machte dort neben der Single des Jahres, "Ein Kompliment", eine ausgezeichnete Figur. Mit "Unterwegs" und dem vor dieser Tour lange nicht gespielten "Oldie" von 1997, "Jetzt haben wir's euch gezeigt" ging auch diese Party zu Ende. Was die Tour für Pelzig (außer der Erfahrung, im Schnitt vor 1 500 Leuten gespielt und mit den Sportfreunden und ihrer Crew tonnenweise Spaß gehabt zu haben) gebracht hat, wird die Zukunft zeigen. Trotz des tendenziell eher jüngeren Publikums steht jedenfalls fest, dass Pelzig streckenweise erstaunlich gut angekommen sind. Indierock (den jüngeren Semestern sei gesagt: Das ist das gleiche, was ihr heute Emocore nennt) ist wohl doch nicht tot, was? Und deshalb kann es nach dieser Tour auch nur ein Fazit geben: Leider geil!

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Surfempfehlung:
www.pelzig-music.de
www.sportfreunde-stiller.de
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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