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Rock und Schafspelz

Katie Von Schleicher

Offenbach, Hafen 2
06.05.2018

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Katie Von Schleicher
"Es ist gar nicht so leicht, zu zweit richtig zu rocken", hatte Katie Von Schleicher bei ihrem letzten Abstecher nach Deutschland im Oktober gescherzt. Mehr als drei Leute benötigt die amerikanische Singer/Songwriterin dafür aber ganz offensichtlich auch nicht, denn auf ihrer aktuellen, von Gaesteliste.de präsentierten Deutschland-Tournee reichen zwei Mitstreiter - Adam Brisbin an der Stromgitarre und Justin Veloso am Schlagzeug -, um die subtile Verzweiflung, die Katie in ihren frühen Lo-Fi-Tagen auszeichnete, des Öfteren durch einen geradezu grungy anmutenden Sound zu ersetzen, bei dem raue Fuzz-Gitarren oft wichtiger sind als filigrane Synthesizerklänge. Für das ungewöhnliche Ambiente beim Tourstart in Offenbach - bis Mitte Mai folgen noch Auftritte in Berlin, Hamburg und Köln - ist das allerdings genau das Richtige.
Konzerte am Sonntagnachmittag haben im Hafen 2 Tradition. Zumeist wird mit den Auftritten ein Connaisseur-Publikum angesprochen, das in kleiner Runde im Saal bei Kaffee und Kuchen die Indie-Folk-Stars von morgen und übermorgen erlebt. An diesem ersten Mai-Wochenende allerdings sorgen 30 Grad und Sonnenschein dafür, dass das Gastspiel von Katie Von Schleicher und ihren beiden auch in der Band von Jolie Holland aktiven Musikern kurzerhand auf die Open-Air-Bühne des weitläufigen Hafen-2-Freigeländes verlegt wird. Intimes Club-Feeling und Kenner-Publikum werden so gegen eine kleine Bühne mit einer etwas überforderten PA direkt am Ufer des Mains, auf der Wiese verteilte Gartenstühle, umherwuselnde Kinder und Familienausflugsatmosphäre eingetauscht, in der die nächste Runde Kaltgetränke mindestens so wichtig ist wie das musikalische "Rahmenprogramm". Dass direkt neben der Bühne einige Schafe (!) faul in der Sonne liegen und hin und wieder für "pet sounds" sorgen, ist da praktisch noch das Gewöhnlichste.

So richtig geheuer ist Katie das Setting für ihren Auftritt augenscheinlich nicht, doch auch wenn die introvertierte junge Dame aus Brooklyn leider praktisch vollkommen auf die humorvoll-scharfsinnigen Ansagen verzichtet, mit der sie sonst ein wenig die Schwere aus ihren tiefgründen Liedern nimmt, gelingt es ihr - zu ihrer eigenen Überraschung - am Ende dennoch, das Publikum zu begeistern. Dabei wählt sie einen Einstieg, der düsterer nicht hat sein können. In einer Mischung aus Mini-Soundcheck und fliegendem Konzertbeginn spielt sie das von ihrer Mutter handelnde "Isolator" solo vorneweg und beeindruckt damit sogar ihren Gitarristen. "Ich habe dich das noch nie solo spielen hören, mir war gar nicht klar, wie heftig der Text ist", flüstert ihr Adam anschließend zu. Doch Katie ist nicht nach Offenbach gekommen, um ihr Familienleben und ihre Therapiererfahrungen vor Publikum auszubreiten, sondern um mit sonnendurchfluteten Songs im Breitwandformat, dezentem Rumpelkammer-Charme und in die Jetztzeit transportiertem Vintage-Pop-Flair zu unterhalten - und das tut sie in der folgenden Stunde auch.

Erklärten Liebhabern von Katies Frühwerk mag die Abkehr von sinisteren Balladen zu weit gehen, doch genauso wie der Phil-Spector-Vibe ihrer feinen aktuellen LP "Shitty Hits" bereits ein deutlicher Schritt weg von ihren früheren Songs mit Selbstzerfleischungs-Lyrik war, ist auch diese Neuorientierung letztendlich nichts anderes als eine konsequente Weiterentwicklung. Zudem gibt es mit dem gespenstischen "Hold" und dem sanft Americana-umwehten "Mary" auch in Offenbach einige Glanzlichter im zurückgenommenen Indie-Folk-Gewand zu hören, und bei "Ronny" bittet Katie ihren Drummer nach den ersten Takten sogar, den kriechenden Beat des "Bleaksploitation"-Highlights noch ein wenig langsamer zu spielen!

Im Mittelpunkt aber stehen knackig kurze Lieder mit ordentlich Wumms und Selbstvertrauen, wie die neue Single "Glad To Be Here", ein rasant-lärmender, namenloser neuer Song, der auch gut auf "Last Splash" von den Breeders gepasst hätte, und Katies Hit für die Ewigkeit, "Life's A Lie". Dass sich diese Lieder aller oberflächlichen Verschrobenheit zum Trotz mit klassischer Zeitlosigkeit und unwiderstehlichem Ohrwurmpotenzial fast unbemerkt in die Gehirnwindungen der Zuschauer fressen, zeigt auch die Publikumsreaktion, die selbst die Protagonistin so nicht erwartet hätte. Zuerst verlangen ihr die Zuschauer mit "Nothing" eine ob der äußeren Umstände eigentlich gar nicht geplante Zugabe ab, und nach dem Konzert muss sie sogar noch Merch-Nachschub aus dem Tourmobil holen, weil die Nachfrage viel größer ist als vermutet. Dabei ist das natürlich eigentlich nicht besonders verwunderlich. Es unterstreicht nur einmal mehr, dass Katies Hits gar nicht so shitty sind, wie uns der Titel ihres Albums glauben machen will.

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Surfempfehlung:
www.k-v-s.net
facebook.com/KatieVonSchleicher
katievonschleicher.bandcamp.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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