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Nature Girl

Emily Millard

Duisburg, Privatkonzert
18.03.2017

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Emily Millard
Viele - um nicht zu sagen zu viele - kanadische Songwriter(innen) haben ja in Bezug auf ihre musikalische Aussage eine geradezu unselige Affinität zu ihrem südlichen Nachbarn und bemühen sich nach Kräften, so US-amerikanisch wie nur irgend möglich zu klingen. Emily Millard (die bis vor kurzem unter ihrem Künstlernamen Miss Emily Brown agierte, den sie aber nun abgelegt hat), die aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Ottawa stammt, aber zur Zeit in Montreal lebt, gehört freilich zweifelsohne nicht zu dieser Kategorie, sondern legt Wert darauf, eine eigene, kanadische Identität in ihren Songs zum Ausdruck zu bringen.
"Ja, ich denke es liegt an der Poesie, die ich verwende", erklärt Emily diesen Umstand, "und an den Natur-Referenzen. Die aktuelle Scheibe 'By Heron & By Season' entstand zum Beispiel, als ich eine Zeit lang auf einer kleinen Insel in der Nähe von Vancouver Island an der Westküste lebte, als ich vom Ozean, dem Wald und Seen umgeben war. Und all das hat diese Scheibe natürlich beeinflusst - die Poesie und möglicherweise auch die Musik." Für diese These gibt es auf der Scheibe auch ein besonders schönes Beispiel, nämlich den Song "Eisblumen", den Emily bei dem Konzert auch - versehen mit einem wunderschönen, kammermusikalischen Streicher-Arrangement - präsentierte. "Es gibt im Englischen kein Äquivalent des deutschen Wortes 'Eisblumen', das ich kennen lernte, als ich mit Alin Coen auf Tour war", erklärt Emily, "ich finde aber das Bild aber so schön, weil man so etwas sieht, wenn es kalt ist. Und als ich den Song schrieb, hatte ich die Idee, dass Eisblumen doch eine schöne Metapher für die Hartnäckigkeit der Natur - und vielleicht auch der menschlichen Natur - wären, denn sie 'blühen' ja, obwohl es kalt ist und sind ein schönes Sinnbild, dafür, dass man sich Herausforderungen und Widerständen erfolgreich entgegen stellen kann."
Die Musik an diesem Abend - einen eleganten Mix aus Folk, Jazz, Pop und einer Prise Soul - war dabei bestens geeignet, die eher poetischen Gedankenspiele sozusagen anschaulich zu illustrieren. Bei dem Duisburger Privatkonzert hatte Emily nämlich eine fünfköpfige Band dabei. Dabei präsentierte Emily dann ein buntes Potpourri aus alten und neuen Songs und einigen ausgewählten Cover-Versionen - was auch ihre musikalischen Inspirationsquellen offenbarte. "Großen Einfluss auf meine Musik haben ohne Zweifel Joni Mitchell und Neil Young - denn das war der Künstler, auf den sich in meiner Jugend immer die ganze Familie einigen konnte", beschreibt Emily diese, "dann half mir Nina Simone, mich mehr mit dem Jazz zu beschäftigen und auf dieser Scheibe Mark Hollis von Talk Talk, Bill Withers und eine verstorbene Sängerin namens Lhasa De Sela, die lange Zeit in Montreal lebte und die ich sehr verehrte." Lhasa De Sela kennt man bei uns durch ihre Beiträge bei Projekten von Devandra Banhart oder den Tindersticks. Insofern passte es denn auch, dass Emily "The Lonely Spider" von Lhasa spielte - ebenso wie "Grandmothers Hands" von Bill Withers, wobei im ansonsten eher folkigen Setting tatsächlich echte Soul-Grooves zum Tragen kamen. Dabei zeigte sich die Band überhaupt als wandlungsfähiges Ensemble, das Emily, die selbst mit Ukulele, Gitarre, Auto-Harp und Keyboard agierte, auf bemerkenswert abwechslungsreiche, zum Teil gar lautmalerische Art und Weise unterstützte. Dabei kamen elektrische und akustische Gitarren, Cello, Bass, Violine, ein Drumkit und zahlreiche Percussion-Instrumente zum Einsatz, die auf kunstvolle Art und Weise miteinander verwoben und immer wieder in neue Zusammenhänge gesetzt wurden.

Das alles hängt mit der Art zusammen, mit der Emily Millard ihre Stücke "konstruiert". "Wenn ich einen Song schreibe, dann beginne ich immer erst mit einer Improvisation, bis ich etwas Interessantes finde", erklärte sie vor der Show, "weil ich nämlich wirklich keine virtuose Musikerin bin. Ich muss also erst immer herausfinden, was ich da eigentlich habe und was ich damit machen kann. Was ich mag, ist einen Song über den Zeitbogen - vom Anfang bis zum Ende - zu schreiben; anstatt also mit Fragmenten zu arbeiten, die ich dann später zusammenfüge." Dieser Umstand macht sich im Live-Setting insofern bemerkbar, als dass die Songs auch hier einem improvisatorisch inspirierten Flow folgen. Im Zentrum dieses Prozesses steht dabei stets die Sprache als Anker. "Ich habe immer eine recht gute Vorstellung davon, wenn ein Gedanke beendet ist - und dann ist auch der Song fertig", erläutert Emily, "ich strukturiere meine Songs also um die Texte herum." Dem Zuhörer hilft das nur bedingt weiter, denn die Art von Texten, die Emily bevorzugt, quellen geradezu über vor poetischen Bildern und Metaphern, die nicht ohne weiteres zu entschlüsseln sind - sofern Emily diese nicht selbst erläutert. So erfuhren die Fans an diesem Abend zum Beispiel von den Hintergründen der einzelnen Geschichten hinter den Worten. Emilys letzter Longplayer, "In Technicolor", beschäftigt sich etwa mit der Geschichte ihrer Großmutter Leonora, die diese in Form ihres Tagebuchs hinterließ (bei Emily nun als "Diary Of Amy Briggs" verewigt). Überhaupt beschäftigt sich Emily in ihren Songs viel mit ihrer Herkunft. "Toxic Town" ist dabei eine Hommage an ihren Heimatort, der - aufgrund einer Landreform - dereinst verschoben wurde und heutzutage teilweise unter Wasser liegt. Der Einstieg in den Abend erfolgte gar über den Vortrag eines Gedichtes. Worte sind Emily Millard also schon sehr wichtig. Es ist aber nicht so ganz einfach, diese Worte zu deuten.

"Also, es geht mir darum, meine Psyche auszuloten und dann zu versuchen, Bilder zu finden, meine Ideen oder Gefühle zu verdeutlichen. Es ist eine Art symbolischer Reise." Wie zum Beispiel bei dem Song "Hunter", der an diesem Abend natürlich auch gespielt wurde. "Darin geht es um den Geist und die Fähigkeit, seine Gedanken zu konzentrieren und die Dinge, die dich ablenken können auszublenden. Ich versuche, eine musikalische Landschaft mit Bildern zu erschaffen, die den Zustand in meinem Kopf widerspiegelt." Da der Zuhörer so etwas nicht wissen kann, ist er darauf angewiesen, sich seine eigenen Gedanken zu Emilys Texten zu machen. Vielleicht führt das dann auch zu einer Art gespannter Aufmerksamkeit im Publikum, wie sie auch in Duisburg zu beobachten war. In geeigneter Konstellation - etwa bei jazzigen Nummern wie "Snakecharmer" - ergab dies fast meditative Grund-Vibes. "Manchmal fühle ich mich auch wie Meditations-Führerin, die ein musikalisches Setting erzeugt und bestimmte Worte anbietet, aus denen die Zuhörer dann ihre eigenen Vorstellungen und Bilder gestalten können." Das soll jetzt keineswegs bedeuten, dass ein Emily Millard-Konzert dabei zu einer esoterischen Veranstaltung wird, denn alleine die virtuose Energie der Musiker und Emilys intensive Darbietung sorgen schon für Abwechslung und musikalische Spannung. Es heißt aber, dass Emily Millard keine klassische Storytellerin ist. Dem Publikum war das freilich einerlei und so kam es dann, dass Emily am Ende des Konzertes gleich mehrfach für Zugaben auf die Bühne zurückzukehren musste. Insgesamt zeigte Emily Millard mit dieser Show, dass man sich keineswegs an standardisierten Schemata orientieren muss, um als Songwriterin ein Publikum - auch gegen jedwede Erwartungshaltung - für sich gewinnen zu können; wenn man nur eine nachvollziehbare, eigene Vision besitzt.

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Surfempfehlung:
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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