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Wolkenreise

Lilly Among Clouds

Köln, Die Wohngemeinschaft
15.01.2016

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Lilly Among Clouds
"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", sang dereinst der Liedermacher Reinhard Mey. Nun ist das aber so, dass Lilly nicht über den Wolken schwebt, sondern mitten drin - und dort ist ja bekanntlich energetisch eine Menge los. Das hat musikphilosophisch wohl zur Folge, dass für Lilly das unbekümmerte Tagträumen nicht ausschlaggebend ist, sondern sie als Songwriterin und Performerin - bei aller künstlerischen Freiheit - noch mit beiden Beinen auf dem Boden steht (bzw. hinter dem Keyboard sitzt), auch wenn ihre anspruchsvollen Piano-Art-Pop-Songs durchaus mit heiterer Gelassenheit und angenehmer, aber keineswegs unerträglicher Leichtigkeit daher kommen.
Aber vielleicht mal der Reihe nach: Elisabeth Brüchner alias Lilly ist eine junge Songwriterin aus Würzburg, die schon seit längerer Zeit emsig über unsere Bühnen huscht, aus irgendwelchen Gründen in Finnland recht erfolgreich ist, Ende letzten Jahres eine zurecht vielbejubelte EP in Eigenregie herausgebracht hat und zur Zeit an ihrer ersten "richtigen" CD arbeitet. Anlässlich der Veröffentlichung der besagten EP ist Lilly nun auch offiziell als Headlinerin auf Tour und machte auch in der Kölner Wohngemeinschaft Halt. Bemerkenswert bei all dem wäre vielleicht noch anzumerken, dass das Konzert durchaus ausverkauft war - was angesichts dessen, dass es noch keine regelgerechte Promotion gibt, eigentlich schon erstaunlich ist, denn normalerweise haben es "ungesignte" Newcomer ja eher schwer in der Domstadt. Es scheint aber dann doch so zu sein, dass sich Qualität zuweilen eben doch durchsetzt. Oder vielleicht anders formuliert: Auch bei uns kann man also "Fräuleinwunder".

Lilly ist auf diesem Tourabschnitt nicht mit ihrer "normalen" vierköpfigen Band unterwegs, sondern - zusammen mit Multiinstrumentalist Gunnar Ennen und Drummer Sebastian Deufel - im Trio-Format. Das war für die kleine Bühne der Wohngemeinschaft sicherlich sinnvoll - bedeutete aber leider auch, dass Lilly die ganze Zeit hinter ihrem Klavier hocken blieb (und sich gelegentlich die Gitarre von ihrem "menschlichen Stimmgerät" Gunnar reichen ließ). Musikalisch fiel das ganze aber gar nicht so sehr auf, da man zusätzliche Parts einfach per Einspielung ergänzte und Gunnar das mit dem Multiinstrumentalistentum durchaus besonders ernst nahm und zwischen Gitarren, Bass und Keyboards munter hin und her wechselte. Fehlen tat das eigentlich nichts - auch wenn die opulenten Arrangements, die etwa auf der EP zu hören sind, natürlich nicht vollständig emuliert werden konnten. Aber darum ging es ja auch nicht, denn im Zentrum standen natürlich Lillys grandiose Songs und ihr beeindruckend druckvoller Gesang. Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche Stimmvolumina zuweilen aus solch zierlichen Persönchen wie eben Lilly hervorbrechen können - und Lilly kann wahrlich mit den besten ihrer Zunft mitcroonen. Z.B. mit Fiona Apple, mit der sie - nicht ganz zu unrecht - wegen einer ähnlichen Tonlage und ähnlich clever konstruierten Songs verglichen wird; auch wenn sie längst nicht so durchgeknallt erscheint, wie ihre Kollegin.

Lilly schreibt persönlich gefärbte, autobiographische Songs, die sie aber - mit viel Empathie - auf ein durchaus universelles Level zu hieven versteht. Es gehört ja zu den Königsdisziplinen guter Songwriter(innen), sich in andere Charaktere bzw. Menschen hineinversetzten zu können, und so macht sich Lilly durchaus ihre Gedanken über die Zusammenhänge in ihren Songs und deren Wirkung auf andere. Ein gutes Beispiel ist der - auch auf der EP vertretene - Track "Remember Me", in dem es nicht einfach darum geht, dass Lilly sich im kollektiven Gedächtnis verankert sehen möchte, sondern darum, dass nur echte Menschen, mit ihren Ecken und Kanten überhaupt in Erinnerung bleiben können und Lilly in dem Song dann gar dazu auffordert, man selbst zu sein. Das jedenfalls erklärte sie zwischen den Tracks - und nahm sich für diese Erklärungen auch durchaus Zeit, was ein angenehmer Zug ist, denn gerade junge Performance-Künstler haben ja gerne mal das Problem, dass sie zu introvertiert rüberkommen. Und das ist ein Vorwurf, den man Lilly nicht machen kann - selbst wenn sie meist mit geschlossenen Augen singt. Bemerkenswert ist bei all dem auch der Umstand, wie souverän sie dabei mit der englischen Sprache hantiert, wofür sie indes auch das richtige Rezept hat: In einem Interview sagt sie, dass sie beim Song-Schreiben in Englisch denke - und das ist genau das, woran viele "Nicht-Muttersprachler" gerne scheitern (indem sie nämlich ihre Songtexte übersetzen).

Musikalisch bietet Lilly eine Menge an: Viele ihrer Stücke basieren offensichtlich auf Balladen (wie z.B. der treffend betitelte Song "The End", den sie als zusätzlich herausgeklatschte Zugabe spielte) - aber es gibt auch alle möglichen Formen von Up-Tempo-Songs, die mal folky, mal angerockt und mal mit Disco- oder Elektronik-Elementen daher kommen. Dafür, dass das nicht alles in beliebiger Partylaune verpuffte, sorgte der enorme Tiefgang von Lillys Material mit einer ernsthaft/düsteren Note (auch so eine Parallele zu Fiona Apple). Wohl nicht umsonst nannte Lilly ihr Projekt eine Zeitlang auch mal Lilly Among Thorns. So richtig langweilig (oder wichtiger noch: vorhersehbar) wird es also nie. Lilly scheut songwriterisch auch nicht die große Geste, sondern wartet mit starken Melodiebögen und hymnischen Refrains auf. Wirklich nötig, das Publikum zum Mitsingen aufzufordern, hätte sie eigentlich nicht. (Es funktionierte dennoch ganz gut.) Natürlich bietet Lilly momentan noch ein eher übersichtliches Programm - legte aber Wert darauf, dieses nicht künstlich mit Coverversionen zu strecken - denn es geht ja eben um Lilly selbst. Insgesamt war dieses Konzert dann auch deswegen so erfolgreich, weil man als Zuhörer hier tatsächlich auch etwas über Lilly erfahren konnte. Auf jeden Fall ist das ein Act, den man im Auge behalten sollte. Die erwähnte offizielle Debüt-CD ist jedenfalls für dieses Jahr fest ins Auge gefasst...

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Surfempfehlung:
www.lillyamongclouds.com
www.facebook.com/music.lilly
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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