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Konzert-Bericht
 
Helle Schatten

Andrea Schroeder
Evi Vine

Münster, Gleis 22/ Köln, Studio 672
09.04.2014/ 13.04.2014

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Andrea Schroeder
In Münster war Andrea Schroeder die Größte. Mit ihren hohen Absätzen überragte die Berliner Sängerin, ganz in Schwarz und mit Pelzkragen, die vier Musiker ihrer Band deutlich - und auch musikalisch war sie bei ihrem Auftritt in der westfälischen Metropole auf Augenhöhe mit den ganz Großen der düster-atmosphärischen alterativen Pop- und Rockmusik. Vor zwei Jahren ließ sie mit ihrem ersten Album, "Blackbird", bereits aufhorchen, und mit ihrem abermals von Chris Eckman (The Walkabouts) produzierten Zweitwerk "Where The Wild Oceans End" unterstreicht sie nun, dass ihr ausgezeichneter erster nächtlicher Streifzug durch die Hauptstadt kein Glückstreffer war. Das bewies auch ihr Konzert im Gleis 22 eindrucksvoll, denn auch auf der Bühne passte alles perfekt.
Zunächst allerdings verströmte die Britin Evi Vine eine knappe halbe Stunde lang undergroundigen Gothic-Folk-Charme. Während ihre Studioaufnahmen bisweilen zwischen Leonard Cohen und den Cocteau Twins einsortiert werden, wirkte sie auf der Bühne eher wie die kleine, herausgeputzte Schwester von Sharon Van Etten, als sie mit leicht entrücktem Gesang, elektrischer Gitarre und einer Menge Effekte in ihre tiefgründig-grüblerische Welt einlud. Nur die helle Beleuchtung auf der Bühne wollte nicht so recht dazu passen.
Auch beim Auftritt von Andrea Schroeder wurde das Licht nicht gedimmt. Kein "Munkeln im Dunkeln" also, wie der Kollege Ullrich Maurer vor einem Jahr seinen Bericht vom Konzert in Köln überschrieben hatte. Dennoch brauchte es nur wenige Takte des Openers "Paint It Blue", bis der gesamte Saal von der besonderen Melancholie erfüllt war, die Andreas Musik heraufbeschwört. "Sie hat diese Stimme, der man ein Leben lang zuhören will, weil sie so wohlig-warme Gefühle auslöst. Tief, düster, melancholisch, beschwörend, verrucht" hatte es in der Konzertankündigung vollmundig geheißen, doch das traf den Nagel auf den Kopf. Obwohl sich die Songs der beiden Alben bruchlos zusammenfügten, war der 80-minütige Ausflug ins Reich von Nacht und Schatten alles andere als eintönig. Von dunkel funkelndem Americana-Sound ("Dead Man's Eyes") über Flirts mit Songwriter-Pop ("Fireland") bis hin zu laut knarzenden Indiepop-Heulern ("Blackberry Wine") spannten Andrea und ihre internationalen Mitstreiter Jesper Lehmkuhl (Gitarre), Dave Allen (Bass), Chris Hughes (Schlagzeug) und Mike Strauss (Keyboards) den Bogen. Der neue Mann an den Tasten sorgte derweil dafür, dass die Protagonistin des Öfteren einfach das Mikro in die Hand nahm und sich ganz aufs Singen konzentrierte und nicht bei jedem Stück Harmonium oder Shruti-Box spielte. Ein Versuch, von den allgegenwärtigen Nico-Vergleichen loszukommen, war das allerdings wohl nur bedingt. Schließlich war mit "Kälte" der Song, der am stärksten an die frühere Velvet Underground-Sängerin erinnert, auch dieses Mal wieder im Programm. In Münster eröffnete das niederschmetternde Stück im Tandem mit der zweiten auf Deutsch gesungenen Nummer, der brillant entschleunigten Version von David Bowies "Helden", den Zugabenteil, bevor uns Andrea mit "Walk Into The Silence" noch ein letztes, zumindest musikalisch versöhnliches Gutenachtlied sang. Auf Ansagen, die dem Songmaterial etwas von seiner Schwere nehmen könnten, verzichtete sie dagegen auch in Münster weitestgehend. Nur das Lächeln, das ihr immer dann wieder übers Gesicht huschte, wenn ihr nach den Songs die begeisterten Publikumsreaktionen entgegenschwappten, ließ vermuten, dass sie trotz aller Schwermut in ihrer Musik gerade richtig Spaß an ihrem Tun hat.

Ein paar Tage später in Köln...

Was ließe sich wohl noch dem hinzufügen, was Kollege Carsten Wohlfeld zu dem Münsteraner Konzert von Andrea Schroeder gesagt hat? Der Kontext zum Beispiel, denn Andrea war schließlich vor fast genau einem Jahr bereits an gleicher Stelle aufgetreten und seither hatte sich dann doch so Einiges getan. Das aktuelle Album - "Where The Wild Oceans End" - erfuhr nämlich tatsächlich jene Aufmerksamkeit, die der Berliner Songwriterin eigentlich schon mit ihrem Debüt "Blackbird" gebührt hätte. Und so drängelten sich schon vor Konzertbeginn die neu hinzu gekommenen Fans vor dem Studio 672. Es war ja keine Frage, dass Andrea mit ihrem Americana-Noir-Mix und den (lieb gemeinten) Nico-Vergleichen einen Teilberiech des Nervs unserer Zeiten getroffen hatte - nun hat sie offenbar auch die betreffenden Protagonisten erreicht.

Wie auch in Münster durfte Evi Vine aus London das Konzert eröffnen - allerdings anders als in Münster keineswegs gut ausgeleuchtet, dafür aber mit ihrem Gitarristen Sam Astley. "Ich stimme eigentlich gerade nur - ihr könnt aber ruhig weiterklatschen", kommentierte die Dame, die in einer Wohngemeinschaft mit Ed Sheeran ihre Laufbahn begann, ein wenig verwundert die Vorschusslorbeeren, die ihr das Publikum zu teil werden ließ. Bei dieser Show gab es dann - dank nahezu konstanter Gitarren-Hall-Soundscapes Astleys sehr viel mehr Cocteau Twins-Feeling als Songwriter-Setting. Evi erklärte zudem gegen Ende des kurzen Sets ihr Programm so: "Das nächste Stück ist ein Liebeslied - meistens schreibe ich allerdings über den Tod." Das erklärte dann auch schlüssig den melancholischen Charakter ihres ambientmäßig dargebotenen Slowcore-Materials, das nur ein Mal ein wenig Energie entwickelte, als Astley seine Gitarre mit Autopilot zur Seite legte und ein wenig trommelte. Insgesamt passte die Sache aber recht gut zu dem, was dann folgen sollte - zumindest stimmungsmäßig.

Wenn man die Andrea Schroeder-Band von diesem und letztem Jahr vergleicht, so stellte sich heraus, dass diese heutzutage schlicht selbstbewusster auftritt. Und lauter. Denn was sich auf der Scheibe bereits andeutete, zeigte sich auch im Live-Kontext: Da holte Jesper Lehmkuhl des Öfteren mal die elektrische Gitarre hervor und auch ein Verzerrer wurde bemüht. Mehr als ein Mal kippten die Songs, die unscheinbar als klassische Düster-Balladen begannen so in regelrechte Orkane um (Etwa das bluesige "Dead Man’s Eye") oder kamen gleich im ruppigen Rock-Setting daher, wie z.B. "The Rattlesnake" oder sogar "Blackberry Wine" - was ja auf der ersten Scheibe noch als Folk-Ballade durchging. Andrea selbst ließ - wann immer möglich - die Finger von ihrem Harmonium und der Shruti-Box-Handtasche und betätigte sich stattdessen - mit dem Mikro in der Hand - als freischwebende Chansonniere. Wie bereits Carsten erwähnte, war dies durch Mike Strauss unauffälliges, aber passendes und vor allen Dingen variantenreiches Keyboard-Backing möglich. Zwar ist Andrea in der Zwischenzeit keineswegs zur Plaudertasche verkommen, schien aber doch mehr "beim Publikum" zu sein als bislang gewohnt. Nicht nur, weil sie ihre Instrumente erklärte und die Band vorstellte, sondern auch, weil sie den Blickkontakt suchte und zumindest ein paar Mal das Wort an das Publikum richtete (z.B. als sie fragte, ob dieses denn als letzte Zugabe gerne noch ein Gute Nacht-Lied hören wolle).

Die Deutsch gesungenen Tracks "Kälte" (sparsamer als beim letzten Mal) und "Helden" (fülliger als beim letzten Mal) wurden im Zugabenblock gespielt. Ein weiterer Unterscheid zum ersten Durchgang war die Tatsache, dass die Bühne dieses Mal zumindest nicht abgedunkelt wurde und dass selbst die inhaltlich ständig ins Dunkel führenden Stücke tatsächlich eine ganze Spur versöhnlicher und weniger Desolat dargeboten wurden. Letztlich ist das Licht am Ende des Tunnels dann auch daran zu erkennen, dass nicht mehr alles rabenschwarz gemalt wird, sondern - etwa mit "Paint It Blue" oder "Galaxies Of Blue" (neben "My Skin Is On Fire" ein weiterer Nicht-CD-Track) die ersten Farbtupfer Einzug halten in Andreas Klang-Universum. Insgesamt ist das genau jene Art von positiver Weiterentwicklung, die man sich eigentlich von allen Acts wünschte.





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Surfempfehlung:
www.andreaschroeder.com
www.facebook.com/andreaschroedermusic
www.evivine.com
www.facebook.com/pages/Evi-Vine-Music/205460922800126
Text: -Carsten Wohlfeld / Ullrich Maurer-
Foto: -Carsten Wohlfeld-

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