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Konzert-Bericht
 
Dunkelwalzer

Agnes Obel
Erin Lang

Köln, Kulturkirche
13.11.2013

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Agnes Obel
Als Agnes Obel bei uns mittels ihres Songs "Just So", der in einer Telekom-Werbung zum Tragen kann, quasi über Nacht eine breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, schadete es ihr im Folgenden nicht mehr, dass ihre Musik so ganz anders ist als die Art von Wegwerk-Pop, die man gemeinhin mit Werbe-Spots assoziiert. Denn die, die damals aus Neugier auf ihre Musik stießen, blieben als Fans bei ihr - auch, als das zweite Album "Aventine" fast noch asketischer und intimer ausfiel als das Debüt "Philharmonics". Das erklärte dann auch, wieso das Konzert in der Kölner Kulturkirche (in der sie übrigens ihre Laufbahn als Performerin begonnen hatte, wie sie in einer der wenigen Ansagen erklärte) schon lange im Vorfeld ausverkauft war.
Dass Agnes Obel - anders als viele andere, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, wie die zierliche Dänin - mit ihrem Shtick Erfolg hat, zeigt darüber hinaus, wie wichtig gerade heutzutage die richtigen Kanäle sind, um an die Öffentlichkeit zu gelangen. Wie dem auch sei: Die Kulturkirche ist natürlich der ideale Ort für eine Art von Musik, die in ihrer kammermusikalischen Intensität geradezu nach einem intimen Setting verlangt. Um diese Stimmung nicht zu gefährden, hatte Agnes als Support die Kanadierin Erin Lang eingeladen, die mit dem Ansatz, ihre zerbrechlich/atmosphärischen Songs solo vorzutragen, prinzipiell schon ganz richtig lag. Nun war das aber so, dass diese sich in den vorangegangenen Tagen dergestalt verausgabt hatte, dass ihre Stimme quasi schon fast nicht mehr existierte, sodass weder die Ansagen noch der Gesang wirklich zu hören waren. Hinzu kommt, dass Erins Songs - gleichwohl sie mit einer elektrischen Gitarre hantiert und einmal auch einen Bass und ein Omnichord zur Hilfe nahm - sowieso nicht gerade einen Ausbund an Dynamik und Präsenz darstellen. Und noch etwas erschwerte die Gemengelage: Erins Sprechstimme ist angenehm klar und tief. Sobald sie jedoch zu singen anfängt, klettert besagte Stimme zwei bis drei Oktaven in die Höhe, bis dann nur noch ein Kleinmädchen-Gepiepse verbleibt. Obendrein stellten Erins zwar zerbrechlich, aber enervierend monoton angerichteten Elaborate ein geradezu krasses Gegenstück zu der melodischen Vielfalt der Haupt-Akteurin des Abends dar, so dass das Support-Konzept wohl nur zum Teil aufging - auch wenn sich die beiden Künstlerinnen immerhin so gut verstehen, dass Erin bei der Zugabe bei der Präsentation des "Just So"-Hits nochmals auf die Bühne gebeten wurde.
Agnes Obel ist sicherlich auch keine geborene Rampensau, die die eigentliche Erfüllung ihres Tuns im Live-Vortrag sieht - hat dafür allerdings als Gegengewicht ihre liebevoll und detailreich inszenierten Kompositionen zur Hand, die das etwas spröde, introvertierte und demnach zurückhaltende Bühnen-Gehabe der Meisterin durchaus wieder auffangen. Allerdings hatte sich Agnes als Verstärkung noch die Cellistin Anne Müller (mit der sie bereits seit Beginn ihrer Laufbahn zusammen arbeitet) und die Violinistin Mika Posen mitgebracht (die schon auf "Aventine" zu hören ist, und die als assoziiertes Mitglied von Timber Timbre bekannt ist). Dennoch war das ganze Konzert zunächst mal auf Agnes Obels klassisch inspiriertes aber nicht auf Virtuosität basierendes Pianospiel ausgerichtet - was sich schon alleine durch den Umstand bemerkbar machte, dass nicht nur einige der Instrumentals, die sich im Kanon der Dänin angesammelt haben, im Programm befanden, sondern sowieso sehr viel mehr Wert auf die instrumentalen Zwischentöne gelegt wurde.

Agnes, die das Publikum in einer Mischung aus gebrochenem Deutsch und Englisch ansprach, hatte dann im folgenden Mühe, ihre Songs hinreichend zu erklären. Gleich mehrfach kam sie so zu dem Schluss, dass es sich um melancholische Songs handele, die aber dennoch nicht traurig sein sollten. Ehrlich gesagt, glaubte man ihr das nicht so ganz, denn erstens schreibt doch wohl kaum jemand glückliche Break-Up-Songs (auch keine Prä-Break-Up-Songs, wie sie es formulierte) und zweitens ist doch gerade die dezente Moll-Note ein Gütesiegel ihrer Kompositionen. Was wäre schließlich eine fröhliche Agnes Obel musikalisch noch wert? Nicht viel, vermutlich. Der Grund, warum ihre Stücke trotz aller Melancholie einen universellen Appeal besitzen, der diese nachvollziehbar und zugänglich macht, liegt zum einen natürlich am scheinbar unerschöpflichen melodischen Potential, das Agnes in ihren Tracks auslebt, wie auch an dem Umstand, dass die Mehrzahl ihrer Tracks schlicht und ergreifend Walzer sind - in ungewöhnlichen Settings zwar, zuweilen recht verdreht und eben ungewöhnlich moll-lastig, aber dennoch: Das Hm-Ta-Ta zieht sich wie ein roter Faden durch ihr ganzes Programm.

Dennoch kommt zu keiner Stelle Langeweile auf. Schon alleine dann, wenn die drei Damen mit ihren Instrumenten, Samplern und Effektgeräten ganze Symphonien aus dem Nichts aufbauten (wie bei "The Curse" etwa), erfüllte sich die Kulturkirche mit jener andächtig/liturgischen Stimmung, die dem Anlass angemessen erschien. Der allgemein pastorale/hymnische Charakter des Obelschen Oeuvres tat ein weiteres, das Konzert zu einer ergreifenden Angelegenheit werden zu lassen. Das einzige, was den Genuss vielleicht behinderte, waren die knochenharten Kirchenbänke. "Meine Bank ist aber ganz weich" scherzte Agnes auf ihre Piano-Bank deutend. Aber was solls: Ein büßerisches Element muss ja selbst in einer evangelischen Kirche irgendwo auch sein. Dass Agnes mit ihren neuen, in Berlin entstandenen Songs, kein Städteportrait entworfen hatte, wie das viele tun, die in Berlin arbeiten, sondern eine Art Vertonung einer parallelen Innenwelt, wurde bei diesem Konzert auch irgendwie deutlich. Viel Licht z.B. gab es nicht. Das Ganze muss auch ohne optische Anreize wirken - und das tut es schließlich auch. Popmusik ist das natürlich nicht und als Alleinunterhalterin ist Agnes Obel auch nur bedingt zu gebrauchen, aber was die musikalische Intensität, Eindringlichkeit und schlicht auch Schönheit ihrer Performances betrifft, gehört sie in die erste Reihe für die vielleicht nicht so offensichtlichen Konzertempfehlungen, deren Besuch sich allenthalben lohnt.

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Surfempfehlung:
www.agnesobel.com
www.facebook.com/agnesobelofficial
erinlang.bandcamp.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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