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Der Winter im Herbst

Bon Iver
Kathleen Edwards

Köln, E-Werk
30.10.2011

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Bon Iver
So gesehen ist Justin Vernon ja eigentlich die lebende Antithese des Popstars: Unrasiert und fern der Heimat präsentierte er sich als verkniffener, eher introvertierter Wurzelsepp mit fliehendem Haupthaar, der sich einzig über seine Musik, nicht aber über sein Aussehen oder seine Persona definiert. Seine Freundin, die Kanadierin Kathleen Edwards, die den Support auf dieser Tour machte, beschreibt die Sache recht treffend: "Da ist dieser Typ im Flanellhemd, der eine Scheibe in einer Blockhütte gemacht hat. Wieso kommt niemand auf die Idee, das als 'Americana' zu bezeichnen?" Keine Ahnung - aber jedenfalls hat Vernon spätestens mit dem Release seines zweiten Longplayers den Ruch des Americana-Künstlers hinter sich gelassen. Americana-Künstler haben nämlich nicht dermaßen erfolgreich zu sein und - wie Vernon - ein junges, gemischtes Publikum anzusprechen.
Mittlerweile zieht aber Bon Iver auch bei uns die Massen an. Das E-Werk war jedenfalls bis zum letzten Platz gefüllt - und das, obwohl die Galerien geöffnet waren. Das freute natürlich auch Kathleen Edwards, die so die Möglichkeit hatte, neben einigen ihrer bekannteren Nummern wie "Six O'Clock News" auch schon mal ein paar Songs ihres für nächstes Jahr anstehenden Albums "Voyageur" zu spielen (wovon einige, wie es der "Zufall" will, von Justin Vernon produziert wurden). Unterstützt von zwei ihrer Musiker an Gitarren und Keyboards betonte Kathleen hier die songwriterischen Aspekte ihrer Stücke, während auf den CDs - besonders der neuen - immer mehr auch die Produktion und die instrumentalen Feinheiten im Zentrum stehen. Erahnen konnte der Zuhörer das etwa bei dem Stück "Change The Sheets" - der von Justin produzierten B-Seite der aktuellen Überbrückungs-Single, das von einem Keyboard Riff angetrieben wird. Kathleen machte denn auch gleich ein wenig Werbung für ihre anstehende Tour im kommenden März, die sie übrigens mit der ganzen Band bestreiten wird. Highlight des Sets war indes eine interessant gedehnte und wunderschön arrangierte Cover-Version des Songs "From Hank To Hendrix" ihres Landsmannes Neil Young. "Ich liebe diesen Song", verriet Kathleen nach der Show, "ich habe Neil zuletzt in Massey Hall gesehen (wo dessen Karriere im Prinzip begann), wo er die Show mit diesem Stück eröffnet hat." Kathleen wies auch noch darauf hin, dass die Fans die anstehende Bon Iver Show mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen würden.
Dass dies kein normales 08/15-Konzert werden würde, war schon daran zu erkennen, dass die Bühne - außer mit einigen Leuchtmasten - mit Instrumenten dermaßen zugestellt war, dass die drei Support-Musiker kaum noch Platz fanden. Mit insgesamt zehn Musikern - darunter zwei Drummern und einer ganzen Blaskapelle - emulierte Vernon ziemlich perfekt das Setting, das er auch bereits auf "Bon Iver, Bon Iver" angerichtet hatte. Hier wie da begann er seine musikalische Weltreise durch die "Magical Places in the Make Believe World of Bon Iver", wie er es später bei der Ansage von "Calgary" formulierte mit der Nummer "Perth". Vernon hat zwischenzeitlich die Eigenart entwickelt, seine Stücke schichtweise aufzubauen. Die meisten Nummern schwellen irgendwo von Flüstern zu einem Orkan an und bieten - dank der vielen helfenden Hände - eine orchestrale Grandezza, die natürlich im Live-Setting besonders gut zur Geltung kam. Freilich braucht man als Bon Iver-Fan auch eine Prise Geduld, denn für den schnellen Pop-Hit ist Vernon nicht zu haben. Das war natürlich kein Problem, denn die Fans hingen an den Lippen des Auteurs - auch wenn das nicht immer ganz einfach war, denn Vernons eh schon brüchiges Organ rutschte zuweilen regelrecht weg und die Art, sich ständig in Falsett-Gefilden zu bewegen, ließ den Mann zuweilen ziemlich heiser klingen. Hinzu kommt, dass Bon Iver, die Live Band, zwar viel Wert auf inspiriertes Miteinander legt - aber nicht sehr viel auf Schönklang.

Dennoch klang die Sache selbst im akustisch schwierigen E-Werk recht ordentlich - wohl auch, weil man jedem Musiker gleich viel Bedeutung beimaß und nicht etwa der Tontechniker versuchte, einen bestimmten Sound zu "formen" (wie dies zum Beispiel zuletzt beim ganz ähnlich situierten Bright Eyes-Konzert der Fall gewesen war). Natürlich versuchte der bekennende Pro-Tools-Fan Vernon erst gar nicht, die Songs 1:1 nachspielen zu lassen - was aufgrund der vielen Details auch gar nicht so recht möglich gewesen wäre -, sondern ließ seinen Musikern auch hier jede Freiheit. Statt exakter Kopien gab es also Variationen der besagten Nummern, in denen Spielfreude und Dynamik gefragt waren. Die Bläser etwa kamen bei fast jeder Nummer - nicht nur den neuen Stücken - zum Einsatz und die Multiinstrumentalisten, die zwischen Blasinstrumenten, Gitarren, Geigen und Keyboards wechselten, sorgten zudem für Klangvielfalt. Zuletzt erwies sich die zuweilen schon mal redundante Idee, mit zwei gleichwertigen Drummern zu spielen, hier als goldrichtig. Mangels eigentlich schneller Stücke schafften es die beiden Herren nämlich, stellenweise dennoch ordentlich Druck zu machen und zogen gewaltig vom Leder. Ziemlich kontrolliert und punktuell zwar, aber dann doch so, dass das Publikum mitgerissen wurde - und die ganze Bühne bebte.

Vernon selbst ist kein großer Kommunikator und spielte oft mit geschlossenen Augen und mit dem Rücken zum Publikum. Das ist ihm aber selbst auch klar und so hatte er sich vor der Bühne ein paar Stichzettel für launige Ansagen gemacht und während der Solo-Passagen lenkte dann auch nichts weiter ab vom Meister. Die Lichttürme schließlich kamen zur Unterstützung der Dramaturgie zum Einsatz und gerieten nicht zum Selbstzweck. Auch wenn sich über die ganze Laufzeit eines Bon Iver-Konzertes dann zuweilen doch die einzelnen Songs sehr ähneln: Den Fans war das mit Sicherheit wurscht, denn die konnten gar nicht genug von ihrem unwahrscheinlichen Idol bekommen. Kathleen Edwards hatte da schon recht: Die Halle verließen die meisten dann tatsächlich mit einem Lächeln.

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Surfempfehlung:
www.boniver.org
www.facebook.com/boniverwi
www.kathleenedwards.com
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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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