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It's always raining in Reykjavík

Iceland Airwaves 2011 - Tag 2

Island, Reykjavík
14.10.2011

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Einar Stray
Nach einem anstrengenden ersten Festivaltag sollte Tag 2 zumindest etwas ruhiger werden. Wenigstens auf dem Papier. Nach leckerem Kaffee und Kuchen im gemütlichen Café C is for Cookie, das am Freitagnachmittag in fester Hand deutscher Festivalgäste war, wollten wir uns gut gestärkt ins Getümmel stürzen. Leider mussten wir schon relativ früh am Tag erfahren, dass die dänisch-isländischen Frickel-Popper von Mimas aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatten. Zusätzlich spielte der isländische Wettergott am Freitag nicht mit: Eisiger Wind peitschte durch die Straßen Reykjavíks und ließ den immerwährenden Regen beinahe waagerecht fallen. Das führte dazu, dass die Straßen teilweise wie leergefegt wirkten.
Unser Tagesprogramm sollte nach Plan um 17:00 Uhr mit Hjaltalín im KEX Hostel starten. So machten wir uns bei erwähntem Mistwetter auf den beschwerlichen Weg, nur um festzustellen, dass Hjaltalín in Island wohl so etwas wie Volkshelden sein müssen: Vorm Hostel war die Einlassschlange schon etwa dreißig Meter lang - selten hat man ein Hostel mit Türstehern gesehen.

Also ließen wir uns vom Regen weiterpeitschen - und wurden ganz unverhofft in die Ingólfstraeti Hausnummer 8 gespült - eine Privatwohnung. Dort waren die Räume bis zum Anschlag vollgestopft mit Menschen, an einer improvisierten Theke vor der Abstellkammer wurde Bier gereicht und von zahllosen Händen dankend angenommen. Aus dem Wohnzimmer pumpte lautstark der Bass eines Housetracks - ohne Zweifel waren wir hier mitten in eine halbprivate Hausparty geraten. Der Fotopinnwand und den goldenen Schallplatten auf der Toilette nach zu urteilen, gehört die Wohnung vermutlich Högni Egilsson, dem Sänger und Frontmann eben jener isländischen Folk-Allstars Hjaltalín. Wenn wir sie schon nicht live sehen können, inspizieren wir eben ihre Wohnungen. Nach wenigen Minuten schob sich eine blonde junge Frau durch die feiernde Menge, um sich zum hart arbeitenden DJ durchzukämpfen. Ihr Name: Thórunn Antonía. Der DJ: Berndsen, einer der wichtigsten Elektro-Künstler und DJs Islands. Zusammen legten die beiden eine tolle Show mit fetten Housebeats, 80er-Jahre-Synthie-Sounds und Antonías lässigem Gesang hin, sodass nach kurzer Warmlaufphase die gesamte Wohnung vor tanzenden Menschen bebte. Auf der Party hätte man sich vermutlich noch die ganze Nacht um die Ohren schlagen können, ohne sich auch nur eine Sekunde zu langweilen. Um noch ein paar andere Bands und Künstler sehen zu können, mussten wir aber leider weiter. Das ist der Fluch von Iceland Airwaves - eigentlich möchte man immer an mindestens dei Orten gleichzeitig sein.

Unser nächster Stopp war das erst im Mai 2011 eingeweihte Konzerthaus Harpa am Hafen von Reykjavík. Ein wenig muss man sich wundern, wie das von der Wirtschafts- und Finanzkrise schwer erschütterte Island so einen Prachtbau überhaupt fertigstellen konnte - im Gegensatz zu Hamburgs Elbphilharmonie beispielsweise. Hier gab es jedenfalls den norwegischen Songwriter und Komponisten Einar Stray mit seiner Band in der etwas kleineren, aber nicht minder beeindruckenden Konzertkammer zu sehen. Und eine bessere Kulisse als das Harpa, in der sonst klassische Konzerte des isländischen Symphonieorchesters stattfinden, kann man sich für den Breitwand-Pop der Norweger kaum vorstellen. Begleitet von Geige, Cello, Bass und Schagzeug saß Stray am opulenten Steinway-Flügel und konnte die Schönheit des Moments scheinbar selbst kaum fassen. Nach einem atemberaubenden Set vor mucksmäuschenstillem Publikum verbeugte Stray sich tief und signierte für Fans auch noch seine CDs.

Vom Harpa ging es direkt zum Reykjavíker Kunstmuseum, neben dem Harpa das größte Venue ds Festivals. Hier begannen gerade die isländischen Post-Rock-Jungstars For A Minor Reflection ihren Auftritt. Nachdem man noch am Donnerstag angesichts von Häuserblock-langen Schlangen praktisch keine Chance hatte, ins Kunstmuseum zu gelangen (u.a. spielten hier Beach House), war der Saal am Freitag überraschenderweise nur mäßig gefüllt. Das trug allerdings auch zur wenig mitreißenden Stimmung bei, aber For A Minor Reflection wussten mit ihren recht einfallslosen Arrangements auch nicht unbedingt zu überzeugen.

Besser machten es gleich nebenan im Amsterdam die drei Berliner von Ter Haar. Mit zackigen Beats, Elektronikelementen und frickeligem Gitarrenspiel zwischen Post- und Math-Rock konnte das Trio die anwesenden Gäste, vor allem aber den halbnackten, tätowierten Derwisch in der ersten Reihe überzeugen. Ter Haars vertrackter Sound wirkte in der urigen Rock-Kneipe vielleicht etwas deplatziert, zog aber im Laufe ihres Gigs immer mehr Leute von der Straße an.

Für einen kurzen Augenblick schauten wir noch einmal im Kunstmuseum bei Agent Fresco vorbei. Die isländische Band ist spätestens seit dem letzten Iceland Airwaves zumindest in Island schwer im Kommen. Für ihren hochemotionalen und vor Pathos triefenden Bombast-Pop muss man wohl aber Isländer sein, um zumindest die Texte verstehen zu können. Deshalb entschieden wir uns für Who Knew, die schräg gegenüber im Gaukur A Stöng spielten. Who Knew hatten uns schon beim diesjährigen Immergut Festival begeistert - komischerweise ließ sich das ansonsten so ausgelassene isländische Publikum etwas länger bitten als die Neustrelitzer Festival-Meute im Mai. Dann aber sprang der Funke über und der gesamte Club wurde zu einer einzigen Pogo-Party inkl. Crowd-Surfing von Sänger Ármann Ármannsson.

Anschließend wurde schnell klar, warum man am Freitag so leicht ins Kunstmuseum kam: Der Place to be war an diesem Abend eindeutig das NASA. Etwa hundert Meter Schlange verwehrten den Einlass. Drinnen spielten noch Niki And The Dove ihre letzten Lieder, während man draußen auf Tune-Yards wartete. Nach kurzer Zeit gewährte man uns trotzdem Einlass in den proppevollen Club. Tune-Yards, also Merrill Garbus mit ihrer Band, spielten ein furioses Konzert mit einem Best of aus ihrem aktuellen Album "W H O K I L L". Schon als die ersten Takte von den Hits "Gangsta" und "Bizness" angestimmt wurden, rastete die Menge völlig aus - definitiv ein Festival-Highlight. Garbus selbst war am Ende völlig überwältigt von ihrem Publikum. So etwas wie am Freitagabend in Reykjavík hat sie vermutlich auch noch nicht erlebt.

Zum Abschluss von Tag 2 lieferte das Quartett Clock Opera aus Großbritannien ein druckvolles Konzerterlebnis mit Gänsehautpotenzial ab. Das NASA hatte sich zum Glück etwas gefüllt, nachdem die Security die allzu betrunkenen isländischen Teens aus dem Club transportiert hatte. Mit Clock Opera bewies die Crew vom Iceland Airwaves mal wieder ein gutes Gespür für neue, interessante Acts, von denen man in Zukunft noch hören wird: Ihre Mischung aus schnellen Electro-Beats und großen Gefühlen macht sich sowohl im Club als auch im Wohnzimmer hervorragend. Einzig Frontmann Guy Connelly muss noch ein wenig an seinen Indiemoves arbeiten - das können die berühmten "Roboter" von Kraftwerk deutlich besser. Trotzdem ließ sich das Publikum von stampfenden Bass ordentlich mitreißen und setzte die ausgelassene Party, die mit Tune-Yards begonnen hatte, fort.


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Surfempfehlung:
www.icelandairwaves.com
www.lastfm.de/festival/1725110+Iceland+Airwaves+2011
www.facebook.com/icelandairwavesfestival
www.flickr.com/photos/icelandairwaves
de.wikipedia.org/wiki/Iceland_Airwaves
Text: -Felix Maliers-
Foto: -Svea Schuhmann-


 
 

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