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Konzert-Bericht
 
Emotional Rescue

Ken Stringfellow
Matt Keating

London, The Borderline
28.08.2001
Ken Stringfellow
Vielleicht hat es daran gelegen, daß diese Show als offizielle Album-Präsentation angekündigt worden war, vielleicht lag es am heimeligen Ambiente des Borderline, oder - und das erscheint im heutigen Musikbiz schon fast als eine gewagte These -vielleicht auch einfach nur daran, daß an diesem Abend zwei großartige Künstler zu Gast waren. Jedenfalls war es fast ungewöhnlich voll. Daß Ken Stringfellow solo mehr Leute mobilisieren konnte als zusammen mit seiner Band, den Posies, wenige Tage zuvor, mag etwas verwundern, an der Tatsache, daß das Publikum ausschließlich für den Rotschopf aus Seattle gekommen war, änderte dies nichts.
Matt Keating
Folglich war es keine Überraschung, daß der New Yorker Matt Keating zwar artigen Applaus bekam, aber nicht gerade hymnische Begeisterung auslöste. Was eigentlich ziemlich schade war, denn nachdem er mit seinem neuen Album "Tiltawhirl" den Wandel vom obskuren elektrischen Gitarrenpop zum Folkie mit Akustikklampfe scheinbar mühelos vollzogen hat, wäre ihm ein wenig mehr Beachtung sicherlich zu wünschen gewesen. Denn im Gegensatz zu vielen ähnlich orientierten Künstlern, die nur im eigenen Mitleid baden, ist Keating als beobachtender Story-Songwriter große Klasse. Manchmal fehlte zwar hörbar die Band, die ihn auf seinem Album unterstützt, und so war "Successful" nicht ganz das Highlight, das es hätte sein können, aber Songs wie "Jacksonville" klangen auch live mehr als überzeugend. Humor bewies Keating, als er den in England bekanntlich schwer gehypten The Strokes einen Song widmete ("Sie wohnen nur eine Meile von mir entfernt, aber wir wissen nichts voneinander!") und - entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten - sogar einen Song auf dem eigentlich nur für Stringfellow bereitgestellten Keyboard zum Besten gab. Oder besser, es versuchte, denn das gute Stück gab - wie schon zuvor beim Soundcheck - auf halbem Wege den Geist auf.
Ken Stringfellow
Was vielleicht auch mit ein Grund war, warum Stringfellow - vor dem letzten Konzert einer vierwöchigen Europa-Tournee mit The Posies und Big Star, nach exzessiven Aftershow-Parties und einem Interviewmarathon in Köln am Vortag - eh gesundheitlich etwas angeschlagen, nicht in allerbester Stimmung war. Nach eigener Aussage bewegte er sich in puncto Gesundheit und Gemütszustand "so bei der 60% Marke". Während andere Künstler dies allerdings als Entschuldigung für eine wenig aufregende Show oder ein verkürztes Set benutzt hätten, war es für den nur mit seiner Glitter-Danelectro bewaffneten Amerikaner lediglich die Erklärung, warum er das Konzert ausgerechnet mit dem vielleicht besten Song seiner phänomenalen, Ende September erscheinenden zweiten Solo-LP ("Touched") begann. Aber während "Reveal Love" unter der Fünf-Uhr-Morgens-Katerstimmung noch etwas litt, wurde "Down Like Me" (Ken: "Die alte Geschichte: Junge verliert Mädchen, Junge denkt an Selbstmord, Mädchen bringt sich um, Junge fühlt sich beschissen") ebenso eindrucksvoll dadurch unterstrichen wie das niedliche, Drumcomputer-unterstützte Burt-Bacharach-Cover "Trains & Boats & Planes". Denn eigentlich passte die gedrückte Stimmung hervorragend zu den Songs, die mehr als nur vermuten lassen, daß sein Privatleben nicht gerade ein immerwährender Kindergeburtstag ist, auch wenn er das bei seinem schier unfaßbar zuvorkommenden und liebenswerten Umgang mit Fans, Medien und Plattenfirma nicht erkennen läßt.

Trotz seiner gesundheitlichen Probleme war es auch an diesem Abend wieder seine unglaublich flexible Stimme, mit der er es im Gegensatz zu Matt Keating jederzeit spielend schaffte, auch ohne eine Band im Rücken den Songs emotionalen Tiefgang und Wärme zu geben. So konnte man an diesem Abend die pure Verzweiflung, die aus "Too True" spricht, nicht nur an Kens Gesichtszügen ablesen, sondern auch besser als je zuvor in seiner Stimme hören. Das Publikum war tief beeindruckt - es dürfte selten ein Konzert gegeben haben, bei dem die Leute bei den Songs so andächtig und still gewesen sind. Auch bei den spirituell-angehauchten Songs konnte Ken seinen etwas derangierten Zustand effektvoll einsetzen, auch wenn es ihm wichtig war klarzustellen, daß er keine Pläne habe, zum Evangelisten zu werden, wie er augenzwinkernd erklärte: "Diese Songs haben überhaupt nichts mit den Kirchen zu tun, die ihr Europäer so gerne baut." Das ändert allerdings nichts daran, daß "The Lover's Hymn" dennoch ein weiteres Highlight des Abends war. Nachdem er uns dann mit "Here's To The Future" und einer wunderschönen Pianoversion des Beach-Boys-Songs "Good Timin'" sanft in eine laue Sommernacht entlassen hatte ("Zumindest so sanft, wie es mir derzeit möglich ist"), fragte sich so mancher im restlos begeisterten Publikum: "Wenn das nur 60% waren, wie gut mag Ken Stringfellow bei seinen Konzerten sonst sein?"

Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-

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