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Konzert-Bericht
 
Gemischte Gefühle

Damien Rice
The Magic Numbers

Köln, Palladium
11.03.2007

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Damien Rice
Irgendwann bekommt jeder Künstler das Publikum, das er verdient. Spätestens dann, wenn er aus reiner Raffgier ein Konzert nicht einmal, sondern gleich zweimal - vom kuscheligen Gloria ins E-Werk und später dann noch einmal ins Palladium - verlegen lässt. So wurde dann aus einem fachkundigen Singer / Songwriter-Publikum ein wilder Haufen blinder Heldenverehrer, die nicht gekommen waren, weil mit Damien Rice der andernorts bereits als "Godfather der Melancholie" bezeichnete Ausnahmekünstler auf der Bühne stand, sondern der Hype der Woche, zu dessen Konzert man einfach hin muss, wenn man auf der nächsten Oberstufenparty nicht alt aussehen will.
Dementsprechend wurden die tollsten Momente des Konzerts dann auch nicht ehrfürchtig beklatscht, sondern pubertär zerkreischt, und obwohl Mister Rice eher Rotweinmusik macht, floss auch vor allem das Kölsch in Strömen. Über das alles hätte man noch hinwegsehen können, ja, man hätte sich sogar für den Künstler freuen können, denn wann kommt es schon einmal vor, dass Qualität sich auch am Musikmarkt durchsetzt, doch leider wusste Rice nur zu genau, vor was für einem Publikum er im Palladium spielte. So tat er dann nicht mehr als das Nötigste - was mehr als genug war, um sein größtenteils unkundiges Publikum von einer Verzückung in die nächste fallen zu lassen. Anders ist es nicht zu erklären, dass auf dem Weg nach draußen eine Dame mit glänzenden Augen von der "Stimmgewaltigkeit" Rices sprach, nachdem er gesanglich gleich bei mehreren Nummern im Sound seiner fünfköpfigen Band abgesoffen war. Doch der Reihe nach.

Kurz nach 22.00 Uhr begann das Konzert, so wie man es erwarten durfte: Mit "Delicate", einer dieser wunderbar sanften, durch Cellistin Vyvienne Long streicherverzierten Akustikpop-Nummern, mit denen Rice erstmals vor vier Jahren auf seinem Debüt "O" begeistern konnte. Doch so leise blieb Rice nur kurz. Für den zweiten Song der jeden Abend rotierenden Setlist griff er bereits zur Stromgitarre, um mit "Me, My Yoke & I" einen tosenden Phon-Orkan zu entfachen, der eines Neil Young würdig gewesen wäre und die Albumversion des aktuellen Werkes "9" ganz locker in den Schatten stellte. Der irische Hauptdarsteller des Abends tat dagegen so, als sei nichts gewesen, und kehrte direkt danach zu seinem kammermusikalischen Repertoire zurück. Mehr noch. "Eskimo" sang er über weite Strecken ohne Mikro, was zwar einen niedlichen Klein Mädchen-Singalong initiierte, den Song aber für alle Zuschauer jenseits der ersten zehn Reihen zur Instrumentalnummer degradierte. Stimmgewaltig? Florence Ballard oder Grant Hart ist Rice jedenfalls nicht.

Co-Vokalistin Lisa Hannigan, der während des ganzen Auftritts viel Platz eingeräumt wurde, stand bei "9 Crimes" zum ersten Mal im Mittelpunkt, und nicht nur, weil sie die erste Strophe des feinen Duetts sang, sondern auch, weil sich Rice bei diesem Song zum ersten Mal aus der Bühnenmitte verabschiedete und sich an den Konzertflügel setze. (Kleiner Hinweis für all diejenigen, denen diese wahrlich schöne Nummer besonders gefallen hat: Am 26.04.2007 spielt Lisa Germano im Kulturbunker Köln - gleicher Sound, halb so teuer, doppelt so gut und insgesamt weniger Zuschauer als bei Rice allein in Reihe 1.)

Gesprochen hatte der Mann im brauen Cord-Sakko bis dahin noch nicht, doch als er dann einmal ans Reden kam, mochte er fast gar nicht mehr aufhören. Minutenlang erzählte er seinem Publikum Geschichten aus seiner Kindheit und schrubbte dazu - ganz in Folkie-Manier - ein paar Akkorde auf der Wandergitarre, bedankte sich ausführlich bei den Openern The Magic Numbers ("It's impossible to listen to them and not tap your foot and smile!") und stellte die folgende Nummer als einen der wenigen "uplifting" Songs seines Repertoires vor. Das war natürlich "Coconut Skins", an das sich eine streckenweise etwas zu effekthascherische Percussion-Jam anschloss, die sich erst spät als heimliches Highlight (Nina Simones "Be My Husband" nämlich) entpuppte. Nett am Rande: Hannigan sang versteckt in der Mitte der Nummer ein paar Zeilen des Magic Numbers-Songs "Love Me Like You".

Mit anderen Worten: Immer, wenn man das Gefühl bekam, Rice würde nicht viel mehr machen, als dem Publikum die Art von billigem, seelenlosem Entertainment zu geben, die eine an unpassenden Stellen johlende und dazwischenrufende Meute verdient hat, rief er uns in Erinnerung, warum seine beiden Alben zu den besten Singer / Songwriter-Platten des neuen Jahrtausends gehören, mit Zeilen wie "We'll call it Christmas, when the adverts begin" (aus "The Animals Were Gone") zum Beispiel oder dem von Anfang bis Ende wundervollen Folk-Lovesong "The Rat Within The Grain". Letzteres Lied, für den Gaesteliste.de-Korrespondenten klar die beste Nummer des gesamten Abends, war übrigens die einzige, die nicht nach den ersten Takten frenetisch gefeiert wurde - anscheinend kennt der durchschnittliche Rice-Tourist nur die Songs der Alben.

Auch eher eine Rarität der nächste Song: "Is This It My Friend?" kokettierte geschickt mit dem Gypsy-Sound von Bob Dylans "Desire", streifte auch Jeff Buckleys "Grace" und ging letzten Endes in einer wilden Jam auf. Dabei gab Rice seinen - zugegebenermaßen sehr guten - Musikern fast schon zu viel Raum, aber das war ohne Frage so gewollt, schließlich hatte er zuvor bereits die Bühne geräumt und Cellistin Long für eine Nummer die volle Aufmerksamkeit des Publikums gegönnt, die diese mit dem albernen, aber dennoch liebenswerten "Random Man On The Motorway" (das man bis zur Zeile "Did you smoke some heroin?" für ein Kinderlied hätte halten können) auch gerechtfertigt hatte.

Als krönenden Abschluss gab's dann noch eine letzte Chance für die Touristen, lauthals bei "The Blower's Daughter" mitzusingen, während sich die Puristen freuen durften, dass die Nummer plötzlich zu Radioheads "Creep" mutierte und Rice und seine Band damit zum Schluss ein ähnlich brachiales Schlaglicht setzten wie gleich zu Beginn mit "Me, My Yoke & I". Rund 90 Minuten hatte Rice zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Bühne gestanden. Deshalb war nur noch Zeit für zwei kurze Zugaben, bevor ein Abend der gemischten Gefühle zu Ende ging. Im Gloria, mit einem anderen Publikum, hätte Rice womöglich das Konzert des Jahres spielen können, im Palladium schlug er sich lediglich achtbar: Nicht willens, sich all der Klischees zu bedienen, die eine solche Hallengröße verlangt, aber zu sehr seinem Publikum entgegenkommend, um nicht das zu verwässern, was ihn zu einem ganz besonderen Künstler macht - oder muss man nun schon sagen: machte?

"Achtbar schlagen" ist übrigens auch das Stichwort für den Supportact, The Magic Numbers. Die spielten praktisch das gleiche 45-Minuten-Set wie drei Wochen zuvor bei ihrem Auftritt im Kölner Stollwerck und verbreiteten dabei fast ebenso viel Freude, obwohl die Umstände ungleich schlechter waren: Gerade die Uptempo-Nummern litten doch sehr unter dem unzulänglichen Sound, und die "Lightshow" unterstrich - um es euphemistisch auszudrücken - lediglich den Anti-Popstar-Status der wohlgenährten Band. Die hatte mit "This Is A Song" und "Forever Lost" zwei Uptempo-Singles an den Anfang gesetzt und damit zwar schon früh am Abend bewiesen, dass sie es meisterhaft versteht, den Sound ihrer Helden der 60er und 70er in ein letzten Endes doch zeitgemäßes Gewand mit massig Popappeal zu kleiden, doch am besten kamen beim Rice-Publikum natürlich die sanfteren Momente an.

"I See You, You See Me" zum Beispiel, ein Song, der wirklich alles vereint, was die Magic Numbers ausmacht, oder die tollen Harmonien bei den "Beach Boys meet Carpenters"-Parts des leichtfüßigen "Mornings Eleven". Ganz zu schweigen von "Slow Down", in das die vier Briten sehr subtil ein geradezu perfektes Cover von Kate Bushs "Running Up That Hill" integrierten. Ganz zum Schluss wollten sie es bei ihrem "größten Auftritt bisher in Deutschland" allerdings noch einmal richtig krachen lassen und verabschiedeten sich mit "Love You Like Me", das auch Velvet Underground gut zu Gesicht gestanden hätte! Hätten die Verantwortlichen (wer immer das gewesen sein mag) die Band nicht konstant in dunkelrotes Licht getaucht und die vier damit wie aus dem Gruselkabinett entlaufen aussehen lassen und den Hallensound ein bisschen besser auf die Stärken des Quartetts abgestimmt, hätten die Menschen im Palladium vielleicht auch verstanden, warum die Magic Numbers in Großbritannien Hallen von ähnlicher Größe füllen wie Damien Rice bei uns.

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Surfempfehlung:
www.damienrice.com
www.warnerbrosrecords.com/damienrice/
www.damienrice.co.uk
www.themagicnumbers.net
www.capitolmusic.de/xml/1/3252563/index.html
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Stephanie Schorre-


 
 

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