Vielleicht 50 Seelen drückten sich am hinteren Ende des für TLW eh etwas zu großen Saales herum und waren auch zwischen den Songs nicht gerade enthusiastisch. Doch als die Band androhte, dass bald Schluss sein würde, wollte das Publikum die vier Herren aus Seattle dann doch nicht gehen lassen... So standen TLW letzten Endes fast zwei Stunden auf der Bühne, dürften aber außer vereinzelten Fotografen, die sich in die "Sperrzone" zwischen Bühnenrand und Zuschauern getraut hatten, während des gesamten Konzertes kaum jemanden gesehen haben. Soundcheck im Dunkeln sozusagen.
Aber was für ein Soundcheck! Mit voller Spielfreude stürzten sich die vier in ihr Programm, brachten gleich zu Beginn mit dem grandiosen "Carparts" die einzige Nummer aus ihrem hierzulande immer noch komplett unbekannten Debütalbum "The Worst You Can Do Is Harm" und bewiesen anschließend mit dem musikalisch extravaganten "Teaspoon" (aus dem aktuellen Werk "Putting The Days To Bed"), wie sich ihre ureigene Vision des Power Pop in den vergangenen fünf Jahren gewandelt hat. Wobei zu unterstreichen ist: Die Balance zwischen Rock N Roll-Feeling, wortgewandten / gewitzten Texten und Nonchalance im Umgang mit dem Publikum ist heute perfekter denn je.
Danach ging es Schlag auf Schlag mit neuen ("Seven", "Honest") und alten ("Stupid", "Scared Straight") Highlights weiter, und so schön das auch war: Ein wenig vermisste man schon den verbalen Schlagabtausch der Band mit dem Publikum, der sich an diesem Abend auf ein paar Scherze über Johns Frisur ("Ich hatte vor dem Auftritt keine Zeit, mir die Haare zu machen") und die Bundesliga ("Ihr habt Bayern München geschlagen - kein Scheiß?!") beschränkte.
So war es dann ein ungewohnt straighter Auftritt des Quartetts, in dem auch die sonst fest zum Programm gehörenden ulkigen Coverversionen und Improvisationen ("There are no wrong notes in jazz") fehlten. Nur einmal spielten Bassist Eric Corson und Keyboarder Jonathan Rothman in einer Gitarren-Stimm-Pause kurz (und so leise, dass man es kaum hören konnte) "Sweet Home Alabama" an, aber auf Johns Rückfrage, ob sie die Nummer nicht vielleicht ganz spielen wollten, erntete er nur entsetzte Blicke von seinen Bandkollegen.
Also konzentrierten sich die vier auf Songs von "Putting The Days To Bed", das - mit zwei Ausnahmen - komplett zur Aufführung kam, und konnten damit unter Beweis stellen, dass die Platte gerade in ihrer Liveumsetzung keinen Deut schlechter ist als der zu Recht so umjubelte Vorgänger "When I Pretend To Fall". Die heimlichen Highlights des Abends präsentierte John dagegen beim kurzen Piano-Intermezzo in der Mitte des Sets: Mit "Delicate Hands" und "The Commander Thinks Aloud" brachten The Long Winters zwei atmosphärische Auszüge aus der oft ignorierten "Ultimatum"-EP, die live - trotz des Einsatzes von bis zu drei Tasteninstrumenten gleichzeitig - etwas von ihrem ungewohnt experimentellen Charakter verloren und so etwas wie der emotionale Anker des Konzerts waren.