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Konzert-Bericht
 
"Ich bin der deutsche 50 Cent"

Bernd Begemann

Essen, Grend/ Bochum, Studio 108
30.09.2006/ 14.02.2006

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Bernd Begemann
Dass Bernd Begemann in den letzten beiden Jahren eine wahre Renaissance erfahren hat, liegt in erster Linie an seiner aktuellen Band Die Befreiung. Das Herzstück des Begemann-Kultes ist aber nach wie vor seine Qualität als Entertainer, wenn er solo auf der Bühne steht. Das bewies er nun einmal mehr im neuen kleinen Saal des Bahnhofs Langendreer, wo sich der ausgewanderte Ostwestfale gut genährt ("20 Kilo Übergewicht, und er sieht immer noch so heiß aus!") und gut gelaunt ("Ich bin der deutsche 50 Cent") präsentierte.
Und das Publikum - es dürften gut und gerne 150 zahlende Gäste gewesen sein - liebte ihn von der ersten Sekunde an und wurde mit einem der besten Begemann-Soloauftritte, an den wir uns in den letzten Jahren erinnern können, belohnt. Gleich beim zweiten Song lästerte er charmant über Tokio Hotel und deren "Durch den Monsun"-Hit ab ("Große Worte ergeben immer Scheißlieder!"), brachte jede Menge neue, unveröffentlichte Lieder wie "Die Ikea-Falle" oder das Update von "Ich komme, um zu kündigen" ("Ich identifiziere mich nicht mit der Firmenphilosophie"), brachte eine grandiose, weit über zehnminütige Version von "Fernsehen mit deiner Schwester" und beschränkte die Experimente mit dem Drumcomputer auf lieb gewonnene Klassiker wie "Gut im Bett" oder "Meine Ex spielt verrückt". Sogar die Musik aus Bernds iPod während der Pause war großartig. Wo hört man heute sonst schon noch "She May Call You Up Tonight" von Leftbanke?

Im zweiten Set löste Begemann dann (teilweise) sein Versprechen ein, in der Pause alle Publikumswünsche zu lernen, und spielte willkommenerweise "Deutsche Hymne ohne Refrain" und später gar noch "Eigentlich wollte ich gar nicht nach Hannover". Und sogar "Wichita Lineman" gab's zu hören! Natürlich kam auch "Judith" wieder zum Zuge, dieses Mal allerdings in einer ziemlich gequälten Fassung, bei der nicht ganz klar wurde, ob es sich dabei um einen absichtlichen Programmpunkt handelte oder die Nummer Begemann wirklich so ankotzt. Auch im zweiten Teil gab es jede Menge neuer Songs, einige bereits veröffentlicht (wie das heimliche Highlight des Abends "Bis du den Richtigen triffst"), andere noch nicht auf Platte verewigt wie das verheißungsvolle "Ex-Freundin in Berlin" (beste Textzeile: "Sie findet es überhaupt nicht schlimm, dass ich komplett woanders bin"), "Du lebst mit jemandem" und "Wir sind 15". Zwischendrin verloste er noch DVDs (zur Auswahl standen japanische Filmkunst, Robbie Williams und vermutlich an der Tanke erstandene Pornos) und gab Nachwuchsbands Ratschläge für die Karriere - vor und während einer wirklich sensationellen Version von "Unsere Band ist am Ende".

Zum Schluss stellte Begemann dann den iPod an und haute uns als Rausschmeißer "Kick Out The Jams" von MC5 um die Ohren. Vermutlich fühlte er sich genauso wie das Publikum: Ein bisschen froh, den 180-Minuten-Marathon (oder wie er selbst sagte: "Gefühlte neun Stunden Bernd Begemann...") schadlos überstanden zu haben, aber vor allem glücklich, dabei gewesen zu sein.

...und einige Monate später ein paar Kilometer weiter westlich:

Was haben wir Begemanns Auftritte mit seiner Band Die Befreiung an dieser Stelle vor einigen Jahren abgefeiert! Inzwischen scheint es aber wieder so zu sein, dass sich der Hamburger Ostwestfale viel lieber solo austobt. Das jedenfalls mag man glauben, nachdem der Bandauftritt im Sommer in Dortmund eher durchwachsen war, seine Soloshow am Valentinstag in Bochum aber zu den besten der letzten Jahre gehörte und Begemann nun auch in Essen loslegte, als hinge sein Leben davon ab.

Dass das Grend restlos ausverkauft war, dürfte auch eine Rolle gespielt haben, aber an einen solchen Blitzstart Begemanns wie an diesem Samstagabend können wir uns wahrlich kaum erinnern. Das Konzert war gerade einmal Konzert 20 Minuten alt, da waren mit "Ich habe nichts erreicht außer dir", "Unten am Hafen", "Kelly Family Feeling", "Bis du den Richtigen triffst - nimm mich" und "Fernsehen mit deiner Schwester" praktisch alle heimlichen BB-Hits der letzten zehn, wenn nicht zwanzig Jahre, schon gelaufen! Und Begemann leierte sie nicht nur einfach so herunter, wie er das sonst schon einmal tut, nein, alle Songs wurden mit (neuen) Comedy-Segmenten aufgepeppt, die klamaukiger waren als alles, was wir von ihm bisher kannten.

Danach zog er dann sein Jackett aus ("Wenn ihr die Fotos jetzt nicht habt, ist es zu spät") und schaltete für Songs wie "Die Verlassenen" und "Dunkle Landschaft mit Kind" einen Gang zurück. Trotzdem bewies er weiterhin seine Entertainerqualitäten, indem er - auch das ja bei mir durchaus nicht immer üblich - seine Scherze größtenteils mit dem und nicht über das Publikum machte, auch wenn der Haustechniker vom Grend ("Sieht aus wie der Gitarrist von Silbermond") und ein junger Herr, der an diesem Abend seinen Junggesellenabschied feierte ("Gehörst du zu der Generation, die nur Spaß haben kann, wenn alle es mitbekommen?"), das vielleicht ein wenig anders sahen. Jedenfalls mokierte sich Begemann auf vortreffliche Weise über alles zwischen den Gilmore Girls und den Jungen Liberalen und verwies mehr als einmal auf den lehrreichen Charakter seiner Songs ("Das sind keine Sportfreunde-Stiller-Fußball-Lieder hier!").

Apropos lehrreich: "Judith" verhunzte er auch in Essen genauso wie vor Monaten in Bochum - höchste Zeit, dass die Nummer aus dem Programm fliegt. Apropos rausfliegen: Danke Bernd, dass du im Grend ohne "Oh, St. Pauli" und "Ute" ausgekommen bist! Apropos Songauswahl: Ein wenig seltsam war es ja schon, dass außer der "Ikea-Falle" praktisch nichts aus dem in vier Wochen erscheinenden neuen Album "Ich werde sie finden" zur Aufführung gebracht wurde, dafür aber eine ganze Reihe selbst darauf noch nicht enthaltener Songs! Und "Gut im Bett" ohne Drumcomputer, dafür mit Shakern, war klar eine Bereicherung, auch was Begemanns Ausdruckstanz betraf.

Nach der Pause rächte sich der furiose Anfang dann ein wenig, denn es wurde klar, dass Begemann das Programm eines regulären Auftritts (gibt es so etwas bei BB überhaupt?) praktisch rückwärts gespielt hatte. Folglich gab es eine Menge unbekannter Songs und viele langsamere Nummern und nur vergleichsweise wenig Klassiker à la "Deutsche Hymne ohne Refrain", "Wir werden tanzen" oder "Ich kann dich nicht kriegen, Katrin". Nachdem Begemann schon im ersten Teil ein, zwei pädagogisch wertvolle Kinderlieder (!) gebracht hatte, versuchte er sich - wenn man seinen Worten Glauben schenken darf - zum allerersten Mal an einer weiteren Coverversion, spielte "Die kleine Geldwäscherei" von den Fehlfarben und ließ den Song so BB-typisch klingen, dass man kaum glauben wollte, das Peter Hein bei der Nummer seine Finger im Spiel hatte.

Das Fazit kam dann einmal mehr vom Mann auf der Bühne selbst: Er sei das "Bollywood des deutschen Indierock", ließ er uns wissen. Nach diesem Auftritt glauben wir ihm das gerne.

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Surfempfehlung:
www.bernd-begemann.de
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
 

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