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03.08.2018
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Mond & Blumen

Joan Baez

Köln, Roncalliplatz
03.08.2018

Joan Baez
Die Idee, nach längerer Zeit wieder mal Open Air-Konzerte auf dem Roncalliplatz zu Füßen des Kölner Doms zu veranstalten, kam eigentlich durch das Management von Joan Baez zustande, das auf der Suche nach geeigneten Auftrittsorten für Joans (inzwischen bis ins nächste Jahr verlängerte) "Fare Thee Well"-Abschiedstournee gewesen war. Insgesamt kam dann so eine dreitägige Sause dabei heraus, an denen nacheinander Van Morrison, Patti Smith und eben Joan Baez in die tropischen Sommernächte feierten.

So richtig zusammengehalten wurde die Sache dabei durch Patti Smith. Diese freute sich sichtlich, es nach ungefähr vier Dekaden endlich geschafft zu haben, an jener Stelle aufzutreten, an der sie in den 70ern zu Füßen des Doms erstmalig auf die Idee für diesen Auftrittsort gekommen war. Sie ließ nicht nur mit "We Three Kings" die Geschichte der heiligen drei Könige - deren Gebeine ja im Kölner Dom aufbewahrt werden - musikalisch Revue passieren, sondern sie erinnerte auch daran, dass einen Tag zuvor Van Morrison den von ihm verfassten Song "Gloria" (der seit jeher zum Highlight ihres eigenen Repertoires gehört) an gleicher Stelle aufgeführt hatte, und sie wies auch gleich darauf hin, dass Joan Baez einen Tag nach ihr auftreten werde. Da Joan Baez aber schon vor Ort war, ließ diese es sich dann nicht nehmen, als Überraschungsgast bei der Show von Patti Smith auf die Bühne zu kommen - wo sie dann zunächst bei Pattis "Dancing Barefoot", das diese ihrer Kollegin gewidmet hatte, zu stehenden Ovationen des Publikums abrockte, und im Folgenden Patti dann auch noch bei einer spontanen Lesung von Dylans "A Hard Rain's A-Gonna Fall" als Duettpartnerin unterstützte. Das bedeutete natürlich, dass Joan Baez dann schon mal einen guten Eindruck von dem hatte, was sie denn erwarten würde, als sie am 03.08.18 dann selbst die Bühne vor dem Dom betrat. Und um es gleich vorweg zu sagen: Inspiriert von dem Impromptu-Auftritt vom Vortag, nahm sie dann "A Hard Rain's A-Gonna Fall" auch bei ihrem eigenen Set spontan mit ins Programm auf.

Natürlich ging die Gute auch bei einem ihrer - bis auf weiteres - letzten Konzerte auch mehr oder minder intensiv auf ihre Dylan-Connection ein - beispielsweise mit "Farewell Angelina", "Seven Curses" oder "It's All Over Now Baby Blue" (zufällig auch wieder ein Querverweis auf Van Morrison). Freilich ging es dabei dann nicht um eine wehmütige Geschichtsverklärung, sondern um einen - durchaus umfassenden und auch selbstkritischen - Blick auf die gesamte Laufbahn der Folkqueen. Anders als etwa Patti Smith am Tag zuvor legte Joan Baez dabei durchaus Wert darauf, neben ihren Roots auch die Gegenwart aktiv ins Geschehen einzubeziehen. Tatsächlich gerieten so die Songs ihres aktuellen Studioalbums "Whistle Down The Wind" auch deshalb zu den Highlights der Show, da sie sich die Mühe machte, gerade diese Songs ausführlich zu kommentieren. So etwa der von Tom Waits verfasste Titeltrack, das von Anthony (bzw. Anohni) geschriebene "Another World", "Silver Blade" - eine düstere Moritat mit einem modernen Twist (denn hier rächt sich die selbstbewusste Protagonistin indem sie ihren Peiniger mit der besagten Klinge ins Jenseits befördert), die ihr Josh Ritter in Form einer klassischen Folkballade auf den Leib schrieb oder Zoe Mulfords Gospel-Ballade "The President Sang American Grace", von der Joan Baez sagte, dass sie sie selbst gerne geschrieben habe. Nun - das sagt sie ja von vielen Stücken, da sie selbst sich nicht für eine gute Songwriterin (oder Gitarristin) hält (wobei auch bei dieser Show "Diamonds & Rust" eigentlich ein beredtes Gegenbeispiel darstellt). Was die vorgenannten Titel aber von ihren sonstigen Coverversionen absetzt, ist der Umstand, dass sie von jüngeren Kollegen für Joan geschrieben wurden - was dann zeigt, dass Joan Baez sich eben nicht darin genügt, alleine in der glorreichen Vergangenheit ihr Heil zu suchen. Was andererseits aber nicht bedeutet, dass sie diese vernachlässigte. So erwies sie insbesondere auch Phil Ochs, Pete Seeger und Woody Guthrie die Ehre. Dabei fand sie auch hier einen Bezug zur Gegenwart, denn mit "Deportees" gab es tatsächlich einen der wenigen politischen Guthrie-Tracks, der aufgrund seiner Thematik durchaus auch heute noch von Belang ist. Und was Pete Seeger betrifft, so gab es selbstverständlich "Sag mir wo die Blumen sind" auf Deutsch - ebenso wie übrigens "Der Mond ist aufgegangen". Da sei an dieser Stelle noch mal die Frage in den Raum gestellt, warum eigentlich amerikanische Folkies das klassische deutsche Liedgut deutlich öfter pflegen als deutsche - das aber nur am Rande. Weitere Referenzen aus der Folk-Historie gab es dann noch mit "Joe Hill" oder auch "House Of The Rising Sun" und natürlich gab es auch passende Stücke ihrer Kollegen Steve Earle und Kris Kristofferson. Und schließlich beschloss Joan Baez das Set mit "Gracias a la vida" - was dann eigentlich ja auch ein passendes Resümee der ganzen Sache war.

Kommen wir mal zur Darbietung. Bei ihrem mit Gästen aller Art gespickten Konzert zu ihrem 75. Geburtstag vor zwei Jahren wirkte Joan Baez eigentlich deutlich müder und abgeschlaffter als sie sich bei ihrem Kölner Auftritt präsentierte. Natürlich ist das Alter nicht vollständig an ihr vorüber gegangen: Das jubilierende Vibrato vergangener Zeiten ist einer - zuweilen brüchigen, aber dennoch stets präsenten - Altstimme gewichen; doch gelegentlich (etwa bei dem bemerkenswert anrührend interpretierten "It's All Over Now Baby Blue") blitzt die alte stimmliche Grandezza durchaus noch mal auf. Unterstützen ließ sich Joan Baez bei dieser Show abwechselnd oder manchmal in einem angedeuteten Band-Setting von ihrem Sohn Gabriel, der verschiedene Percussion-Instrumente bediente, dem multi-variablen Dirk Powell und der wesentlich jüngeren Harmoniesängerin Grace Sturmberg. Allen dreien überließ Joan dabei jeweils einen Solo-Moment im Spotlight. Was die neuen Tracks betrifft, so folgte sie im Wesentlichen der Produktions-Linie Joe Henrys, der das Album "Whistle Down The Wind" nach dem Prinzip "weniger ist mehr" angelegt hatte. Es waren dann aber tatsächlich die alten Gassenhauer - neben "Baby Blue" etwa "House Of The Rising Sun" oder "Me & Bobby McGhee", die musikalisch besonders hevorstachen - einfach deswegen, weil sich Joan und ihre Musiker bemühten, dem prinzipiell ausgelutschten Material durch Akzentverschiebungen oder arrangementstechnische Details noch irgendwelche interessanten Perspektiven abzugewinnen.

Kurzum: Sollte das nun tatsächlich schon der Schwanengesang der Joan Baez gewesen sein (was angesichts der in Köln dargebotenen Präsentation eigentlich nur schwer vorstellbar erscheint), dann war es zumindest ein sehr würdiger und passender.

Surfempfehlung:
www.joanbaez.com
www.facebook.com/OfficialJoanBaez

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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