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07.07.2017
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Im Kleinen ganz groß

The Harmed Brothers

Grevenbroich, Kultus
07.07.2017

Harmed Brothers
Kann uns bitte mal jemand erklären, wie es sein kann, dass The Harmed Brothers nicht in aller Munde sind, während Bands wie Mumford & Sons oder The Avett Brothers nicht nur in Nordamerika ganz groß abräumen, denn wir verstehen's ehrlich gesagt nicht. Schließlich haben The Harmed Brothers mit Ray Vietti und Alex Salcido gleich zwei begnadete Songwriter, die sich offenbar mühelos eine eingängige Americana-Hymne nach der anderen aus dem Ärmel schütteln und dabei nicht nur klanglich mit viel Authentizität an die Giganten des Genres heranreichen, sondern auch wunderbar poetische Texte schreiben, mit herrlichen Zeilen wie "He sings just like Elvis, before he died inside". Trotzdem spielen die Mumfords und die Avetts inzwischen längst auch hierzulande in den großen Hallen, während die Harmed Brothers (als Duo, denn der Rest der Band musste aus Kostengründen daheim in Oregon bleiben) freitagabends unter einem Partyzelt im Schatten der Kirche am Markt in Grevenbroich auftreten - und anschließend geht der Hut rum für Spritgeld.

Harmed Brothers
Vietti und Salcido brauchen nicht viel, um an diesem lauen Sommerabend unter freiem Himmel zu begeistern. Zwei Stimmen, eine Akustikgitarre und ein Banjo reichen den beiden Amerikanern völlig, um das Publikum - oder zumindest diejenigen, die wegen der Musik und nicht nur für ein Feierabendbier unter Freunden gekommen waren - in null Komma nichts vom Rheinland auf irgendeinen staubigen Highway oder in irgendeine Spelunke im Hinterland der USA zu transportieren. Mit ihrem Sound und mit ihren Texten malen die beiden Musiker fantasievolle Bilder von einem längst vergessen geglaubten Amerika des kleinen Mannes, vom alltäglichen Überlebenskampf und von der Tendenz ihrer Landsleute, alles exzessiv zu betreiben. Ohne dass man die wunderbar vollen Bandarrangements ihrer feinen Platten (die letzte, schlicht "The Harmed Brothers" betitelt, erschien im vergangenen Jahr) vermisst hätte, tauchen die zwei rund 90 Minuten lang ab in die Welt von Country, Bluegrass und Folk-Rock, spielen wunderbar heimelig klingende Ohrwürmer wie "In The Wind" (das auch den seligen Uncle Tupelo gut zu Gesicht gestanden hätte), ziehen mit "The Very Best" ihren Hut vor einem weiteren vergessenen Genie, Willy Tea Taylor, streifen mit "So Long, Goodbye" das Terrain von Bruce Springsteen und Counting Crows, geben bei "With Them Comes Hell" die Banjo-Beatles, holen mit "One Night" einen ihrer frühesten Songs von einem 2009er-Live-Mitschnitt aus der Versenkung, stürzen sich für "One In The Garden" in ein herzergreifendes Duett und bringen das augenzwinkernd für "American Idol tauglich" befundene Publikum bei "The Ballad Of Probably Not" sogar zum Mitsingen, bevor sie bei der Zugabe die gospelige Chance-The-Rapper-Nummer "I Was A Rock" gekonnt auf Bluegrass-Niveau herunterbrechen.

Harmed Brothers
Dazwischen erzählen sie von den Höhen und Tiefen ihrer laufenden Europatournee, von mitreißenden Festivalshows in Belgien und unangenehmen Begegnungen mit dem Schweizer Zoll: "Sie haben uns genug Geld abgenommen, dass wir dafür eine Autobahnpatenschaft bekommen sollten", scherzt Vietti sichtlich zerknirscht, bevor er damit geschickt zum nächsten Song, "Adopt A Highway", überleitet. Am Ende landet - vollkommen zu Recht - mehr Papiergeld als Münzen im Hut für die Band, und mit ein bisschen Glück reicht das für ein baldiges Wiedersehen mit dieser ganz ausgezeichneten Band.

Surfempfehlung:
www.theharmedbrothers.com
facebook.com/TheHarmedBrothers
theharmedbrothers.bandcamp.com

Text: -Simon Mahler-
Fotos: -Simon Mahler-
 

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