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18.02.2005
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Dänisch für Fortgeschrittene

Lampshade
Campsite

Dortmund, FZW
18.02.2005

Lampshade
Es war einer der (zum Glück) eher seltenen Abende, an denen zunächst Dortmund und dann überhaupt ganz Nordrhein-Westfalen in einem soliden Schneesturm hinweggeweht wurde, an dem Lampshade aus Dänemark den Weg ins FZW gefunden hatten. Das war aber eher ein böses Omen für den Nachhauseweg als für den Konzertabend, denn der Zuspruch war erfreulich. Eine kunterbunte Mischung alten und jungen Fans hatte sich im zur Außenwelt heimeligen Jugendheim versammelt, um dem zu lauschen, was die Jungs um die charismatische Sängerin Rebekkamaria aus dem Material ihres Debüt-Albums "Because Trees Can Fly" seit dessen Veröffentlichung gemacht hatten. Das ist ungefähr die bestmögliche Beschreibung dessen, was die Zuhörer erwartet, denn eine Band, die einfach ihre Songs möglichst originalgetreu reproduziert, sind Lampshade zum Glück wirklich nicht.

Im Gepäck waren einige neue Songs (die Band arbeitet bereits am Nachfolge-Album), ein neuer fester Gitarrist, Erik Nylén, der auch Trompete spielt (und vor dem Gig noch ganz aufgeregt war), ein weiterer Leih-Gitarrist, und eine eigens mitgebrachte Supportband. Campsite ist eine Band aus dem Kreativpool um Lampshade. Johannes Dybkjær Andersson, der organisatorische Kopf des Lampshade-Imperiums, verriet uns kurz, dass dies eine Band sei, die er persönlich betreue und deren offizielles Debütalbum kurz vor der Vollendung stehe. Campsite sind eine - so Johannes - für Dänemark eher typische Band, indem sie verschiedene Stile munter zu einer eigenen Melange verquicken. Das Quintett mit Keyboarder überzeugte mit frech fröhlichen Gitarrenpop-Songs, die zusammen mit einigen 80s Synthie Einlagen stramm und straks in Richtung Franz Ferdinand marschierten. Oder in Richtung Blur. (Eine Richtung, aus der Franz Ferdinand wiederum schließlich selber kommt.) Kurz und gut: Das Tanzbein durfte geschwungen werden und trotzdem kam der Gitarrenfreund nicht zu kurz. Vielleicht war es ja auch eine spezielle Taktik, eine solch lebhafte Truppe als Support mitzunehmen. Denn auch bei den neuen Lampshade-Stücken ließen sich keine Uptempo Nummern entdecken und somit gab es auch keine direkte Konkurrenz zwischen den beiden Acts. Campsite ließen einfach ein gut gelauntes Publikum zurück.

Ideale Voraussetzungen also. Als Lampshade dann nach einer Umbaupause auf die Bühne stiegen, war die Spannung groß. Was würde die Combo aus den atmosphärisch reichhaltigen, episch-dramatischen Dynamikmonstren des Albums machen? Nun, im Prinzip alles ein wenig besser und fokussierter auf's Tablett legen. Wer Lampshade schon einmal live gesehen hat, der weiß, dass dies keine Shoegazer-Band ist. Auch wenn Rebekkamaria immer noch (aber seltener) mit geschlossenen Augen singt: Auf der Lampshade-Bühne ist - trotzt aller musikalischen Bedächtigkeit und trotz allen Kalküls immer was los. Ob nun Erik zur Trompete greift, ob Johannes umherspringt als habe ihn der Hafer gestochen, ob die Gitarre mit einem Geigenbogen bearbeitet wird oder ob Rebekkamaria Melodica, Xylophon, Keyboards oder Tambourin spielt (oder einfach nur da steht und sich verzückt im Takt wiegt): Bei Lampshade kann man was erleben. Offensichtlich gut gelaunt telefonierten Rebekkamaria und Johannes das Publikum durch's Programm, das neben der gleich zu Beginn gegebenen "Klassiker" wie "Clean", dem Titeltrack oder "Come On In" und persönlicher Favoriten vom Schlage "The Hug" auch bereits ein paar neue Stücke enthielt: "Come Closer", "Fathers Love Sons", "Give Her Peace" und das als Zugabe gegebene, besonders ausufernder "Quiet Light" schlossen dabei nahtlos an das an, was "Because Trees Can Fly" ausmachte. Die Weiterentwicklung findet hier im Detail statt. So gefielen an diesem Abend dann z.B. die Keyboard-Passagen, bei denen Rebekkamaria einen monströsen Synthesizer ebenso souverän bändigte, wie ein E-Piano, die insbesondere den neuen Tracks mehr Fläche und Tiefe verliehen und auch die eine oder andere Melodie andeuteten. Das mit der Melodie ist bei Lampshade aber immer so eine Sache, denn es hängt immer davon ab, was Rebekkamaria letztlich daraus macht. An diesem Abend war das so einiges. Zwar war die gute in ihrem bodenlangen schwarzen Kleid und den gleichfarbigen Haaren vor dem ebenfalls schwarzen Bühnenhintergrund zuweilen kaum zu sehen, machte das aber durch innere Qualitäten und eine Art virtuelles Strahlen wieder wett.

Die äußerst enigmatische Frontfrau ging im FZW ziemlich aus sich heraus, entwickelte zu der eher zurückhaltenden jungen Frau im richtigen Leben eine hydrahafte Bühnenpersona und steigerte sich fast tranceartig in das Material hinein. Vom sanften Flüstern über kieksende Seufzer bis zum befreienden Urschrei war da jederzeit alles möglich. Und das macht letztlich die gesamten Lampshade-Tracks letztlich so spannend. Auch wenn diese musikalisch vergleichsweise simpel und sogar vorhersehbar aufgebaut scheinen: Was letztlich daraus wird, entscheidet der Moment, die Tagesform oder die Umgebungstemperatur und das ist und bleibt spannend. Weit entfernt von der naheliegenden Gefahr, sich etwa selbst zu wiederholen, verstehen es die Lampshade Musiker, durch geschicktes Variieren, Betonen, Improvisieren, Gewichten oder Verbiegen immer wieder neue Nuancen aus ihren Tracks hervorzukitzeln. Und das mit Mitteln, die eigentlich jedem zur Verfügung stünden, wenn man denn bloß mal drauf käme. (So z.B. die Idee, die Bass-Saiten mit einem kleinen Drumstick zu bearbeiten.) Aber Lampshade sind eben ein wenig anders als andere Bands. Nur ein Beispiel: Wo gibt es das schon mal, dass der Bassist etwa mehr Effektgeräte verwendet als der Gitarrist? Zwar wissen wir jetzt immer noch nicht, warum Bäume fliegen können - wir können es aber zumindest erahnen - oder denken wenigstens einmal darüber nach. Dank Lampshade, einer Band, die aus dem Geburtsort Hans Christian Andersen stammt.

Surfempfehlung:
www.lampshade.dk
www.adorablevoid.com/lampshade

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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