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24.04.2018
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Größer! Besser! Ja! Ja! Ja!

The Fleshtones
Kurt Baker Combo

Köln, Sonic Ballroom
24.04.2018

The Fleshtones
In gewissen Kreisen gilt der Sonic Ballroom im Kölner Stadtteil Ehrenfeld als legendär - darauf machte auch Kurt Baker aus Portland, Oregon aufmerksam, der erstmals mit seiner aktuellen, spanischen Band auf der Bühne (die eigentlich nur eine Nische neben der Bar des kneipenartigen Punk'n'Rock'n'Roll-Etablissements ist) stand. Jahrelang zog der Mann in den USA mit seiner Party-Punk-Band The Leftovers durch die Gegend, bis er sich dann zu einem für Amerikaner eher ungewöhnlichen Schritt entschloss und nach Madrid übersiedelte - wo er dann kurzerhand mit spanischen Musikern seiner Passion in Form der Kurt Baker Combo ein neues Gesicht verpasste.

Musikalisch macht sich das allerdings kaum bemerkbar. Zum einen, weil Baker keinen Deut von seiner Linie abweicht - und einfach so tut als dauerten die späten 70er und frühen 80er Jahre des letzten Jahrhunderts musikalisch immer noch an - und zum anderen, weil seine Companeros nahtlos auf diese Linie eingestiegen sind und astreinen US-Power-Pop-Punk in Reinkultur zu emulieren imstande sind. Gerade hat Baker ein neues Album namens "Let's Go Wild" veröffentlicht (zum zweiten Mal auf dem Label seines Fans und Förderers Steve Van Zandt) - und das in etwa war dann auch das Thema der Show im Sonic Ballroom. Ohne irgendwelche Mühe - aber mit viel Schweiß und Energie - brachten Baker & Co. die überwiegend leicht angegrauten Punk-Fans der ersten Stunde (die tatsächlich auch seinetwegen gekommen waren) unter seine Kontrolle. Von der ersten bis zur letzten Sekunde gab es Vollgas und Party pur vor und auf der Bühne - ganz so, wie sich das gehört, aber auch ohne irgendwelchen Überraschungen und Experimente. Ein Power-Chord folgte dem nächsten und eine Punk-Pop-Hymne reihte sich an die folgende. Witzigerweise kam die Band - wohl aufgrund des geradlinigen Bühnen-Settings - dabei besonders tight rüber - einfach deswegen, weil Bass & Drums soundmäßig zu einer knackigen Einheit verbacken wurden und dann die Gitarren relativ transparent im Raume standen. Und das natürlich mit Vollgas und Schmackes. Etwas anderes freilich wäre von einer Combo wie dieser ja auch kaum zu erwarten gewesen. Nur dass sich Baker am Ende dann gleich drei Zugaben gönnte, war dann doch ein wenig zu viel des Guten - denn aufgrund dessen, dass die Bühne ja für den Auftritt der Fleshtones komplett umgeräumt werden musste, zog sich die Sache dann für einen Dienstagabend ziemlich in die Länge. (Was aber eigentlich nichts ausmachte, denn die Fans sahen nun wirklich nicht so aus, als müssten sie am nächsten Morgen pünktlich im Büro sitzen).

Ein Konzert der dienstältesten, unverändert seit ca. 40 Jahren existierenden Garagenrock-Band The Fleshtones ist immer mehr ein Happening als ein "normales" Konzert. Das fängt damit an, dass die Jungs mehr vor als auf der Bühne agieren und hört längst nicht damit auf, dass der charismatische Frontmann Peter Zaremba das Publikum pausenlos über den Umstand informiert, dass die Fleshtones wieder da, auf der Bühne, im Haus und überhaupt da seien. Im Laufe der Jahre hat sich Zaremba auf den pausenlosen Fleshtones-Touren ein passables und höchst charmantes Pigeon-Deutsch angeeignet, das er heutzutage gar dazu nutzt, alte Gassenhauer wie "Bigger And Better" einzudeutschen. Das hat dann schon was, wenn die Band und das Publikum zusammen intonieren: "Größer! Besser! Ja! Ja! Ja!" Überhaupt haben es die Fleshtones ja mit dem Fremdeln: Im letzten Jahr etwa absolvierten sie eine Tournee in China und zuletzt fühlen sie sich immer stärker dem Spanischen verpflichtet. Die spanische Version des Ten Years After-Covers "Love Like A Man" ("Ama Como Un Hombre") - die im Sonic Ballroom gegen Ende des Sets eingestreut wurde - brachten die Jungs vorletztes Jahr auf Single heraus und auch auf der aktuellen CD "Budget Busters" (einer Kompilation von Oddities und zwei neuen Tracks) ist dieser Song (neben dem ebenfalls auf spanisch intonierten Alvin Lee-Stück "Ama Mas") zu finden. Der Titel des Songs "Dancing All Around The World" ist da sicherlich nicht übertrieben.

War bereits bei der Show von Kurt Baker & Co. die Stimmung im Laden recht gut, so artete die Sache bei den Fleshtones dann im totalen Durcheinander aus. Immer wieder angefeuert von Peter Zaremba tobte sich das Publikum dann dermaßen in Rage, dass nach einer Weile kein Unterschied mehr zwischen Performern und Zuschauern auszumachen war. Als die Fleshtones ihren Lieblings-Rausschmeißer "I Surrender" (im Original von Bonnie St. Claire) gaben, gesellten sich dann noch zwei mittelalte Ersatz-Go-Go-Girls zu Peter auf die Bühne und überraschten mit einer ausgefeilten Choreographie. Zu dem Thema muss leider auch wieder auf das leidige "Wheel Of Talent"-Thema eingegangen werden. Seit die Fleshtones 2014 das gleichnamige Album heraus brachten, haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, das Talentrad bei jeder sich bietenden Gelegenheit (= bei nahezu jedem Song) einzufordern. Die Sache ist dabei im Prinzip eigentlich ganz einfach: Immer, wenn Peter Zaremba "Wheel Of Talent" sagt oder singt (und das tut er oft), hat sich jeder im Publikum um die eigene Achse zu drehen. Das klingt für Außenstehende natürlich spaßig - führt aber auf die Dauer zu Desorientierung und Schwindelgefühlen bei den Ausführenden. Das allerdings ist den Fleshtones sicherlich ganz recht, denn so können sie ja noch mal eins draufsetzen. Das wurde spätestens dann albern, wenn Tracks wie "Teenage Zombie" ins Ziel kommen - aber besonders ernst genommen werden wollen Peter & Co. ja auch bestenfalls in musikalischer Hinsicht. Und hier bewegten sie sich dann souverän auf den eingeschlagenen Pfaden - nicht ohne ständige Verweise auf ihre Einflüsse wie z.B. die Ramones (denen dann Gitarrist Keith Streng als "Sänger" huldigen darf) oder neuerdings auch mit "Gotta Get Away" den frühen Stones. Kurzum: Die Fleshtones machen sich keinen großen Kopf um Sinn oder Unsinn, falsch oder richtig, laut oder leise - sondern bieten das, was sie können, wie kaum eine zweite Band: Allerbeste, gut gelaunte Vollbedienung in Sachen Rock'n'Roll-Entertainment. Da gibt es sicher Schlimmeres - und irgendwie hält sowas ja auch jung.

Surfempfehlung:
www.facebook.com/The-Fleshtones-Official-177240861436/
www.yeproc.com/artists/the-fleshtones/
www.facebook.com/KurtBakerMusic

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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